Zielgruppengerichtete Werbung – die Lösung der TV-Zukunft?

TV-WERBUNG Ein wichtiger Bestandteil des neuen Werbevermarkters Admeira ist adressatengerechte TV-Werbung – auch wenn diese für konzessionierte Sender noch nicht möglich ist. Wie wichtig ist diese Werbeform für den Schweizer Markt? Und was sind die grössten Herausforderungen? Noch immer ist TV eines der reichweitenstärksten Medien. Trotzdem wird es für Werbetreibende schwieriger, relevante Zielgruppen effizient und […]

39_Fernbedienung
Noch immer ist TV eines der reichweitenstärksten Medien. Trotzdem wird es für Werbetreibende schwieriger, relevante Zielgruppen effizient und effektiv zu erreichen.Heutzutage besitzt jeder Zweite ein mobiles Gerät und schaut darauf regelmässig Videos. Trotzdem bleibt der klassische Fernseher das Gerät Nummer eins in Sachen Fernsehkonsum. Noch nie wurden in den Schweizer Haushalten so viele audiovisuelle Inhalte konsumiert wie im ersten Semester 2015, wie eine Auswertung von Mediapulse belegt. So lag die tägliche Sehdauer in der Deutschschweiz bei rund 130 Minuten. Das sind neun Minuten länger als in den Semestern der Vorjahre. Auch für Werbekampagnen ist und bleibt der TV eines der reichweitenstärksten Medien. Doch wer sieht die Werbung wirklich? Gerade, weil jeder Zweite ein Smartphone oder Tablet besitzt, ist es höchst wahrscheinlich, dass der Zuschauer während der Sendeunterbrechung danach greift.Eine Studienreihe von Seven One Media und dem Marktforschungsinstitut Interrogare belegte, dass nur fünf Prozent der Befragten während des Fernsehens auf das Tablet oder Smartphone verzichten. Die Geräte werden in erster Linie zur Kommunikation genutzt – ob Whatsapp, E-Mails, Twitter, Facebook. Die Zuschauer haben ein Bedürfnis entwickelt, sich mit anderen über die Sendung auszutauschen. Zudem haben 42 Prozent angegeben, dass sie über ihr Tablet zusätzliche Informationen zum TV-Programm oder auch zur Werbung recherchieren. Das macht es für Werbetreibende zunehmend schwieriger, relevante Zielgruppen effizient und effektiv zu erreichen. Der Vorteil ist aber, dass der Zuschauer seltener den Sender wechselt. Die Aufgabe der Marketer ist es nun, die Aufmerksamkeit wieder auf den TV zu lenken und das mobile Gerät miteinzubeziehen.Der Zuschauer wird zum ­TeilnehmerDas gelingt durch die direkte Ansprache, beispielsweise durch Interaktion auf dem Smartphone oder durch Inhalte, welche den Zuschauer wirklich interessieren. Erstere Methode wird hierzulande bereits eingesetzt: Die Vorreiterrolle nimmt der private Sender Joiz ein, welcher erst kürzlich seine Mobile-First-Strategie bekannt gab. Bei Joiz verwendet wird der sogenannte «Red Button», welcher während eines Programms aufleuchtet und die Zuschauer dazu animiert, auf der Website oder via App an Wettbewerben teilzunehmen. Die neue Ausrichtung soll zusätzlich den Zuschauern Mitspracherecht an den Sendungen geben. So wird der Zuschauer Teil der Sendung.SRF geht direkter an die Werbung heran und hat mit der Firma Filmwords die Plattform «advote.ch» gegründet. Die App ergänzt den klassischen TV-Werbeblock mit interaktiven Angeboten auf dem mobilen Gerät. Das Publikum wird dazu eingeladen, die Werbespots zu bewerten, zu kommentieren oder zu teilen. Zudem erhöhen spielerische Elemente mit Gewinnpreisen den Entertainment-Faktor des Werbespots.Adressatengerechte AdsDie zweite angedeutete Methode ist es, die Zuschauer mit Inhalten anzusprechen, die sie interessieren. Mit «addressable Advertising», also Werbung, die sich an eine bestimmte Zielgruppe adressiert, ist eine direkte Eins-zu-Eins-Verbindung zum Konsumenten möglich. Im Fernsehen ist dieses Werbeformat noch Neuland, im Kino jedoch gehört sie zur Tagesordnung. Das Profil des Kinobesuchers wird je nach Filmpublikum angelegt. Einfaches Exempel: Ein Actionfilm wird mehrheitlich von Männern gesehen, vor dem Film folgt sehr wahrscheinlich Werbung einer Bier- oder Automarke.Dies soll zukünftig auch für das Fernsehen ermöglicht werden. Katzenbesitzer erhalten dadurch keine Hundefutter-Werbung oder Botschaften von Restaurants aus Basel werden nicht zusätzlich in Genf ausgestrahlt. Zielgruppenspezifische Fernsehwerbung ermöglicht es, auf den Konsumenten zugeschnittene und damit für ihn relevante Inhalte zu zeigen.
zielgruppenorientiert
