Bald günstiger als die Post

Distribution Teurere Posttarife treffen vor allem den Zeitschriftenvertrieb. Nun handeln die Grossverlage.

Distribution Teurere Posttarife treffen vor allem den Zeitschriftenvertrieb. Nun handeln die Grossverlage.Im Auftrag der Medienkonzerne Tamedia, NZZ, Südostschweiz und Ringier sowie des Detailhandelsriesen Valora (K-Group) arbeitet ein siebenköpfiger Projektausschuss seit rund zwölf Monaten an einer«Alternativen Zustellorganisation» (AZO), die notfalls ohne die Schweizerische Post auskommt. «Das Ziel ist ein gesamtschweizerischer Zustellservice, der Wochentitel und Zeitschriften am Tag nach der Aufgabe zwischen 8 und 13 Uhr bei den Empfängern abliefert», sagt Walter Lütolf, Leiter Vertrieb bei Ringier und Sprecher des Projektausschusses.
Einer der Gründe für das gigantische Vorhaben: Ab 2007 will der Bund die Presse-Posttaxen nicht weiter subventionieren, was primär für Zeitschriften steigende Postgebühren zur Folge haben wird. Tageszeitungen, die meist von verlagseigenen Frühzustellfirmen verteilt werden, sind weniger betroffen (Ausnahme: Blick). In preislicher Hinsicht erwarten die Auftraggeber deshalb von AZO eine längerfristige Preisstabilität auf heutigem Posttaxen-Niveau. «AZO muss spätestens ab 2008 im Pressebereich die Preisführerschaft übernehmen können, sonst ist das Projekt chancenlos», sagt Lütolf. Voraussetzung sei, dass AZO nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen funktioniere. «AZO kann nicht im Dienst der Presseförderung stehen», erklärt Lütolf. Grossauflagige Titel und solche mit hoher Streudichte müssten deshalb pro vertriebenes Exemplar weniger bezahlen. Zudem habe man nur Titel mit der Mindestauflage von 50000 Exemplaren in die ersten Berechnungen einbezogen.
Das Projekt ist schon weit vorangeschritten: Diverse Modelle werden geprüft, sechs Untergruppen sind an der Arbeit. Im November sollen Konzepte und Businesspläne vorliegen, und im Dezember wollen die Auftraggeber über den Beizug weiterer Partner, die Gründung einer Firma sowie deren Leistungsauftrag entscheiden. Die Umsetzung könnte 2005 beginnen. «Der Aufbau von AZO würde je nach Auftrag zwischen einem und drei Jahren benötigen», sagt Walter Lütolf. Er schätzt das potenzielle AZO-Umsatzvolumen auf 100 bis 150 Millionen Franken jährlich.
Die Minimalvariante garantiert den Zustellservice für Kunden- und Mitgliederzeitungen sowie Wochentitel und Zeitschriften. Sie würde den Briefträgern, die heute jährlich rund 700 Millionen Zeitschriften an die Haushalte verteilen, vielleicht 25 Prozent aus der Hand nehmen, vermutet Lütolf. Die Maximalvariante umfasst dagegen auch den Vertrieb von Katalogen, adressierte oder unadressierte Werbung sowie einen Fullservice mit Verpackung und Adressierung bis hin zur Aboverwaltung.
Derzeit geht man davon aus, dass AZO als Generalunternehmen (GU) gegründet wird, das bei bestehenden Logistikanbietern entsprechende Dienstleistungen einkauft. Zu den möglichen Auftragnehmern gehören die Frühzustellfirmen der Verlage ebenso wie K-Group oder Naville mit ihren Vertriebsnetzen, Logistikunternehmen wie TPS ebenso wie die Logistikorganisationen der Grossverteiler.
Auch die Schweizerische Post ist nicht ausgeschlossen – im Gegenteil, nur schon wegen ihres Know-hows wäre sie sogar erwünscht. Doch dort liess man gesetzte Fristen ungenutzt verstreichen. Deshalb sondiert AZO nun auch bei ausländischen Interessenten. Diese hoffen, via Beteiligung an AZO in der Schweiz Fuss fassen zu können, sagt Lütolf.
Das Modell GU steht aber noch nicht fest. Möglich ist auch eine Mischform. «Derzeit prüfen wir jede Firma auf ihre Effizienz. Es kann sein, dass wir auch Firmen von Verlagen nicht einbeziehen oder bestimmte Dienstleistungen selbst aufbauen», sagt Lütolf. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Frühzustellfirmen der Verlage bei AZO eingebunden werden. In diesem Fall ist vorgesehen, dass deren Zeitfenster von morgens fünf bis sieben Uhr weiterhin der Frühzustellung von Tageszeitungen vorbehalten bleiben. Danach aber würde derselbe Verträger eine weitere Tour für Zeitschriften anhängen. Bei den Verlagen erhofft man sich einen Nebeneffekt: «Die so entstehenden Vollzeitjobs sollten die Zustellfirmen wieder als Arbeitgeber attraktiver machen und die Personalrekrutierung erleichtern», sagt Lütolf.
Gemäss den derzeitigen Berechnungen wird AZO allerdings nur etwa 80 Prozent aller Schweizer Haushalte preisgünstig abdecken können – und dies nur zweimal pro Woche. Lütolf: «Für AZO wäre der Dienstag mit der Schweizer Illustrierten und den Titeln von Migros und Coop interessant.» Die Zustellung an die fehlenden Haushalte oder an fehlenden Wochentagen müsste man einstweilen wohl weiterhin bei der Post einkaufen.
Eine «Alternative Zustellorganisation» (AZO) soll künftig Zeitschriften und Wochentitel am Tag nach der Aufgabe ausliefern.
Zwei Projekte – zwei AkteureVor drei Wochen haben Post und Verlegerverbände bekannt gegeben, dass sie am 8./9. August die Post-Logistik für Tageszeitungen umkrempeln, um 10 Millionen Franken zu sparen und zumindest für 2005 die Presse-Posttaxen auf heutigem Niveau zu halten (WW 24/04). Wichtig ist: AZO hat mit jenem Projekt, bei dem die Post federführend ist, nichts zu tun, es besteht auch keine Konkurrenzsituation. Bei AZO geht es um den Vertrieb von Zeitschriften, beim Post-Projekt ausschliesslich um jene Tageszeitungen, die frühmorgens ab Druckerei kommen und via Post wenige Stunden später ihren Zielort erreichen sollen. (mk)
Markus Knöpfli

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