Einblicke 
in die Admeira-
Werkstatt

Bei Admeira, einem nebst Goldbach Media führenden TV-Vermarkter, der unter anderem die reichweitenstärksten SRG-Sender vermarktet, arbeitet man mit Hochdruck an NextGen-TV-Lösungen: Interaktiv und zielgruppenspezifisch soll sie werden, die Fernsehwerbung der Zukunft, sagt Philipp Mason, Head of NextGen TV bei Admeira, im Interview mit der Werbewoche.

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Werbewoche: Philipp Mason, sehen Sie sich als Entwicklungschef eines Start-ups?

Philipp Mason: Wir arbeiten in kleinen Teams und entwickeln in einer agilen Manier, was businessseitig und technisch ist. Das Credo bei uns ist, dass wir ein gutes Teamwork haben und interaktiv agieren. Wenn Sie einen Entwicklungsleiter eines Start-ups als das charakterisieren, dann kann ich das mit Ja beantworten.

Welches ist Ihre Vision bei der Entwicklung von innovativen TV-Werbeformen?

Kleine Brötchen backen, diese rasch ausliefern und zusammen mit unseren Kunden Erfahrungen sammeln. Das ist keine Vision, aber es beschreibt unseren dynamischen auf Innovationen basierenden Entwicklungsprozess. Grundlage ist die agile, moderne Entwicklungsmethode der kleinen Schritte. Wir fügen laufend neue Funktionen und Nutzen hinzu. Das Erlebnis für den Konsumenten muss unablässig verbessert werden. Die aktuellen Testkampagnen liefern nun erste Hinweise.

Was fasziniert Sie persönlich am meisten an dieser Entwicklung?

Die Herausforderung, das Beste an Werbemöglichkeiten aus den beiden Welten TV und Online in guten Produkten zu vereinigen, mit der Betonung auf: das Beste! Wir müssen hier selektiv rauspicken, was auch echten Nutzen bring.

Was alles steckt in Ihrem NextGen-TV-Köcher?

Das Wichtigste ist der interaktive Spot mit dem OK-Button. Darauf konzentrieren wir uns. Was wir sonst noch verfolgen, ist die zielgruppenspezifische Werbung: DAI – Dynamic Ad Insertion. An Ideen mangelt es nicht. Im Gegenteil; aber aktuell stehen diese beiden Ideen für die Umsetzung im Vordergrund.

Wie funktioniert interaktive TV-Werbung?

Auf dem Bildschirm erscheint der OK-Button als Overlay mit der Aufforderung, die Fernbedienung in die Hand zu nehmen und die OK-Taste zu drücken. Beim Overlay ist eine URL hinterlegt, die die Verbindung zur Landingpage herstellt. Es handelt sich dabei um eine CE-HTML-Seite, eine abgespeckte Website speziell für TV-Geräte. Währendem die Seite den Bildschirm ausfüllt, sieht man in einem kleineren Ausschnitt das Live-Signal des TV-Programms. Auf der Seite kann der Konsument navigierend Texte lesen, Videos anschauen, Formulare ausfüllen und vieles mehr.

Welche Interaktionsmöglichkeiten gibt es?

Mit welchen interaktiven Funktionen und mit welchen Anreizen der klassische TV-Spot erweitert werden soll, ist den Werbetreibenden überlassen. Hier entsteht ein neues Kreativitätsfeld.

Welche Technologie steckt dahinter?

Grundvoraussetzung für interaktives Fernsehen ist HbbTV. HbbTV ist eine Übertragungstechnologie, und sie steht für Hybrid Broadcast Broadband Television. Es ist die Verschmelzung von Fernsehen und Internet, denn die neue Technologie verknüpft digitales Fernsehen mit dem Internet. Ähnlich dem Teletext werden Zusatzinformationen zum jeweiligen Programm angezeigt. Dieser Nutzen kommt nun auch in der TV-Werbung zur Anwendung, indem der klassische TV-Spot mit weiteren Informationen und interaktiven Möglichkeiten angereichert werden kann.

Können auch Direktkäufe getätigt werden?

In dieser Beta-Phase noch nicht. Hier setzen wir Dinge um wie Gratisprobefahrten. Den echten Transaktionscase behandeln wir aktuell noch nicht. Wir sind uns aber bewusst, dass dafür eine Nachfrage besteht. Erst wollen wir die aktuellen Testcases marktfähig weiterentwickeln. Danach nehmen wir die Königsdisziplin in Angriff.

