Den anderen auf die Finger schauen

Seit vergangenem März ist Infosperber.ch online. Gestartet ist die Plattform mit dem Anspruch, Raum für Themen zu bieten, die von den Mainstream-Medien vernachlässigt werden. Die Werbewoche hat sich bei Initiator und Redaktionsleitungsmitglied Urs P. Gasche erkundigt, wie es läuft.

Man habe positive Reaktionen von «Opinion Leaders» — Politikern, Medienleuten, Lehrern, Kulturschaffenden — erhalten. Der Bekanntheitsgrad bei einem weiteren Publikum lasse jedoch noch «sehr zu wünschen übrig», so Urs P. Gasche auf Anfrage der Werbewoche. Derzeit kommt Infosperber auf rund 180'000 Page Impressions pro Monat. Zu wenig, meint Gasche. Aber um die Bekanntheit zu steigern, fehle der gemeinnützigen Plattform ein Marketing-Budget.

Schwierig gestaltet sich denn auch die Finanzierung der Website, die auf die Schweizerische Stiftung zur Förderung unabhängiger Information SSUI zurückgeht — ihrerseits auf Beiträge von Organisationen und Spenden von Plattformnutzern angewiesen. Für die Betriebskosten der Website werden Banner-Einnahmen und Spenden fürs Jahr 2012 reichen, erklärt Gasche. Man hoffe aber auf grosszügige Spenderinnen und Spender. Für das Zahlen von Spesen und das Abgelten von Nutzungsrechten der Schreibenden reichen die Einnahmen nämlich nicht. Das Dutzend regelmässig Schreibende — drei Viertel von ihnen im Alter 65+ und ein Viertel im Alter zwischen 40 und 65 Jahren — arbeitet denn auch ehrenamtlich.

Gegenseitige Blattkritik

Erklärtes Ziel der Autoren ist dabei, Fakten und Meinungen in den Vordergrund zu stellen, eine Plattform für Themen zu bieten, die in den Mainstream-Medien ihrer Meinung nach zu kurz kommen – nicht als Konkurrenz, sondern in Ergänzung zu anderen Medien. Durchschnittlich drei neue Artikel finden Nutzer pro Tag auf der Website. Zu den Themenschwerpunkten gehören Grundsätzliches zur Demokratie, zur Macht der Wirtschaft, zu den Grundrechten des Lebens, zur Gleichstellung von Frau und Mann sowie zur Energie- und Verkehrspolitik. Ebenfalls im Fokus stehen Themen wie die Sozialpolitik, Migration und die Wachstums- oder Gesundheitspolitik.

Gepflegt wird auch die Medienkritik, die nach Meinung der Autoren in den Medien vernachlässigt wird. Andere Plattformen setzten sich fast nie mit einzelnen Sendungen oder Artikeln auseinander, sondern liessen es bei genereller Kritik bewenden. Infosperber hingegen übe auch ganz konkrete Kritik an einzelnen Fernsehsendungen oder Zeitungsartikeln. Als Beispiel nennt der frühere Chefredaktor der Berner Zeitung einen seiner Artikel zu einer «Arena»-Sendung des Schweizer Fernsehens, worin er vorschlägt, das Fernsehen solle jeweils am Tag nach der Sendung einen Faktencheck im Internet durchführen, das heisst in der Sendung genannte Behauptungen und Argumente auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfen. Diese gegenseitige «Blattkritik» sei früher üblich gewesen, als das Verlagswesen noch kein Oligopol war, so Gasche weiter. «Heute schauen sich die einzelnen Zeitungen und Zeitungen/Fernsehen/Radio kaum mehr gegenseitig auf die Finger».

Statt Geld gibt‘s Promotion

Um unabhängigen Journalismus in der Schweiz zu fördern und die gemeinnützige Plattform bekannter zu machen, dürfen die Texte von Infosperber mit Quellenangaben kostenlos weiterverbreitet werden. Darüber hinaus bestehen Kooperationen mit Zeitungen wie der Tageswoche, Domainepublic.ch, einer Wochenzeitung aus der Romandie, sowie der Gratiszeitung 20 Minuten online. Die Übernahme von Beiträgen ist dabei entweder gegenseitig oder es gibt spezielle Abmachungen betreffend Promotion-Hinweisen — Geld für Artikel erhält die Plattform nicht. Übernimmt beispielsweise 20 Minuten online einen Artikel, erscheint dafür neben dem Text ein grosser Promotion-Kasten mit dem Verweis auf Infosperber sowie ein paar Links zu verschiedenen Artikeln.

Über das Arrangement zeigt sich Gasche zufrieden. Die Zusammenarbeit mit den bestehenden Partnern und verwandten Portalen werde im neuen Jahr noch intensiviert. Ausgebaut werden soll auch die Kooperation mit ausländischen Portalen. Man müsse sich international vernetzen, so Gasche. Als Beispiele nennt er die Huffington Post und die französischen Mediapart.fr, eine Internetzeitung, die sich ausschliesslich mit Abonnementseinnahmen finanziert. Als bekannter Vertreter ist zudem die US-Organisation ProPublica.org zu erwähnen, die mit Sponsoring aufwändige investigative Recherchen finanziert und für ihre Reportagen 2010 sowie 2011 sogar mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet wurde. Sowohl Bezahl- als auch Sponsoring-Modelle bezeichnet Gasche jedoch für den Deutschschweizer «Mini-Markt» als wenig erfolgsversprechend.

Pläne, sich zu verstärken, gibt es bei Infosperber auch im personellen Bereich. Zur Redaktionsleitung stösst neu der Walliser Recherchierjournalist Kurt Marti, langjähriger Redaktor der «Roten Anneliese». Und schreiben heute vor allem «altgediente Journalisten» für die Plattform, hofft Infosperber alsbald auch auf jüngere Schreibende. Seien genügend Spenden oder Banner-Einnahmen generiert, habe die Stiftung die erklärte Absicht, unabhängigen Journalismus speziell jüngerer Profis finanziell zu fördern, so Gasche, seinerseits Präsident des Stiftungsrats.

Isabel Imper
 

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