Linear fusioniert mit DigitalIn Deutschland wurde bereits 2014 ein Pilotprojekt in diese Richtung gestartet. Für die Marken Gillette, Opel und Fisherman’s Friend hat die Agenturgruppe Pilot in Hamburg eine Kampagne lanciert. Angesteuert wurden internetfähige Fernsehgeräte, also HbbTV. Das steht als Abkürzung für «Hybrid Broadcasting Broadband TV» und verknüpft Rundfunk- und Breitbandtechnik miteinander. Die Fusion des klassischen Fernsehens mit dem Internet ermöglicht es Werbetreibenden, ihre Spots nach Bedarf zu schalten und genau dann auszuliefern, wenn die richtige Zielgruppe vor dem Fernseher sitzt. Die Messbarkeit über den Adserver und die flexibleren Vermarktungsmöglichkeiten sind vor allem für kleine Sparten- und Lokalsender sowie mittel­ständische Werbetreibende, die sich kosteneffiziente TV-Werbung wünschen, spannend.Woher kommen die Daten?Die technischen Voraussetzungen sind heute geschaffen, dennoch ist HbbTV nicht ausgereift genug, und die Anzahl Besitzer solcher Geräte steigt zwar, das heisst aber noch lange nicht, dass diese den TV in vollem Umfang nutzen. Eine andere Möglichkeit ist, mit demografischen Daten zu arbeiten, wie es die USA grossflächig und mit positiver Resonanz machen. Zielgruppenmerkmale wie etwa der Familienstand, das Haushalts-Nettoeinkommen, Interessen, Alter, Geschlecht, Autoleasing oder Mobilverträge würden dem Markt ausreichend neue Impulse für passgenaue TV-Werbung bieten. Dazu kommen die Daten von Pay-TV-Anbietern, so lassen sich die einzelnen Receiver ihren jeweiligen Abonnenten zuordnen. Doch hierzulande sind die datenschutzrechtlichen Hürden ungleich höher als in den USA.Als ErgänzungsmöglichkeitAuch wenn das Potential gross ist und die Vorteile auf der Hand liegen sehen die zwei grossen Schweizer Vermarktungsplayer Publisuisse SA und Goldbach Media zwar Chancen, aber noch keine grosse Zukunft für diese Methode. Und das obwohl die SRG im Sommer 2015 ein Joint Venture mit Swisscom und Ringier einging (siehe unten) – unter anderem mit der Idee, zielgruppenspezifische Werbung zu machen. «Die Digitalisierung ermöglicht im TV die zielgruppengerichtete Ansprache und somit auch das direkte Targeting auf den Fernsehkonsumenten, was dem Werbetreibenden nicht nur eine noch gezieltere Ansprache ermöglicht, sondern auch dem Konsumenten einen Nutzen durch mehr Relevanz bringt. Jedoch, denke ich, wird die klassische Werbung weiterhin der Hauptpfeiler der Kommerzialisierung im TV bleiben, denn die Möglichkeiten des schnellen Reichweitenaufbaus sind nach wie vor unschlagbar. Das zielgruppengerichtete Targeting könnte eine sehr spannende Ergänzungsmöglichkeit werden», sagt Martin Schneider, CEO Publisuisse SA, auf Anfrage. Die Allianz erhielt Anfang März das Einverständnis des Bakom, jedoch mit der Bedingung, zielgruppenspezifische Werbung zu unterlassen – dies bedinge Konzessionsänderungen. «Mit der Bündelung können wir dennoch neue und innovative Werbeformen im Schweizer Werbemarkt entwickeln, die keiner der drei Partner im Alleingang anbieten könnte. Die neue Firma will alle Bewegtbild-Kanäle zur einer grossen ‹All-Video-Werbeplattfom› zusammenführen», so Schneider.Streuverluste sind sexyAuch Goldbach Media sieht den Reiz: «Durch die Datenflut aus Online- und Mobile-Nutzung ist die Möglichkeit zur zielgenauen Kampagnenaussteuerung heute zum ersten Mal mehr als eine schöne Phantasie. Adressierbare Werbung bedeutet wenig Streuverluste bei der Auslieferung mit dem grössten Interesse der Konsumenten», sagt Alexander Duphorn, CEO von Goldbach Media. Seine Bedenken gelten der Ansprache: wird die Person im individuellen angesprochen oder der ganze Haushalt? Denn im Gegensatz zu den mobilen Geräten, welche meist von einer Person genutzt werden, ist das TV-Gerät ein Massenmedium. «Ausserdem», ergänzt er, «sind auch Streuverluste sexy. Wie sonst könnte man neue Nutzer finden und von sich überzeugen?»Vielleicht spielt der Katzenbesitzer mit dem Gedanken, sich einen Hund anzuschaffen, da würde die Hundefutter-Werbung helfen. Und wenn der Zuschauer nur das ankreuzt, was er sehen will, entgehen ihm weitere spannende Angebote. «In einer perfekten Welt wird die perfekte Werbung zur Information, weil Werbung direkt an den interessierten Konsumenten ausgeliefert wird», meint Duphorn. So wird es sich zeigen, inwieweit sich zielgesteuerte Werbung im TV etabliert.Autorin: Melanie Granados___________________

Werbeallianz Admeira gestartet

D_GL-Admeira
Die Geschäftsleitung von Admeira mit Chief Executive Officer Martin Schneider (vierter von links).Das Joint Venture zwischen Ringier, SRG und Swisscom «Admeira» hat am 4. April seine operative Tätigkeit aufgenommen.Admeira ist die grösste Vermarktungsfirma der Schweiz und verfügt über ein multimediales Portfolio mit Werbemöglichkeiten in rund 80 starken Medienmarken. Admeira soll die Schweizer Antwort auf den digitalen Wandel und die daraus entstehenden neuen Bedürfnisse der Schweizer Werbewirtschaft sein. Auf Basis neuster Technologie in Verbindung mit Daten- und Vermarktungskompetenz entstehen neue Perspektiven für innovative Werbeformen – unter anderem zielgruppengerichtete TV-Werbung. Allerdings ist diese aktuell für konzessionierte TV-Sender noch untersagt.Die Dienstleistungen stehen allen Werbeauftraggebern, Agenturen sowie weiteren Anbietern von Werbeinventar offen.Admeira beschäftigt über 280 Mitarbeitende an den Standorten Zürich, Bern, Lausanne, Genf und Lugano._________________

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