Was bedeutet eigentlich… «Cargo»?

Benno Maggi befasst sich in seiner Kolumne «Was bedeutet eigentlich…?» mit Begriffen aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. Dieses Mal nimmt er die Bedeutung hinter dem Begriff «Cargo» unter die Lupe.

Nein, es ist nicht die Lifestyle-Hose gemeint, die Frauen und Männer aussehen lässt, als müssten sie handwerkliche Dinge verrichten und all die Tools, die es dafür braucht, in ihren Hosen mittragen. Und auch nicht die Lastwagen, die einem während der Fahrt in die Ferien und zurück die freie Fahrt versperrten.

Nein, die Anwendung im Wirtschafts- und Arbeits-Setting ist viel hässlicher als in der Mode- oder der Logistik-Branche. Sie kommt aus einer Ecke, die zuvor als Nordstern für die Arbeitswelt gegolten hatte: von den Tech-Firmen. Anfang Jahr wurde bekanntlich das kommuniziert, was im Management dieser Hegemonen über die Festtage beschlossen worden war. Damit nämlich deren Renditen nach all den fetten Jahren nicht einbrechen und damit deren Börsenkurse nicht in den Keller rasseln, mussten sie dem gierigen (Finanz)-Markt-Monster etwas zum Frass vorwerfen. Und was eignet sich da am besten: Gemeine Mitarbeitende. Und zwar in grosser Zahl.

Wenn Mitarbeitende zur Belastung werden

Allein in der ersten Januarwoche dieses Jahres wurde publik, dass Google – beziehungsweise Alphabet – 12’000, Microsoft 10’000, Amazon 18’000 und Salesforce 7’000 Mitarbeitende entlassen würden. Im März folgte Facebook (Meta) mit 10’000 sogenannten Layoffs. Als im Mai dann Apple solche Massnahmen wenigstens als «last resort» bezeichnete, sie aber auch nicht daran hinderte, solche konsequent zu vollziehen, war jedem klar, dass nun härtere Zeiten kommen. Kündigungen, Entlassungen, Layoffs, Cutdowns oder wie auch immer das offizielle Wording lautete. Unter Entscheidungsträgern und Analysten (sorry, in der Tat meist immer noch sehr männlich) hiess der Befehl: «Get rid of the cargo.»

Autsch! Da haben ebendiese Konzerne Jahrzehnte lang unseren Old-School-Unternehmen in Europa vorgemacht, wie das geht mit Employer Branding und «best workplace to be» – und dann sowas: Mitarbeitende als Cargo bezeichnen. Fracht, Gepäck, Stückgut oder wie auch immer die deutschen Wörter dafür sind. Einfach Dinge, die mitfahren und nicht mitwirken.

Wieso uns das alles betrifft? Buzzwords aus der angelsächsisch geprägten Techindustrie oder Finanzindustrie – in diesem Fall aus beiden – haben ihren Weg noch immer in die Büros der Marketing-Abteilungen und Agenturen des DACH-Raums geschafft. FTE und Headcount sind zwei Beispiele zum gleichen Thema. In einer Branche, wo die Fluktuation immer wieder Höchstwerte erreicht, wird dann hinter vorgehaltener Hand und mit entschuldigendem «excuse my french» von Cargo gesprochen, wenn Mitarbeitende im Allgemeinen gemeint sind.

Diese Form der Distanzierung und Relativierung diskriminierender und unappetitlicher Aussagen kennen wir ja in der Schweiz trotz Gislerprotokoll immer noch gut aus den Gender- und/oder Woke-Diskussionen. Entschuldigt werden diese meist damit, dass halt in Zeiten der Stagflation, dieser bedrohlichen Mischung aus Stagnation und Inflation, nämlich dem Stillstand des Wirtschaftswachstums bei gleichzeitiger Geldentwertung, eben auch eine härtere Wortwahl erlaubt sei und es mit der Kuschelsprache nun vorbei sei. Dagegen war «Bad News für dich» als Opener bei Mitarbeitergesprächen in den Nullerjahren zur Ankündigung einer Entlassung ja geradezu liebevoll.

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