Nominiert zum «Werber des Jahres»: Roman Geiser, Farner Consulting

Nominiert zum «Werber des Jahres» 2019 ist Roman Geiser, CEO und Mehrheitsaktionär der Agentur Farner Consulting.

RomanGeiser_2_Fotograf_ChristianGrund

Überrascht, aber hoch erfreut reagierte Roman Geiser, als ihm die Werbewoche die Botschaft überbrachte: nominiert zum «Werber des Jahres» 2019. Überrascht, weil der 51-Jährige sich nicht als eigentlichen Werber, sondern als Kommunikator sieht und ursprünglich aus einer anderen «Ecke», dem Polit Campaigning, kommt. Erfreut, weil die hochkarätig besetzte Fach-Jury mit ihrem Entscheid nicht nur den Leistungsausweis eines geschätzten Berufskollegen würdigt, sondern auch dem Wandel der Werbe- und Kommunikationswelt Rechnung trägt. 

Die Branche und der Markt verändern sich, alte Muster werden aufgebrochen, die Aufgabestellungen komplexer – und Farner Consulting spielt ganz vorne mit. Im LSA-Ranking der umsatzstärksten Agenturen belegt das Unternehmen hinter Publicis den zweiten Rang. Notiz am Rande: Publicis war ebenfalls eine Gründung von Rudolf Farner, der 1972 die Werbeabteilung vom PR-Büro abspaltete.

Roman Geiser hat Farner 2012 als neuer – und in der Agenturgeschichte erst vierter – Mehrheitsaktionär von Vorgänger Christian König übernommen. Bei der PR-Agentur Burson-Marsteller leitete er zuvor das Schweizer Geschäft und verantwortete schliesslich als COO EMEA im WPP-Konzern über 20 internationale Märkte. Das ständige Reisen und das Bedürfnis, wieder näher am Beratungsgeschäft, näher beim Team und den Kunden zu sein, trieben ihn zurück in die Schweiz.

Seit seinem Einstieg bei Farner treibt der gelernte Betriebsökonom die Entwicklung als CEO mit einer klaren Vision voran. Aus einer auf Corporate und Public Affairs spezialisierten PR-Agentur hat Geiser die – wie er nicht ohne Stolz sagt – «kompletteste Agentur der Schweiz» gebaut.  Unter dem Farner-Dach versammelt er an sieben Schweizer Standorten die unterschiedlichsten Disziplinen, die in der modernen Kommunikation gefragt sind und lässt sie wie aus einem Guss zusammenarbeiten. Aus 13 hochspezialisierten Units, die alle auch ihre eigenen Kunden und Märkte betreuen, werden je nach Komplexität der Aufgabe interdisziplinäre Teams zusammengestellt. Das hauseigene Werbe-Atelier wurde unter Geiser zu einer marktfähigen Kreation, die unter der Leitung von Ex-Wirz-ECD Philipp Skrabal heute auf Augenhöhe mit der Konkurrenz agiert. «Ich bin ein Werber, indem ich an diese Disziplin glaube – aber nur im Kontext, nur im Orchester der ganzen Kommunikation», sagt Geiser.

Seine Vision der Komplettheit geht auf. Waren es bei seinem Antritt 11 Millionen Franken Umsatz, sind es heute 30 Millionen Franken. Das Wachstum grösstenteils organisch, zusätzlich wurde etwa die auf Marken und Brands spezialisierte Agentur YJOO und ein auf Change und interne Kommunikation spezialisiertes Team hinzugekauft.

Die Gründe für den Erfolg des Modells ortet Geiser auch in der DNA der Agentur. «Unsere Formel ist interessant, weil wir vom Content her kommen», sagt er. «Sieben Units beschäftigen sich heute inhaltlich nur mit spezifischen Branchen. Die wissen, wovon der Kunde spricht, verstehen die Wertschöpfungskette der Industrie, kennen deren Sprache. Führt man diese Content-Leute danach mit Kreativen und Digitalen zusammen, ist man ziemlich gut aufgestellt.» 

Ein anderer Grund sei, dass in der immer komplexer werdenden Kommunikations-Welt Vertrauen zum wichtigsten Gut werde, fügt Geiser an. «Vertrauen entsteht nur über enge Beziehungen. Der Stakeholder-Blick einer ehemaligen PR-Agentur ist beziehungsorientierter als derjenige einer ehemals klassischen Werbeagentur, die vor allem Massenmärkte bediente.»

Kampagnen Farner Consulting 2018ProVelo – Linksabbiegen

«In der fiktiven Castingshow «Velotalent of Switzerland» beurteilt eine dreiköpfige Jury (Viktor Giacobbo, Fabienne Hadorn, Walter Schlegel) die Fahrweise von Velofahrenden. Die Social-Filme machen unterhaltsam auf zwei einfache Veloregeln aufmerksam und generieren in kürzester Zeit über eine Million Views und zahlreiche Medienberichte.»

SBB – Employer Branding

«Die Arbeitgeberkampagne der SBB stellt die Mitarbeitenden und ihre Leistung ins Zentrum. Und das über sämtliche Touchpoints hinweg: von der Website, über Stelleninserate, bis hin zu Social Ads. Flankiert werden diese durch innovative Massnahmen wie das Pop-up Job Café sowie dem Social TV-Format «Merci Tivi». Die Kampagne wirkt: Die neue Arbeitgebermarke erfreut sich hoher Beliebtheit und wird als modern, dynamisch und erfrischend wahrgenommen.»