Welche Konsumentenbedürfnisse stehen im Vordergrund?

Das hängt stark von den Zielen ab, die der Werbekunde beim Konsumenten erreichen möchte. Hier ist die Interaktion zwischen dem Werbekunden und Admeira wichtig. Das ist das Ziel dieser Cases, gemeinsam mit den Testkunden Erlebnisse zu entwickeln, die beim Konsumenten auf Anklang stossen.

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Was ist Ihr wichtigstes Anliegen?

Der Mehrwert für den Konsumenten. Wir teilen unsere Beobachtungen der Kampagnen mit unseren Werbekunden mit dem Ziel, das Niveau der Konzepte von Beginn an hoch zu halten. Daran ist uns sehr viel gelegen. Im Fokus steht der Zusatznutzen für den Konsumenten. Er muss einen Mehrwert erfahren können. Das kann eine Interaktivität sein, etwas Unterhaltsames oder Zusatzinformationen. Ist das nicht der Fall, wird über kurz oder lang niemand mehr diesen OK-Button betätigen. Und das wollen wir natürlich verhindern. Die Zauberworte heissen «Relevanz» und «sich auf das Wesentliche beschränken».

Welche neuen Herausforderungen sehen Sie auf die Spot-Macher zukommen?

Wenn man die interaktive TV-Werbung mit dem OK-Button als Verlängerung und Bereicherung ansehen will, ist es am besten, wenn die Story im Spot beginnt und in der Landingpage ihre Fortsetzung findet. Die Gestaltung dieses nahtlosen und nachvollziehbaren Übergangs scheint mir ganz wichtig. Hier ist richtig gutes Storytelling gefragt. Und das Ganze muss einfach sein. Wir dürfen den Nutzer trotz allen Verlockungen punkto Kreativität und Interaktionen nicht verwirren. Sonst haben wir ihn verloren. Trotz Onlinefunktionen befinden wir uns in erster Linie auf dem TV. Wir haben eine Fernbedienung in den Händen, mit der wir navigieren müssen, wir sind eher passiv, und diese Faktoren gilt es zu berücksichtigen.

Gibt es eine optimale Länge für diese Art von Spots?

Wir befinden uns erst in der Entwicklungsphase. Für die Nennung einer konkreten Spotlänge ist es daher viel zu früh. Aber klar, die Spots dürfen nicht zu kurz sein. Der Nutzer muss schliesslich Zeit haben, erst den OK Button zu erkennen und dann die Fernbedienung in die Hand zu nehmen.

Für welche Werbeziele eignet sich interaktive TV-Werbung?

Wir arbeiten an drei Use-Cases mit teils standardisierten Landingpages für die Ziele Bekanntheit, Loyalität und Dialog. Eine Kampagne kann natürlich mehrere Ziele anstreben. Ein häufiges Ziel ist die Steigerung der Markenbekanntheit. Hier muss der Übergang vom Spot zur Landingpage für den Zuschauer inhaltlich und formal nahtlos erfolgen. Dafür liefern uns die aktuellen Tests und später hoffentlich auch die vielen weiteren Cases laufend Hinweise zur Verbesserung. Beim zweiten Case arbeiten wir an einer Standardvorlage für das Ziel Markenloyalität. Ich denke an eine Dankeschön-Aktion. Kunden können sich eintragen und erhalten ein Geschenk nach Hause geschickt. Beim dritten und aus meiner Sicht wichtigsten Case adressieren wir Dialogziele. Dabei stelle ich mir die Frage, was wir aus der Online-Welt in die TV-Welt übernehmen können. Für uns bedeutet NextGen TV das Beste aus beiden Welten zu vereinen und zu kombinieren. Darunter fällt beispielsweise die Möglichkeit, mit dem Endnutzer in einen Dialog zu treten, also viel mehr als beispielsweise nur die Click- Through-Rate. Man soll einen Mehrwert bieten und die Fragen an den Konsumenten lauten: Willst Du etwas bestellen? Benötigst Du eine Beratung? Sollen wir Dich kontaktieren? Definiere du, lieber Nutzer, wann für dich der beste Zeitpunkt ist für die Kontaktaufnahme. Die Möglichkeit besteht natürlich bis hin zur Transaktion.

Welches sind die wichtigsten Messwerte?

