Streit um zeitversetztes Fernsehen geht in die nächste Runde

Die TV-Sender wollten die Funktionen von zeitversetztem Fernsehen durch neue Regeln beschränken. Nun haben sie eine Niederlage erlitten – und fürchten um ihre Existenz.

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Die Problematik und der damit verbundene Streit zieht sich nun schon länger hin: Weil die Fernsehzuschauer immer öfter Gebrauch von den Spul- und Selektionsfunktionen des zeitversetzten Fernsehens (Catch-up-TV) machen, droht den Sendern das existenzbedrohende Wegbrechen von Werbeeinnahmen. 2014 wurde Werbung im Wert von 50 Millionen Franken überspult, 2015 waren es bereits 67 Millionen – der Betrag dürfte sich bald auf 10 Prozent der gesamten TV-Webeumsätze belaufen.

Segen und Fluch

Für die Netzbetreiber sind die Replay-Funktionen ein attraktives Verkaufsargument, denn sie bieten – aus Kundensicht – zahlreiche Vorteile. Immer mehr Menschen kommen auf den Geschmack des zeitversetzten Fernsehens. Laut Mediapulse fand im zweiten Semester 2016 beispielsweise in der Westschweiz bei den jungen Menschen (15-29 Jahre) über 26 Prozent der gesamten TV-Nutzung zeitversetzt statt – ein Rekordwert (Werbewoche.ch berichtete).

Als Entschädigung bezahlen Swisscom, UPC & Co. eine Entschädigung an die Sender. Diese sei allerdings viel zu tief, um die Werbeausfälle zu kompensieren, finden die TV-Verantwortlichen. Im vergangenen Jahr forderten sie deshalb einen besseren Tarif – oder aber empfindliche Einschnitte bei den Catch-up-Freiheiten des TV-Nutzers (Werbewoche.ch berichtete). Nebst 3+ und Pro7 Sat.1 machte sich damals auch die SRG für eine fairere Entschädigung der überspulten Sender stark – mit dem Ziel, dabei die beliebten Vorzüge des Catch-up-TVs nicht zu beschneiden. Der 2012 festgelegte Tarif für die Jahre 2013 bis 2016 lief aus und wurde im vergangenen Jahr neu verhandelt.

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Die Sender, vertreten durch die Verwertungsgesellschaft Suissimage, waren mit der ausgehandelten Ausgestaltung nicht zufrieden. Statt wie bisher 1.50 sollten nun 1.60 Franken pro werbeüberspulendem Nutzer von 7-Tages-Replay gezahlt werden (Bild oben). Die Sender wollten in der Folge selbst mitreden und so ihre Forderungen durchsetzen. Wie die Schweiz am Wochenende in ihrer aktuellen Ausgabe schreibt, ging es dabei unter anderem um die Beschränkung der Replay-Funktion auf zwei, statt sieben Tage. Jeder Nutzer sollte zudem einmal pro Monat für jeden Sender, auf dem er Catch-up-Funktionen nutzen will, einen Aufnahmebefehl starten müssen. Und Such- und Filterfunktionen innerhalb des Archivs sollten verboten werden.

Schiedskommission will Verbände, nicht Sender am runden Tisch

Eine Einigung ist nun aber in weite Ferne gerückt. Denn die eidgenössische Schiedskommission hat laut Schweiz am Wochenende vor einer Woche entschieden, dass die Sender nicht als Partei in die Verhandlungen eingreifen dürfen. Sie nannte dafür zwei Gründe: Zwei Teilnehmer der Verhandlungen hätten direkt die Interessen der Sender vertreten. Ausserdem sei es gerade die Idee von kollektiven Verwertungen, dass Verbände und nicht einzelne Rechteinhaber die Verhandlungen führten.

Der Entscheid stösst sauer auf. Andrea Werder, Geschäftsführerin der IG Radio und Fernsehen, zeigt sich enttäuscht. Es sei weltweit einzigartig, dass TV-Sender die Bedingungen, wie ihre Sendungen im zeitversetzten Fernsehen angeboten würden, nicht mitgestalten könnten. Die Einigung, welche die Nutzerverbände und die Verwertungsgesellschaften «über die Köpfe der Sender hinweg» getroffen hätten, berücksichtige die Interessen der Sender in keiner Weise, sagt sie zur Zeitung.

Das weitere Vorgehen ist offen – ein Gang ans Bundesverwaltungsgericht scheint aber wahrscheinlich. Denn laut Werder würden die «enormen Werbeeinbussen» langfristig die Existenz der Sender bedrohen. (hae)

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