Was bedeutet eigentlich… «HCD»?

Benno Maggi befasst sich in seiner Kolumne «Was bedeutet eigentlich…?» mit Begriffen aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. Dieses Mal behandelt er den Begriff «HCD», kurz für human-centered design.

Just zum Saisonstart der Schweizer Eishockeymeisterschaft soll hier ein Akronym behandelt werden, das aber nichts damit zu tun hat. Obwohl der erste Eindruck bei Wintersport-Begeisterten das wohl vermuten lässt. Nein, mit HCD ist nicht der Prättigauer Eishockey Club gemeint, trotz dessen Historie und Strahlkraft in die ganze Welt. HCD ist die Abkürzung von «Human-centered design».

Auf Deutsch heisst das ja «menschenzentriertes Design», wird aber nie in dieser Sprache erwähnt, sondern english only. Es ist gemäss fachlicher Definition eine Problemlösungstechnik, die den Menschen in den Mittelpunkt des Entwicklungsprozesses stellt. Wer sich jetzt fragt «Wer denn sonst?», darf das zu Recht. Wer den sonst, wenn nicht Menschen? Hunde, Maschinen, Artificial Intelligence, Aliens vielleicht?

Gehen wir der Sache mal auf den Grund. HCD wird in unserer Branche meist bei Entwicklungen im digitalen Bereich eingesetzt und lobgepriesen. Es soll den Designerinnen und Designern ermöglichen, Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse Ihrer Zielgruppe zugeschnitten sind.

Das Ziel wäre es, die Wünsche, Probleme und Vorlieben der Benutzerinnen und Benutzer in jeder Phase des Prozesses zu berücksichtigen. Als Resultat daraus bekämen diese im Idealfall intuitivere, leichter zugängliche Produkte. Soweit die Absicht. Die Realität sieht aber anders aus.

Vor lauter Buzzwords den Puck nicht mehr sehen

Seit in den 1950er Jahren der Begriff seinen Siegeszug von der amerikanischen Westküste in die Welt hinaus startete, ist einige Zeit vergangen. Produkte wurden nicht mehr nur von Ingenieurinnen und Ingenieuren entwickelt, damit es sie einfach gibt, sondern damit sie auch benutzerfreundlich waren.

Als eine Art MVP des HCD gilt Steven Jobs. In unzähligen Artikeln, Büchern und Case Studies für Studierende werden die Erfolge mit seinen Apple-Produkten zelebriert wie Siege eines Sportvereins in einem permanenten Playoff. Er gilt auch als einer der Gründer des Design Thinking (einem weiteren Buzzword). Oder des Service Design, der Prozess zur Gestaltung von Dienstleistungen.

Egal, welches Design in Meetings gerade hip ist: In den meisten Fällen wird es immer noch als «gestalten» im Sinne von «malen» verstanden. Klar wird in den Ausbildungsstätten fleissig etwas anderes erklärt und zelebriert. Human-centered Design wird da nämlich als Ansatz zur Problemlösung unter Einbeziehung der menschlichen Perspektive in allen Schritten des Problemlösungsprozesses verstanden. Und gelehrt. Service Design als die Methodik, in enger Zusammenarbeit mit den Auftraggebenden methodisch kunden- und marktgerechte Dienstleistungen zu entwickeln. Interaction Design als multidisziplinäres Gebiet, das sich auf die Gestaltung der Interaktion zwischen Nutzerinnen und Nutzern und digitalen Produkten, Systemen oder Dienstleistungen konzentriert. Undsoweiter. User Experience (UX), User Interface (UI) Design, Motion Design… Der Design-Buzzwords gibt es viele, so dass man vor lauter Design die Lösung nicht findet. Oder eine entwickelt, für die es eigentlich gar kein Problem gibt.

Alle, die schon einmal an einem Design XY-Kurs oder -Prozess teilgenommen haben, wissen, dass am Anfang das Problem Statement steht. Jene Formulierung, die aufzeigen soll, für was denn genau eine Lösung designed werden soll.

Hier in dieser Kolumne steht ein solches Problemstatement am Schluss: Wie lösen wir das Problem, dass gelerntes Verhalten nicht die Regel bleiben (= langweilig = immer gleich) und noch nicht gelerntes Verhalten als benutzerfreundlich wahrgenommen wird (= innovativ = ich komme nicht draus)?

Ein scheinbar fast unlösbares Problem. Um dieses zu lösen, starten Managerinnen und Manager Briefings gerne mit dem Quote «If I had asked people what they wanted, they would have said faster horses.», von Henri Ford. Erinnern sich dann aber bei der Präsentation der innovativen Ideen partout nicht mehr daran. Doch auch Designerinnen und Designer müssen sich an der Nase nehmen, wenn sie wieder einmal nur «malen» statt «designen» oder etwas nur anders, aber nicht besser machen.


Benno Maggi ist Mitgründer und CEO von Partner & Partner. Er lauscht seit über 30 Jahren in der Branche und entdeckt dabei für uns Worte und Begriffe, die entweder zum Smalltalken, Wichtigtun, Aufregen, Scrabble spielen oder einfach so verwendet werden können.

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