Was bedeutet eigentlich… «Strategie»?

Benno Maggi befasst sich in seiner Kolumne «Was bedeutet eigentlich…?» mit Begriffen aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. Dieses Mal den Begriff «Strategie» und weshalb er inflationär verwendet wird.

Wer erinnert sich noch daran, als einfach drauflos gewurstelt werden konnte? Ohne Konzept, ohne Rücksicht auf die Kosten und ohne Strategie. Das waren noch Zeiten. Einfach eine glatte Idee haben und umsetzen. Etwas Schönes gestalten und fertig ist.

Heute geht das nicht mehr. Die Welt ist komplexer, schneller und unberechenbarer als noch vor ein paar Jahren. Klar braucht es da Strategien. Aber doch bitte nicht für alles! Ist doch die Bedeutung des Wortes gemäss Duden ein genauer Plan des eigenen Vorgehens, der dazu dient, ein militärisches, politisches, psychologisches, wirtschaftliches o.ä. Ziel zu erreichen. Dabei versucht man diejenigen Faktoren einkalkulieren, die in die eigene Aktion hineinspielen könnten. Klingt kompliziert. Ist es auch. Deshalb erstaunt, wie inflationär das Wort gerade trotzdem überall angewendet wird.

Probieren geht über studieren

Der Alltag ist voll von Strategie-Meetings in denen Strategie-Beraterinnen und -Berater Strategie-Papiere zum Strategie-Wechsel präsentieren, die danach von den Subalternen strategisch umgesetzt werden sollen. Am liebsten, indem strategisch vorgegangen wird. Das kann dann für alle ganz schön anstrengend sein. Denn schliesslich ist es nicht jedermanns und jederfraus Sache, strategisch zu denken oder zu handeln. Wieso also nicht einfach machen und ausprobieren, statt warten, bis die Strategie entwickelt oder verabschiedet ist.

Denn dann könnte es vielleicht zu spät sein fürs Handeln. Also Vorsicht, wenn Sie das Wort das nächste Mal hören. Und Leuten gegenüber, die sich «Strategisten» nennen und dies auch noch deutsch aussprechen, ist Skepis geboten, nicht nur weil sie das hiesige Sprachverständnis martern. Die deutschen Wörter dafür sind nämlich Stratege oder Strategin.

Apropos Englisch: Gemäss Oxford Dictionary wurde der Begriff «strategy» erstmals 1616 in John Binghams «The Tactiks of Aelian – art of embattailing an army after y Grecian manner» erwähnt. Eine Frequenzmessung aus derselben Quelle bestätigt, dass die Verwendung des Wortes erstmals vor dem Ersten, dann vor dem Zweiten Weltkrieg anstieg und seit dem kalten Krieg kontinuierlich mehr verwendet wurde und aktuell den grössten Boom aller Zeiten erlebt. Es ist also statistisch belegt und nicht anekdotische Evidenz: Strategie ist das Buzzwort geworden.

Kein Wunder, denn es gibt mittlerweile für alles Strategien, auch wenn es keine sind und auch da, wo es keine braucht. Es wäre deshalb wünschenswert, wenn wieder mehr kreatives Ausprobieren (trial and error) unseren Alltag prägen würde als Strategien. Wir sind hier schliesslich nicht im Krieg, sondern nur im Marketing.


Benno Maggi ist Mitgründer und CEO von Partner & Partner. Er lauscht seit über 30 Jahren in der Branche und entdeckt dabei für uns Worte und Begriffe, die entweder zum Smalltalken, Wichtigtun, Aufregen, Scrabble spielen oder einfach so verwendet werden können.

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