«Bisher hat man NZZ Campus als Investition verstanden, jetzt muss es sich auch rechnen»

NZZ Campus erscheint am 2. März in frischem Design, mit neuen Rubriken und Autoren. Die Werbewoche hat sich mit Redaktionsleiter Peer Teuwsen und Redaktorin Vanessa Sadecky über den neuen Auftritt unterhalten.

Das 74-seitige Magazin will neu noch näher bei den Studierenden sein – mit Geschichten rund um Studium und Berufseinstieg. Statt thematischer Ausgaben gibt es neu eine prominente Titelgeschichte. Die Rubrik «Studium und Arbeit» bietet Hintergrundberichte, Interviews und Rechtsberatung, «Leben» Artikel zu Liebe, Reisen und ungewöhnlichen Menschen. Neue Rubriken wie «Student der Stunde», «Das kontroverse Interview», «Vorlesungskritik» oder «Bullshit Bingo» sollen in den Hörsälen für Gesprächsstoff sorgen. Der neu jüngere und vielfältigere Autorenkreis umfasst Nachwuchstalente, grosse Namen aus dem universitären Umfeld, NZZ-Autoren sowie ein Korrespondentennetz an Schweizer und internationalen Hochschulen. NZZ Campus wird an Hochschulen der Deutschschweiz und der Romandie verteilt. Hinzu kommt der Direkt-Versand an Studierende, welche die Neue Zürcher Zeitung oder die NZZ am Sonntag abonniert haben. Die Auflage beträgt 50'000 Exemplare. Das vierteljährlich erscheinende Magazin wird ergänzt durch die täglich aktualisierte Website Campus.nzz.ch, einen Newsletter und verschiedene Social-Media-Kanäle.

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Redaktionsleiter Peer Teuwsen und Vanessa Sadecky (Foto: Corinne Kramer/NZZ)

Peer Teuwsen, wie gross ist für Sie der Reiz, als gestandener Journalist die Redaktionsleitung eines Studentenmagazins zu übernehmen?
Peer Teuwsen: Das hat für mich einen sehr grossen Reiz. Ich leite ja auch noch NZZ Geschichte, dort habe ich das Privileg, ein tendenziell älteres Publikum anzusprechen. Mit NZZ Campus erhalte ich jetzt die Chance, jüngere Leute zu erreichen und vor allem auch, mit jüngeren Menschen in der Redaktion und der Autorenschaft zu tun zu haben. Ich habe schon mein Leben lang sehr gerne mit jungen Journalisten zusammengearbeitet. Manche sind schon sehr weit, anderen kann ich aber hoffentlich auch noch etwas mitgeben von meiner Erfahrung.

Was macht das neue NZZ Campus grundsätzlich besser als das alte?
Vanessa Sadecky: Auffällig ist sicher das neue Layout: Es ist klarer und frischer und entspricht dem Geschmack der Zielgruppe. Wir sassen zweimal mit Studierenden zusammen, um herauszufinden, was gewünscht und erwartet wird von einem Studentenmagazin. Inhaltlich war uns wichtig, dass das Magazin relevanter wird – und zwar nicht nur für die Studierenden, sondern auch für Professoren und andere Dozierende.

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Wie genau wurden die Studierenden in diesen Prozess involviert? Die Zielgruppe der Studierenden ist ja sehr gross…
Teuwsen: Wir bildeten sogenannte Fokusgruppen. Wir versuchten, bei deren Zusammensetzung die ganze Bandbreite von Studierenden zu berücksichtigen und eine möglichst repräsentative Abdeckung zu erreichen: von sehr jung bis Langzeitstudenten; Studierende aus der ganzen Schweiz, aller wesentlichen Unis und aus verschiedenen Studienrichtungen. Ein HSGler hat vermutlich einen anderen Anspruch als zum Beispiel ein Germanistikstudent.

Also pickte man sich einzelne Studenten raus und befragte sie?
Teuwsen: Genau. Wir haben mit ihnen diskutiert, zeigten ihnen andere Studentenpublikationen, andere Magazine. Wir versuchten herauszufinden, was gefällt und was abgelehnt wird. Wir zeigten der Gruppe auch unsere Layout-Entwürfe und fragten sie nach ihrer Meinung.