Der TV-Spot wird ganz normal via Mediapulse gemessen. Dann messen wir wie viele auf den OK Button drucken und damit auf die Landingpage gelangen. Auf der Page haben wir Messwerte, wie wir sie bei allen Webseiten erheben können. Ebenfalls ein wichtiger Indikator ist die Verweildauer. Aber auch Leadgenerierung ist möglich, etwa in dem der Konsument ein E-Magazin abonniert. Der Konsument kann zur Eingabe beliebiger Angaben aufgefordert werden. Die Möglichkeit für den Konsumenten seine hinterlegten Profildaten per Klick (Autofill) hinzuzufügen, erleichtert das Prozedere und ist wichtig für die User Experience. Welche Performance Indikatoren in welcher Form nützlich und sinnvoll sind, werden wir erst nach Abschluss der Betaphase bestimmen können.

Wird TV-Werbung nun zum Performance-Kanal?

Ich denke nicht, und glaube das wäre falsch. Wir können zwar Leads generieren und dabei Click-Through-Rates und Conversion-Rates ausweisen; aber sich ausschliesslich darauf zu konzentrieren, wäre ein Fehler. Dann gäbe es nur noch Wettbewerbe, Bemusterungen, Probefahrten und so weiter. Aber interaktive TV-Werbung hat noch viel mehr zu bieten: Man kann auf einer Landingpage einfach zusätzliche Informationen zum Produkt liefern. Bei einem Auto beispielsweise, könnte ich Details für Autokenner zeigen, für die ich in einem normalen TV-Spot niemals die Zeit habe. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir uns auf dem TV-Screen befinden.

Worin sehen Sie jetzt zum Start die grösste Herausforderung?

Der Zuschauer sitzt zurückgelehnt vor dem TV-Gerät und will in Ruhe etwas schauen. Man darf ihn dabei möglichst nicht stören und aus seiner Komfortzone holen. Der Zuschauer muss sachte an diese neue Erlebnisdimension herangeführt werden. Deshalb ist etwa der Transaktions-Case mit Kaufabschluss aktuell noch kein Thema. Wir würden den Konsumenten damit überrumpeln oder schlimmstenfalls gar vergraulen. Das grösste Anliegen zum Start ist, ihm beizubringen, dass er, wenn es ihn interessiert, mit der Fernbedienung ins Spot-Geschehen eingreifen kann. Die Leute müssen verstehen, wie das funktioniert, und erkennen, dass sie einen relevanten Zusatznutzen erhalten.

Wo steht Admeira bei der zielgruppenspezifischen Werbung?

Wir haben erst kürzlich eine Testkampagne in der Alpha-Phase mit Swisscom im Lead durchgeführt. Im Rahmen dieses technischen Tests wurden die Werbespots via Swisscom TV auf dem privaten Kanal TF1 in vier unterschiedliche Regionen in der Westschweiz ausgestrahlt. Inhalt: die BMW-Garage Facchinetti lud zum Tag der offenen Tür an vier verschiedenen Standorten ein. Die Zuschauer sahen jeweils nur die Adresse der Garage, die für sie geografisch am nächsten lag. Eine echte Schweizer Premiere. TF1 deshalb, weil der SRG die gesetzliche Zulassung für zielgerichtete Werbung derzeit fehlt und weil TF1 gute Reichweiten in der Romandie liefert. Als Admeira wollen wir vorwärtsmachen. Sky in England hat ähnliches schon realisiert, ansonsten haben wir hier in Europa eine Vorreiterrolle.

Was sind für Sie idealtypische Stärken von TV und von Online?

Bei TV ist es die Aufmerksamkeit, und dass in kurzer Zeit sehr viele Leute erreicht werden können. Hinzu kommt beim TV die Möglichkeit, via Storytelling Emotionen zu wecken. Die Glaubwürdigkeit des Mediums ist auch eine Stärke. Bei Online sehe ich die Stärken bei den vielen Mess- und Interaktionsmöglichkeiten.

Worum sollten Sie andere Anbieter beneiden?

Niemand soll uns beneiden. Wir versuchen, mit den uns zur Verfügung stehenden Innovationsmöglichkeiten, den Schweizer Werbemarkt zu bereichern. Unsere Dienstleistungen stehen allen Werbeauftraggebern, Agenturen sowie weiteren Anbietern von Werbeinventar offen. Technische Voraussetzung für interaktive Spots sind ein TV-Sender, der HbbTV einsetzt und ein Netzwerkbetreiber, der HbbTV überträgt.

Interview: Beat Hürlimann

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