Romandie vor einem «Erdbeben»?

Ab September soll der französische Sender TF1 sein Programm mit einem eigenen Werbefenster für die Westschweiz ausstrahlen. Mit dem Markteintritt des grössten französischen Privatsenders stehe der Romandie ein «Erdbeben» bevor, sagt Gilles Marchand, Direktor des Westschweizer Radio und Fernsehen RTS.

Werbegelder in zweistelliger Millionenhöhe dürften damit nach Frankreich abfliessen. Damit gerechnet hatte man schon lange, doch jetzt wird es konkret. Ab September soll der französische TV-Sender TF1 sein Programm in der Westschweiz mit einem eigenen Werbefenster ausstrahlen. TF1 ist nach dem ersten Kanal von Télévision Suisse Romande der meistgesehene Sender in der Romandie. Eine offizielle Bestätigung für den kommerziellen Grenzübertritt des grössten französischen Fernsehsenders war in Paris nicht erhältlich. Gegenüber der Freiburger Zeitung La Liberté sagte jedoch RTS-Direktor Gilles Marchand, dass der Markteintritt von TF1 angekündigt sei und ein Projekt für ein Werbefenster auf dem Tisch liege. Auch der Genfer Kabelnetzbetreiber Naxoo bestätigt auf Anfrage der MEDIENWOCHE den geplanten Schritt der Franzosen. Der Sender sei in dieser Angelegenheit bereits auf sie zugekommen, schreibt Naxoo. Weitere Angaben, etwa zum Stand der Verhandlungen über eine Anpassung der Einspeisegebühren für das Signal, wollte man in Genf jedoch keine machen.

TF1 profitiert bei seiner Expansion in die Schweiz von der Pionierarbeit seines Konkurrenten M6. Der Sender der RTL-Gruppe hat bis vor Bundesgericht seine Präsenz auf dem Westschweizer Werbemarkt erfolgreich verteidigt. Auf den Markteintritt von M6 Suisse im Herbst 2001 reagierte TSR zwei Jahre später mit einer Klage wegen vermuteter Urheberrechtsverletzung (im Zusammenhang mit der Erstausstrahlung von Serien und Filmen) sowie unlauterem Wettbewerb wegen dem Werbefenster. Nach sieben Jahren und einer Gegenklage der Franzosen endete der epische Rechtsstreit vor einem Jahr mit dem höchstrichterlichen Segen für die kommerziellen Aktivitäten von M6 in der Schweiz. Damit war das Terrain geebnet, auf dem nun TF1 den Westschweizer Markt betreten kann. Zu holen gibt es hier Millionen. M6 erzielt mit seinem Werbefenster einen Bruttoumsatz von rund 50 Millionen Franken jährlich und das mit weniger Zuschauer als TF1. Das Flaggschiff aus Frankreich dürfte demnach in mindestens ebensolchem Mass Werbefranken aus dem Schweizer Markt abziehen. Für die einheimische Konkurrenz eine Horrorvorstellung.

RTS-Direktor Gilles Marchand sprach in diesem Zusammenhang bereits vor drei Jahren von einem «regelrechten Erdbeben», das sämtliche Medien und nicht nur Radio und Fernsehen erfassen würde. Gegenüber der Medienwoche wiederholt und präzisiert Marchand diese Aussage: Er rechne mit einer Verschiebung in der Verteilung der Werbeausgaben in der Westschweiz. «Die Presse hat unrecht, wenn sie meint, dass nur Radio und Fernsehen betroffen sei.» (Nick Lüthi)

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