Gibt es in dieser grossen Zielgruppe Studierende, die der NZZ besonders wichtig sind? Will NZZ Campus – salopp gefragt – einen Ethnologie-Studenten genauso ansprechen wie einen Jus-, ETH- oder HSG-Studenten?
Teuwsen: Auf jeden Fall. Dass wir ein sehr breites, heterogenes Publikum bedienen müssen, ist aber auch eine Herausforderung. Die einzige Gemeinsamkeit der Studierenden ist, dass sie alle eine akademische Bildung anstreben. Wir müssen Themen und Umsetzungen finden, die möglichst viele ansprechen und können nicht ein Magazin machen zum Beispiel nur für Jus-Studenten.

Wird das Magazin aus NZZ-Sicht primär gemacht, weil die Zielgruppe der Studierenden eine attraktive Werbezielgruppe ist, oder weil die künftigen Akademiker an die NZZ herangeführt werden sollen?
Teuwsen: Wir machen das Magazin primär aus zwei Gründen: Einerseits können wir früh eine jüngere Leserschaft gewinnen und diese später vielleicht in andere NZZ-Titel überführen. Andererseits fühlt sich die NZZ auch verpflichtet, der studentischen Welt ein Forum, eine Plattform zu bieten. Wir wollen den Studierenden eine Heimat geben, in der sie sich ausdrücken können –viele Studierende schreiben und sind in der Redaktion vertreten. NZZ Campus ist einzigartig. Es gibt zwar Magazine der einzelnen Hochschulen, aber nichts Übergreifendes, das versucht, die gesamte Hochschullandschaft darzustellen. Dass wir mit diesem Konzept auch im Werbemarkt grossen Erfolg haben, ist natürlich erfreulich. Mit multi- und crossmedialen Kampagnen und massgeschneiderten Lösungen bieten wir mit NZZ Campus seit Jahren die ideale Plattform, um Studierende in der Deutschschweiz und Romandie zu erreichen.

Geht es auch darum, den journalistischen Nachwuchs zu rekrutieren?
Teuswen: (lacht) Ja, hier sitzt er (zeigt auf Sadecky).
Sadecky: Genau, ich bin noch am Studieren und momentan am Bachelor an der ZHAW. In der Redaktion haben wir zudem eine Volontärin, die gerade den Master abgeschlossen hat. Ausserdem schreiben für uns zahlreiche freie Mitarbeitende, die am Studieren sind und das Berufsziel Journalist haben.

Als das Magazin lanciert wurde 2006, hat man darauf Wert gelegt, dass es «eindeutig NZZig daherkommt». Ist das immer noch so? Auf den ersten Blick erinnert das neue Layout nicht an die NZZ…
Sadecky: Ich denke, die ganzen NZZ-Publikationen haben sich in den letzten zehn Jahren stark verändert, darunter auch die Neue Zürcher Zeitung mit dem letztjährigen Redesign. NZZ Campus wurde vom selben Art Director gestaltet wie die für ihr Layout preisgekrönte NZZ am Sonntag.

Aber zum Beispiel Dinge wie das Bullshit Bingo wirken nicht unbedingt «NZZ-like»…
Sadecky: Klar, NZZ Campus hat den Anspruch, auch etwas zu wagen. «NZZ-like» sollen besonders die publizistischen Werte sein: Wir wollen relevante, gut recherchierte Geschichten erzählen. Dass wir die Studierenden zwischen dem Lernstress mit vergnügsamen Rubriken auch unterhalten ist kein Widerspruch.

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Besteht bei Rubriken wie dem Bullshit Bingo auch die Gefahr, dass das Ganze anbiedernd wirkt, wenn man damit spezifisch junge Leute ansprechen will?
Sadecky: Diese Gefahr besteht immer. Das Bullshit Bingo ist aber gerade ein gutes Beispiel für etwas, das in der Fokusgruppe vorgeschlagen und gewünscht wurde, dass auch uns in der Redaktion Spass gemacht hat – eine schöne unorthodoxe Möglichkeit, einen Einblick in ein Studienfeld zu erhalten.

Und etwas, das sich in den sozialen Medien schon seit Jahren etabliert hat…
Teuwsen: In der NZZ hat es sich sicherlich noch nicht etabliert (lacht). Es ist ein Versuch, ein Experimentierfeld. Sollte es einen Shitstorm auslösen, müssen wir das Ganze natürlich wieder überdenken (lacht).

Was bietet NZZ Campus Online?
Sadecky: Online sind die Blogs das wichtigste Element. Da haben wir fünf Blogger, die jeweils pro Semester verpflichtet werden. Zudem sind viele Printbeiträge online und es gibt viel Aktuelles und Nützliches für den Studierendenalltag – was natürlich auch eine gute Plattform für unsere Werbekunden ist. Der NZZ Campus Online-Auftritt wird abgerundet mit den bei unserer Zielgruppe erfolgreichen Facebook- und Twitterseiten. Hinzu kommt der NZZ Campus Newsletter über den wir mit 14'000 Abonnenten in Kontakt sind.

Wie findet man ständig neue, gute Blogger?
Sadecky: Viele Studierende sehen es als Privileg an, für NZZ Campus zu schreiben, weshalb reichlich Bewerbungen reinkommen. Unsere Redaktion schaut darauf, dass die Mischung passt, die spannendsten Themen abgedeckt sind und nimmt die besten und kreativsten Nachwuchstalente.

Und wie spielen Print und Online inhaltlich zusammen?
Sadecky: Die Website ist keine Online-Ausgabe des Magazins, wir bringen die relevantesten Dinge, die gerne geteilt werden und für Gesprächsstoff sorgen online. Um ein aktuelles Beispiel zu nennen: Gerade hat unsere 19-jährige Schülerpraktikantin Khaleda Dawudi, die als 4-jähriges Mädchen aus Afghanistan in die Schweiz geflüchtet ist, ihre Lebensgeschichte bei uns online veröffentlicht. Der Artikel wurde tausendfach geteilt.
Teuwsen: Online haben wir auch die Möglichkeit, auf Aktualitäten zu reagieren. Das Magazin erscheint ja viermal pro Jahr. Die Blogs sind seit langem Teil der NZZ Campus-Welt und bei den Studierenden beliebt. Zudem sehen wir hier , wer das Potential hat, vielleicht ins Magazin zu kommen oder auch in die NZZ – eine Art Labor.

Das ursprüngliche Konzept der drei Themenbereiche Studium, Arbeitswelt und Studentenleben bleibt bestehen?
Teuwsen: Ja, aber wir haben jetzt klare Trennerseiten, wo die einzelnen Bereiche beginnen. Auch eine Erkenntnis aus den Fokusgruppen: Das Magazin soll übersichtlicher sein. Offenbar wünscht sich die jüngere Generation Klarheit und Übersichtlichkeit. Was sicher auch ein Unterschied ist: Wir machen keine Schwerpunktthemen mehr, sondern eine Titelgeschichte – im ersten Heft zum Beispiel eine sehr ausführliche.

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Welchen Anspruch stellen die Studierenden an ein Magazin wie NZZ Campus?
Teuwsen: Sie wollen Relevanz; einen Nutzen aus dem Magazin ziehen. Aber sie möchten auch unterhalten werden. Diese Mischung hinzubekommen ist die Kunst. Relevanz, die auch gut erzählt ist. Ich lege grossen Wert darauf, dass die Geschichten gut geschrieben sind. Dass man sie gerne liest. Ich bin gespannt auf die Rückmeldungen, denke aber, das Niveau ist relativ hoch.

Im September feiert NZZ Campus das 10-Jahre-Jubiläum. Denken Sie, dass es die Printausgabe in weiteren 10 Jahren noch geben wird?
Sadecky: Ich denke schon. Bei einer Zeitung wäre ich mir persönlich nicht so sicher, aber bei einem Magazin wie NZZ Campus blicke ich positiv in die Zukunft. Studierende wird es immer geben und wir sind zuversichtlich, auch über die nächsten zehn Jahren am Puls des Geschehens zu bleiben.
Teuwsen: Für Tageszeitungen wird es wohl wirklich schwierig. Zumindest in dem Ausmass und zu dem Preis wie heute werden sie uns vermutlich nicht erhalten bleiben. Bei NZZ Campus glaube ich hingegen an eine Zukunft als Printprodukt. Was ich auch cool finde – und im Gegensatz zu früher neu ist: Das Ding muss sich auch rechnen. Jedes Produkt im Haus muss selbstragend sein. Bisher hat man NZZ Campus immer verstanden als Investition in die zukünftige Leserschaft, nun muss uns beides gelingen. Für mich persönlich ein interessanter Ansporn.

Interessant im positiven Sinn?
Teuwsen: Ja, wirklich. Für mich als Journalist muss es auch ein Anspruch sein, dass das, was ich schreibe und publiziere, am Markt eine Chance hat. Ich möchte nicht für eine Publikation schreiben, die niemand liest, höchstens eine kleine Gruppe «noch schön» findet, aber ansonsten Verlust schreibt. Mit NZZ Campus besteht diese Gefahr nicht, wir haben über die letzten zehn Jahre den direkten Kontakt zu den Studierenden etabliert und sind nun mit dem Relaunch noch näher an ihre Lebenswelt gerückt.

Interview: Thomas Häusermann
 

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