Jugendliche konsumieren lieber Katzenvideos als Informationsmedien

Die jungen Erwachsenen lesen immer weniger Zeitungen, auch ihr Radio- und TV-Konsum nimmt ab. Gleichzeitig bevorzugen die Jugendlichen weniger anspruchsvolle Inhalte in sozialen Medien. Die Branche sieht diese Entwicklung mit Sorge - und sucht nach Lösungen.

Das neuste «Jahrbuch 2015 Qualität der Medien» zeichnet einmal mehr ein düsteres Bild zur Entwicklung der Schweizer Medienlandschaft. Mark Eisenegger, Präsident der «Kurt Imhof Stiftung für Medienqualität», sprach bei der Präsentation des Werks am Montag in Bern von einer «Strukturkrise des Informationsjournalismus». Das Vertrauen in die traditionellen Medien sinke weiter. Dass dieser Trend ausgerechnet bei den jungen Leuten am stärksten zu beobachten sei, bereite ihm Sorgen. «Aus staatspolitischer Sicht ist es alarmierend, dass die Jungen fast keine Informationsmedien mehr konsultieren.»

Abo-Zeitungen sind out

Die Zahlen sprechen für sich: Abonnementszeitungen erreichen über die Hälfte der jungen Erwachsenen nicht mehr. Im Jahr 2015 gaben 56 Prozent der Befragten zwischen 16 und 29 Jahren an, nie eine Abonnementszeitung zu nutzen. 2009 lag der Wert noch bei 35 Prozent. Auch das Radio, Gratiszeitungen, Boulevardzeitungen und das Fernsehen, die auf Hardnews setzen, verloren in der gleichen Periode an Resonanz. Einzig Onlineinhalte wurden mehr beachtet – die Zunahme von plus zwei Prozent ist aber gering. Die Jungen informierten sich stattdessen zunehmend über Social-Media-Kanäle oder gingen als Informationsnutzer ganz verloren, weil sie ihre Zeit in Unterhaltungsangebote investierten, sagte Eisenegger. «Viele Junge suchen das Alltägliche, seichtere Geschichten, Softnews.» Gemeint sind etwa Beiträge oder Artikel über Hollywoodstars, über Unfälle und Verbrechen oder die lustigsten Katzenvideos.

Medienkompetenz fördern

So ist der Anteil der Mobilnutzer bei Onlineportalen wie 20minuten.ch, Blick.ch und Watson.ch höher als bei Nzz.ch oder Tagesanzeiger.ch. Diese Entwicklung wird durch die steigende Bedeutung von Facebook und anderen sozialen Medien noch verstärkt. Von den 200 Beiträgen, die im vergangenen Jahr am meisten verlinkt, getwittert oder auf den Newssites kommentiert wurden, waren rund 60 Prozent Softnewsbeiträge. Dass die politischen Nachrichten bei jungen Mediennutzern an Wichtigkeit verlieren, bereitet den Medienwissenschaftern Sorgen. «Es ist an der Zeit, dass Medienhäuser und Journalisten diese Entwicklung kritischer reflektieren», sagte Eisenegger. Gerade Jugendliche seien darauf angewiesen, dass komplexe Sachverhalte eingeordnet würden. Die Studienautoren fordern deshalb dringend, dass an den Schulen mehr Wert auf Medienkompetenz gelegt werde. Die Jungen müssten lernen, qualitativ gute von weniger guten Medien zu unterscheiden. Das sei heute zu wenig der Fall.

Weniger Katzenvideos

Verschiedene Vertreter von Medienhäusern und Journalisten teilen diese Forderungen teilweise, wie an der Podiumsdiskussion zur Präsentation des neuen Jahrbuchs klar wurde. «Ich nehme die Befunde ernst», sagte Daniel Foppa, Inlandchef des Tages- Anzeigers. Künftig müsse beispielsweise die Interaktion mit dem Leser verstärkt werden. Nach seiner Erfahrung hätten aber auch politische Geschichten durchaus das Potenzial, eine breite Leserschaft zu erreichen. Nick Lüthi, Redaktor der Medienwoche, schlug an der Diskussion vor, die Informationskanäle zu stärken und die unterhaltenden Inhalte herunterzufahren. Sonst wendeten sich die Jungen später nicht den Qualitätsmedien zu. «Dann verlieren wir sie.»

Auch die Finanzen stimmen nicht

Sorge bereitet den Studienautoren auch die finanzielle Situation der Informationsmedien. Die Zahlungsbereitschaft für Onlineinhalte sei weiterhin gering, die Werbeeinnahmen blieben weit hinter den Erwartungen zurück. Das führe unter anderem zu mehr Konzentration und weniger Vielfalt in der Medienlandschaft. Insgesamt sei die Qualität der Schweizer Medien gesunken, lautet – nicht zum ersten Mal – das Fazit des Jahrbuchs. Die höchste Qualität attestieren die Medienwissenschafter noch dem öffentlichen Radio, gefolgt vom öffentlichen Fernsehen und den Sonntagszeitungen. Das Jahrbuch wird vom Forschungsbereich Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) der Universität Zürich verfasst und erschien dieses Jahr zum sechsten Mal. Ins Leben gerufen hatte es der Zürcher Soziologieprofessor Kurt Imhof, der in diesem Frühling im Alter von 59 Jahren starb (Werbewoche.ch berichtete). (SDA)

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