Wie Medienschaffende in der Schweiz durch die Krise gehen

Journalismus zu Zeiten von Corona: Eine Befragung der eidgenössischen Medienkommission EMEK macht deutlich, wie herausfordernd die Arbeit für Journalistinnen und Journalisten unter Corona-Bedingungen ist.

33 Medienschaffende aus den drei grossen Sprachräumen der Schweiz haben in qualitativen Gruppengesprächen einen vielschichtigen Einblick gegeben, wie sie bislang die Corona-Krise wahrgenommen und bewältigt haben. Die EMEK hat die Gespräche dokumentiert. Sie gibt in ihrem Bericht das Wort den Journalistinnen und Journalisten und rundet deren Aussagen mit eigenen Schlussfolgerungen ab.

Keine Kritik, sondern Gemeinschaftsgefühl

Nach eigener Einschätzung agieren die Medien in der akuten Krisenzeit in ihrer Vermittlerrolle im Sinne des Bundesrats und verzichten zumeist auf kritische Positionen. Die Stärkung der Gemeinschaft, das gemeinsame Bewältigen der Krise steht im Zentrum. Viele betonen ihre wichtige Funktion und sehen ihre Leistung im Kontext eines «Service public». Dazu gehört auch, dass sie ihr Publikum hören und auf die wahrgenommenen Bedürfnisse aus der Bevölkerung reagieren.

Mittelfristig übernehmen die Medien aber wieder stärker die Rolle des Gatekeepers, setzen eigene Schwerpunkte und hinterfragen zuweilen auch die Behörden. Viele Medienorganisationen merken, dass es im eigenen Haus an Expertisen einer Wissenschaftsjournalistin, eines Wissenschaftsjournalisten fehlt.

Organisatorische Herausforderungen

Die Krise zwingt die Medienschaffenden in das Homeoffice. Für viele traditionelle Medienhäuser ist das Neuland und verbunden mit einem grundsätzlichen Umdenken im Bereich der Leitung und der Arbeitsorganisation – und mit einem technischen Innovationsschub.

Die Journalistinnen und Journalisten sind insgesamt mit ihrer Leistung während der Krise zufrieden, geben sich aber auch selbstkritisch. Dies vor allem hinsichtlich der Frage, wie sie ihrer Funktion der Vierten Gewalt gerecht geworden sind.

Drei Diskussionspunkte

In ihren Schlussfolgerungen weist die EMEK auf drei Diskussionspunkte hin.

  1. Service-(public)-Leistung versus Service-public-Auftrag: Alle Medien haben im Kontext von Corona eine sich selbst auferlegte ausserordentliche Leistung gezeigt und damit die Bevölkerung durch eine aussergewöhnliche Situation begleitet. Sie haben sich damit der Gesellschaft verpflichtet und dem öffentlichen Auftrag gedient, unabhängig davon, ob sie durch eine Kon-zession per RTVG zu einem festgelegten Leistungsauftrag verpflichtet sind.
  2. Fehlender Wissenschaftsjournalismus: Als Resultat einer schon länger anhaltenden Ausdünnung von Fachredaktionen fehlt es vielen Medienhäusern an den entsprechenden Expertisen. Die Corona-Krise hat dies deutlich gezeigt. Viele, vor allem kleinere Medienorganisationen sind nicht nur von externen Fachpersonen abhängig, es fehlt ihnen auch an der Kompetenz im Haus, diese Informationen zu kontextualisieren und journalistisch aufzubereiten.
  3. Journalismus im Homeoffice – geht das? Inwiefern beeinflusst die Telearbeit die journalistische Qualität? Rein technisch betrachtet spricht nichts gegen die Arbeit von zu Hause aus. Journalismus lebt aber unter anderem auch vom Austausch in den Redaktionen. Die konsequente Telearbeit begünstigt zudem möglicherweise die Tendenz, Journalismus vom Pult aus zu betreiben und die Welt über Google zu erfassen. Die Vor-Ort-Erfahrung fehlt. Ist dies erwünscht? Diese Diskussion muss geführt werden.

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