Auswertung zeigt: Winterthurer Zeitung ist durch Blocher deutlich politischer geworden

Immer mehr Politik, vor allem aber: immer mehr SVP-Politik. So lautet das Fazit einer quali- und quantitativen Auswertung des redaktionellen Teils der «Winterthurer Zeitung» zwischen März 2017 bis Dezember 2018, die durch den Verein für Medienvielfalt erstellt wurde.

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Grundsätzlich stehe es den Besitzenden frei, den parteipolitischen Kurs einer Zeitung zu bestimmen, schreiben die Studienautoren. Dies gelte selbstverständlich auch für Christoph Blocher und seine Zeitungshaus AG, die inzwischen gegen 30 Lokalzeitungen umfasst. Problematisch werde es allerdings, wenn eine inhaltliche Einflussnahme und parteipolitische Ausrichtung vertuscht und eine Zeitung als politisch neutral bezeichnet werde, welche eine spezifische politische Linie fördert, so der Verein für Medienvielalt um Medienprofessor Heinz Bonfadelli.

Die Winterthurer Zeitung – gemäss den Herausgebern einer der wichtigsten Titel des Blocherschen Zeitungsimperiums – solle «mit lokalen Geschichten ohne politischen Hintergrund ausgebaut werden» – _und dass «die Zeitung quasi von der SVP übernommen werde», sei «dummes Zeug», liess sich der CEO, Rolf Bollmann, am 17. August 2017 im «Landboten» zitieren. Die nun vorliegende Analyse des Vereins für Medienvielfalt, welche sich auf die Zeit ein halbes Jahr vor der Übernahme und bis Dezember letzten Jahres bezieht, widerlegt diese Aussagen nun deutlich: Die Winterthurer Zeitung ist zu einer SVP-Zeitung geworden.

 

Ausgebaute politische Berichterstattung mit klarer Ausrichtung

Analysiert wurden 44 Ausgaben ab März 2017 bis Dezember 2017 sowie 49 Ausgaben im Jahr 2018. Die wichtigsten Erkenntnisse:

  • Die Winterthurer Zeitung wurde deutlich politischer ausgerichtet: von März bis August 2017 waren rund 92 Prozent der redaktionellen Artikel unpolitisch oder politisch neutral. Zwischen dem 1. September 2017 und dem 31. Dezember 2018 waren nur noch 47 Prozent der Beiträge unpolitisch oder politisch neutral.
  • Die SVP konnte in der Winterthurer Zeitung eine starke Präsenz aufbauen: wurde sie im halben Jahr vor der Übernahme der Zeitung lediglich in 4 Prozent der Artikel erwähnt, liegt dieser Anteil zwischen September 2017 und Dezember 2018 bei 30 Prozent, wobei die SVP kurz vor den Stadt- und Gemeinderatswahlen in Winterthur vom 8. März 2018 mit 62 Prozent Anteil den Spitzenwert erreichte. Im Dezember 2018 lag der Anteil der SVP bei 56 Prozent.
  • Zusätzlich verstärkt wird dieses Bild, wenn man die Anteile der bürgerlichen «Allianz für Winterthur» gesamthaft betrachtet und auch die durch den Hauseigentümer-Verband (HEV) und die KMU-Vereinigung dominierten politischen Beiträge mit einbezieht: seit der Übernahme sind SVP, FDP, CVP und HEV/KMU in 50 Prozent der Beiträge präsent, während die Parteien von Mitte bis Links (EVP, Grüne, SP und AL) lediglich auf 11 Prozent kommen. Die glp ist in rund 3 Prozent der Beiträge präsent.
  • Dank Stadtpräsident Michael Künzle ist die CVP öfter in der Winterthurer Zeitung präsent als die FDP.

 

Klarere Ausrichtung vor den Wahlen

Bereits im August 2017 schrieb der Landbote: «Die Berichterstattung vor den kommenden Gesamterneuerungswahlen im März 2018 wird zeigen, wie sich Bollmann und Blocher den neuen Journalismus in Winterthur vorstellen». Die vorliegende Auswertung zeigt eine besonders deutliche politische Ausrichtung im Februar 2018, also genau vor diesen Wahlen: im genannten Monat erzielte nicht nur die SVP einen absoluten Spitzenwert von 62 Prozent, sondern auch die FDP und die CVP erreichten mit je 23 Prozent ihre Spitzenwerte, während SP, GP und EVP auf keine einzige Erwähnung kamen.

Dass während des Sommerlochs 2018 auch die SVP in keinem der relevanten redaktionellen Artikel erwähnt wurde, wird die Partei kaum weiter stören. Wichtiger für sie ist die Tatsache, dass gegen Ende 2018 parallel zum beginnenden Wahlkampf im Hinblick auf die kantonalen Wahlen im Frühjahr 2019 ihr Anteil wieder angestiegen ist und im letzten Dezember mit 56 Prozent den zweithöchsten Wert überhaupt erreicht hat.

Aktuell übersteige eine weiterführende Auswertung der von Christoph Blocher geführten Lokalzeitungen die eigenen Möglichkeiten, schreiben die Studienautoren in einer mit Mitteilung vom Dienstag. Die Winterthurer Zeitung sei von ihrem CEO Rolf Bollmann aber bei der Übernahme als eine der wichtigsten Akquisitionen bezeichnet worden. Man gehe daher davon aus, dass sich auch die weiteren Medien der Zeitungshaus AG in dieselbe Richtung entwickeln würden.

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