Julius Bär – Formula E / #window2thefuture

JuliusBär_Windowtothefuture_Performance

«Das Titelsponsoring der Formel E in Zürich dient als Anlass für eine breit angelegte 360°-Kampagne in enger Zusammenarbeit mit dem Gründungspartner Julius Bär und der ETH Zürich, incl. CGI-Visualisierungen des «Zürich der Zukunft», einem Content-Hub mit Dokumentarfilmen (Juliusbaer.com/window2thefuture) sowie einer Werbe- und einer datenbasierten Performance Kampagne.»

«Wir sind keine PR-, Marketing-, Werbe- oder «Ich-weiss-nicht-was»-Agentur»

 

Werbewoche: Was war Ihr erster Gedanke, als Sie von der Nomination zum Werber des Jahres erfuhren? 

Roman Geiser: Überrascht. Die Jury ist mutig, denn ich bin ein Kommunikator und nicht a priori ein Werber. Aber auch geehrt und erfreut, denn die Nominierung hat Signalwirkung: Es wäre das erste Mal, dass die Branche einen Kommunikator und Nicht-Werber als «Werber des Jahres» auszeichnet. Die Branche zeigt damit, dass sie mit den alten Silos zwischen den Disziplinen gebrochen hat – dass sie veränderungsfähig und agil ist. 

 

Generell: Was bedeutet Werbung für Sie? 

«Werbung» sind für mich Ansätze, die Kommunikation top-down, im Push-Modus und über uniforme Kanäle verfolgen. Ich suche viel eher Ansätze, die Content-Expertise, Kreativität und Digital Marketing auf Augenhöhe strategisch verbinden. So gesehen ist Werbung für mich ein Silo, das ich unbedingt meiden möchte. Aber symbolisch gesehen steht Werbung für mich auch für starke, kreative Ideen, die bewegen und emotional inszenierbar sind. Deshalb ist sie ein fester integraler Teil von effektiver Kommunikation. 

 

Zurückblickend auf 2018: Was war Ihr persönliches Highlight des Werbejahres? 

Farners Auszeichnung als «Beratungsunternehmen des Jahres in Deutschland, Österreich und der Schweiz» durch den Holmes Report im Mai 2018. Diese Auszeichnung ist eine grosse Anerkennung der Leistungen des gesamten Teams. Dann unser Beitritt zum LSA, was den Wandel der gesamten Branche unterstreicht. Schliesslich haben die Kampagnen für Julius Bär, SBB und Made Visible eine schöne Handschrift der Agentur hinterlassen.

 

In welchem Bereich hat sich Ihre Agentur im vergangenen Jahr gegenüber dem Vorjahr gesteigert? 

Wir wachsen in Kreation, Digital Marketing und Markenkommunikation überdurchschnittlich. Unser konsequent integrierter, auf Content basierter Ansatz löst bei den Kunden eine sehr positive Resonanz aus. Parallel dazu entwickeln sich die Farner-Disziplinen Unternehmenskommunikation, Public Affairs und Change stetig und auch unsere regionale Abstützung mit sieben Niederlassungen in der ganzen Schweiz differenziert uns stark. Im November 2018 eröffneten wir zudem unser eigenes Innovationslabor «Farner Lab», wo wir mit Kunden in Pilotprojekten bessere Markenerlebnisse an den Schnittstellen von Marketing, Design und Technologie entwickeln.

 

Worin ist Ihre Agentur ihrer Meinung nach besonders stark? 

Wir sind keine PR-, Marketing-, Werbe- oder «Ich-weiss-nicht-was»-Agentur, sondern eine Kommunikationsagentur, die mit allen Silos gebrochen hat und Integration unter einem Dach neu und komplett lebt. Farner versucht in grossen aber auch kleinen Projekten den «heiligen Dreiklang der Kommunikation» zu vereinen: Kreation, Digital und Content. Über sieben Standorte wirken wir in allen Wirtschaftsregionen der Schweiz und sind dank Digital Analytics und spezialisierten Branchenteams näher an den relevanten Themen. Schliesslich ist die Agentur auch inhabergeführt und unabhängig, und das Management ist selbst in der Beratung tätig. Und ich bin erst der vierte Mehrheitseigner in rund 70 Jahren Agenturgeschichte. Damit schaffen wir Kontinuität und Stabilität.

 

Wo sehen Sie die grössten aktuellen Herausforderungen der Werbe- und Kommunikationsbranche? 

Die VUKA-Welt ist grösste Herausforderung und Chance zugleich. Wir leben in einer schnellen, unvorhersehbaren und komplexen Welt. In einem Umfeld voller Widersprüche und in einer Flut von Informationen. Gute Kommunikation ist hier gefragter denn je – aber auch immer anspruchsvoller. Erfolgreich ist das heute nur noch gemeinsam und disziplinübergreifend zu leisten. Das Navigieren in dieser Komplexität setzt dabei eine Haltung voraus, die den Kontext im Sichtfeld behält. Eine Herausforderung – aber eine, die mich mit Begeisterung in der Branche hält.

 

Was stimmt Sie zuversichtlich, dass es auch in Zukunft Spass macht, in Ihrer Branche zu arbeiten? 

Die Vielfalt! Ich bin seit über 20 Jahren Kommunikationsberater und mir ist noch nie langweilig geworden. Denn das Schema-X gibt es nicht und stets gibt es Neues dazuzulernen. Farner darf an relevanten Themen arbeiten, die Wirtschaft, Politik und Gesellschaft in der Schweiz bewegen. Wir helfen Unternehmenskrisen zu bewältigen, politische Themen zu gestalten, