Analyse: Das könnte «No Billag» für den Schweizer Werbemarkt bedeuten

«No Billag» – und TV verliert massiv an Relevanz im Werbemarkt Sowohl gesellschafts- wie auch medienpolitisch wurde und wird das Thema breit und nicht zu knapp abgehandelt und dominiert die Berichterstattung sämtlicher Medien, je näher der Abstimmungstermin Anfang März rückt. Uns interessiert aber vor allem, was eine Annahme der No – Billag-Initiative für die Schweizer […]

«No Billag» – und TV verliert massiv an Relevanz im Werbemarkt

Sowohl gesellschafts- wie auch medienpolitisch wurde und wird das Thema breit und nicht zu knapp abgehandelt und dominiert die Berichterstattung sämtlicher Medien, je näher der Abstimmungstermin Anfang März rückt. Uns interessiert aber vor allem, was eine Annahme der No – Billag-Initiative für die Schweizer Werbewirtschaft bedeuten würde – ein Aspekt, der in der ganzen Diskussion kaum zur Sprache gekommen ist respektive zu Ende gedacht wurde.Die SRG finanziert mit ihrem Gesamtbudget verschiedene Radio- und TV-Programme. Dabei subventioniert die Deutschschweiz die Romandie, das Tessin und den Rumantsch sprechenden Teil von Graubünden. Aus dem Gebührentopf erhält die SRG rund 1,2 Milliarden Franken. Das entspricht einem Anteil von 91%. Diese machen wiederum rund drei Viertel der Gesamteinnahmen der SRG aus. Oder anders gesagt: Lediglich ein Viertel des Gesamtbudgets der SRG wird durch Werbeeinnahmen generiert.

Eine Finanzierungslücke ist zu befürchten

Fallen die Gebühren weg, entsteht folglich eine grosse Finanzierungslücke. Es ist eine Illusion anzunehmen, diese Lücke könne durch zusätzliche Werbeeinnahmen gefüllt werden – oder wollen die Werbeauftraggeber für dieselbe Leistung plötzlich einen Aufschlag von 300% bezahlen, um diese Lücke zu schliessen? Oder wollen die Verleger, dass der SRG Online- und Radiowerbung erlaubt wird?Die restlichen 9% aus dem Gebührentopf erhalten 35 private lokale Stationen (Radio- und TV-Stationen), was einem vergleichsweise spärlichen Betrag von 60,75 Mio. Franken pro Jahr entspricht. Trotzdem machen die Gebühren durchschnittlich 50% des Gesamtbudgets der betroffenen Stationen aus. Da diese Sender über ein beschränktes Einzugsgebiet und damit über ein beschränktes Werbepotenzial verfügen, würde ein Subventionsstopp für die meisten Sender das sichere „Aus“ bedeuten. Überlebenschancen hätten alleine diejenigen Regionalsender, die keine Gebühren erhalten: beispielsweise Tele Züri, Radio Lausanne FM oder Radio Basilisk.Wenn das durch den Wegfall der Gebühren entstehende Loch nicht durch zusätzliche Werbeeinnahmen gestopft werden kann, stellt sich zudem auch die Frage: Wie soll sich ein Markt entwickeln können und wie sollen neue Angebote entstehen, wenn diesem Markt (auf der Basis der Zahlen 2016) knapp 60% der Mittel entzogen werden? Weniger Geld, aber mehr Angebot?

Sportevents: Free TV-Pflicht gemäss Gesetz

Die Argumente der Billag-Gegner, die SRG könne die grössten Sportevents via Pay -TV zu Geld machen, stimmen schlicht nicht. Das RTVG schreibt vor, dass diese frei zugänglich sein müssen. Und ein «Nein» zur Billag ändert daran gar nichts. Verschiedene private Sender haben zwar Interesse an einer Übernahme von Quotenhits wie Lauberhornrennen, Davis-Cup, Tour de Suisse bekundet. Nur: Wer kann den Materialaufwand, die personellen Ressourcen sowie die Kosten überhaupt aufbringen? Die SRG konnte bei den Winterspielen in Sotschi gerade einmal 17 % der Kosten durch TV-Spots und Sponsoring decken (TA vom 19.1.2018).P.DöbeliM.JäggiR

