Das Vorbild heisst Austria

TV-Werbung Den letztjährigen Rückgang bei den TV-Werbespendings betrachten die Vermarkter nur als vorübergehende Baisse. Bis in fünf Jahren erwarten sie österreichische Verhältnisse.

TV-Werbung Den letztjährigen Rückgang bei den TV-Werbespendings betrachten die Vermarkter nur als vorübergehende Baisse. Bis in fünf Jahren erwarten sie österreichische Verhältnisse.Bisher hatten die TV-Vermarkter allen Grund, mit den Buchungen ihrer Kunden zufrieden zu sein: Der Anteil der TV-Werbung an den gesamten Bruttowerbeausgaben in der Schweiz stieg bis zum Jahr 2001 stetig auf 17,7 Prozent. Doch letztes Jahr bekam die Kurve einen Knick, der Anteil fiel auf 17 Prozent zurück. Der Verlust am Werbemarkt geht allerdings aufs Konto der Deutschschweiz, wo die TV-Spendings letztes Jahr um 9,5 Prozent einbrachen. In der Romandie und im Tessin dagegen stiegen sie um 3 und sogar 12 Prozent. Giordano Giordani, Head of Media Research bei der Vermarkterin IP Multimedia, erklärt sich das so: «TV 3 und Tele 24 haben in ihrer kurzen Zeit kumuliert rund 10 Prozent des TV-Werbevolumens auf sich vereint, der Wegfall dieser Werbegelder konnte aber nicht gänzlich von anderen Sendern aufgefangen werden, weil sie eben nicht hundertprozentig TV 3 und Tele 24 entsprachen.»Bei den TV-Vermarktern Publisuisse, IP und Cinecom ist man darum einhellig der Meinung, dass sich der Marktanteil der TV-Werbung weiter erhöht. Cinecom-Medialeiterin Michaela Krouzel rechnet aber bis etwa 2006 mit Marktanteilsgewinnen von bloss 0,5 Prozent pro Jahr. Publisuisse-Verkaufsleiter Martin Schneider erwartet in drei Jahren immerhin eine Steigerung auf 20 Prozent, «und bis in fünf Jahren könnten 22 Prozent möglich sein», sagt er. Giordani verweist auf Österreich, das geringerer Verkabelungsdichte und massiver Werbeeinschränkungen beim ORF zum Trotz einen TV-Anteil von rund 23 Prozent erreiche. «Langfristig ist dies auch für die Schweiz eine Richtgrösse», sagt er. Kurzfristig bleibe das Wachstum aber schwach, da die Attraktivität des Mediums TV durch das RTVG eingeschränkt sei. Giordani: «Das volle Potenzial wird sich erst mit der RTVG-Liberalisierung ab 2006 entfalten.»
Kein BerieselungsmediumDeutsche Verhältnisse (TV-Marktanteil 43 Prozent) erwartet hingegen niemand, auch längerfristig nicht. «Ein sich Deutschland annähernder Wert kann nur durch eine liberalere TV-Politik (weniger Restriktionen, tiefere Einstiegsschwellen für neue Schweizer Privatsender) sowie durch eine höhere TV-Nutzung erreicht werden», sagt Krouzel. Doch Letztere steigt – zumindest in der Deutschschweiz – nur in kleinen Schritten. «Bei uns ist das TV halt kein Begleitmedium. Wenn man in der Schweiz fernsieht, tut man das gezielt und intensiv und nicht primär zur Berieselung», konstatiert Schneider.
Bei der Frage, ob die deutschen Programm- und Werbefenster ihren Anteil an den TV-Spendings von derzeit 32 Prozent vergrössern werden, teilen sich die Meinungen. Krouzel sieht klar die Fenster als Gewinner. «In den nächsten drei bis fünf Jahren erwarten wir einen ungefähren Bruttoaufwendungssplit im TV von je 50 zu 50 zwischen den Werbefenstern und den SRG-Sendern», sagt sie. Ihre Begründung: Bei der Zielgruppe 15/49 komme die SRG in der Deutschschweiz auf einen Marktanteil von 20 bis 25 Prozent, vereine aber 51 Prozent der Werbeausgaben auf sich. Die Werbefenster hingegen erreichten einen Zuschaueranteil von rund 40 Prozent und 42 Prozent der Werbespendings. Das Missverhältnis zwischen Leistung und Einnahmen bei der SRG würde sich deshalb zu Gunsten der Werbefenster entwickeln, argumentiert Krouzel.
Nicht so weit geht Giordani. «Sicher wird es keine Quantensprünge geben, aber wir sehen noch eine kleinere Umverschiebung zu Gunsten der Werbefenster.» Ein Grund sei die unterschiedliche Kundenstruktur: Die Hauptkunden der Werbefenster seien Anbieter von konjunkturunabhängigen Niedrigpreisprodukten, die Kunden der SRG hingegen böten hochpreisige, konjunkturabhängigere Produkte an.
Anders die Sicht von Schneider. «Die Werbefenster haben ihren Plafond erreicht. Ihre Blöcke sind voll gepumpt», sagt er. Um mehr Umsatz zu generieren, könnten sie nur die Preise erhöhen.
Wird Print seine verlorenen Marktanteile bei einer wirtschaftlichen Erholung zurückholen? «Nein», sagt Krouzel, «hier handelt es sich um eine Flurbereinigung im Markt.» Auch Giordani spricht von einer «natürlichen Korrektur der bisher überhöhten Printanteile am Gesamtmarkt», glaubt aber, dass doch die Stellenanzeigen wieder zu Print zurückkehren werden. Auch für Schneider hat Print nicht alles verloren. Allzu rosig sieht er aber die Zukunft der gedruckten Medien dennoch nicht. «Überall sind die Leserzahlen eingebrochen. Das muss früher oder später zu Preiskorrekturen und damit auch zu weniger Umsatz führen», stellt er fest.
Entwicklung der TV-Anteile am GesamtwerbemarktIm ersten Halbjahr 2003 haben sich die TV-Werbeausgaben offenbar aufgefangen. Doch Vorsicht: Das Jahr ist nicht vor seinem Ende zu loben. Die erste Jahreshälfte fällt in der Regel besser aus als die zweite. Allerdings: Letztes Jahr war es genau umgekehrt.
Das sagt Prognos vorausGlaubt man der im letzten Herbst publizierten Prognos-Studie «Werbemarkt 2012 Schweiz», erhöhen sich die Netto-Werbeumsätze in der Schweiz bis zum Jahr 2006 auf 5,3 Milliarden Franken und bis zum Jahr 2012 auf 6,3 Milliarden Franken. Für den TV-Bereich (inklusive Sponsoring) sieht Prognos eine Steigerung auf 605 Millionen Franken im 2006 und auf 757 Millionen Franken im 2012 voraus (Marktanteile bei rund 11,5 Prozent). Die Zeitungen dagegen reduzieren ihren Marktanteil auf 45,1 Prozent im 2006 und auf 43,8 Prozent im 2012. (mk)
Markus Knöpfli

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