Reichweiten und Werbeeinnahmen

Für nationale Kampagnen hat das Medium Fernsehen und insbesondere die SRG grosse Bedeutung: Kaum ein anderes Medium garantiert einen so schnellen Reichweitenaufbau und so hohe Reichweiten wie TV, und dies mit einer relativ guten Kosten-Leistungs-Bilanz. Hinzu kommt, dass TV auch bei der Vermittlung von emotionalen und/oder komplexen Botschaften Vorteile bietet, mit denen andere Mediagattungen nicht mithalten können. Ohne oder mit einer reduzierten SRG sind jedoch gewisse Mediastrategien nicht mehr umsetzbar, und das Medium TV verliert gesamthaft an Attraktivität.Werbeeinahmen und Zuschauerquoten hängen unmittelbar zusammen: Brechen die Reichweiten mangels Zuschauer ein, geschieht dasselbe mit den Werbeeinnahmen, da diese ja auf der erbrachten Kontaktleistung basieren. Deshalb ist es illusorisch zu glauben, dass Pay-TV-Formate die fehlenden Gebühren kompensieren könnten. Denn wenn das Ausland weiterhin gratis sendet, wieso sollen dann Herr und Frau Schweizer für Schweizer Pay-TV Geld ausgeben?Wenn nicht zur SRG, wohin fliessen dann die freiwerdenden Werbegelder? Zu Tamedia/Goldbach und somit nach Deutschland? Mag sein, aber auch dies ist nicht ganz zu Ende gedacht. Die gesamthaft erzielbaren Reichweiten sinken, die Werbeblöcke werden noch länger (sofern die gesetzlichen Rahmenbedingungen dies zulassen). Insbesondere für hochwertig positionierte Marken wird TV uninteressant. Und dies wird auch für Tamedia/Goldbach problematisch.

Kahlschlag in der Westschweiz und im Tessin

Für die Sprachregionen Westschweiz und Tessin wird es bei einer Annahme der Initiative bitter: Diese werden heute massiv von der SRG subventioniert, zu Lasten der Deutschschweiz. In der Westschweiz könnten Schweizer Werbeauftraggeber zwar noch TV-Kampagnen auf den Werbefenstern der ausländischen Sender umsetzen (mit den oben erwähnten Einschränkungen bezüglich Reichweite), im Tessin hingegen gäbe es keine Schweizer TV-Werbung mehr. Denn nicht nur für die beiden SRG-Sender würde eine Annahme der No Billag- Initiative mit Sicherheit das Aus bedeuten, sondern auch für den Regionalsender Tele Ticino.Für die internationalen Kunden spielt dies keine Rolle, sie profitieren vom Overspill aus dem Ausland. Für nationale Kunden aber wie den Detailhandel, die Versicherungen, Banken und Krankenkassen hingegen würde ein gewichtiges Reichweitenmedium fehlen. Aber vielleicht wäre das ja gar kein Problem mehr. Denn die SRG ist heute im Tessin auch der grösste Arbeitgeber. Existiert sie nicht mehr, schnellt die Tessiner Arbeitslosenquote in die Höhe, die Kaufkraft schwindet, der Consumer-Markt würde unattraktiver.Generell wird es schwierig für die ländlichen Gebiete und die Grenz- und Randregionen. Und was macht dann ein lokaler Kunde? Statt TV-Werbung in einem Lokalsender zu schalten verschiebt er sein Geld wohl zu Google, Facebook & Co. Auch im lokalen Markt besteht damit die Gefahr, dass durch eine Annahme der Initiative ausländische Medien gefördert werden und die Wertschöpfung nicht mehr in der Schweiz bleibt, sondern ins Ausland fliesst.

TV-Forschung massiv gefährdet

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der gesamte Forschungsbereich. Finanziert wird dieser aus einem Beitrag aus dem Ertrag der Abgaben für Radio und Fernsehen sowie den Beiträgen der Programmveranstalter bzw. Vermarkter. Deren Beiträge wiederum hängen von der Marktbedeutung der jeweiligen Sender ab. Wer könnte die Kosten dafür stemmen, wenn die Beiträge aus den Billag-Gebühren und der SRG-Sender wegfallen? Wir wagen mal die Aussage: Keiner, auch die deutschen Privatsender nicht.Für die Mediaplanung würde dies bedeuten, dass ihr die Basis für eine seriöse Planung entzogen wird, wenn Daten zu den Werbeleistungen der einzelnen Sender fehlen. Auch Erfolgskontrollen, die heute zum Marktstandard gehören, könnten nicht mehr durchgeführt werden.Fazit: Entweder überlebt die SRG gar nicht oder wird unattraktiv für die Werbewirtschaft. Der TV-Werbemarkt ist jetzt schon unter Druck und wird bei einem «Ja» massiv an Relevanz verlieren. Daher fordern wir: #NoNoBillag!*Die Autoren sind Inhaber der Konnex Agentur für Medien-Kommunikation in Winterthur.

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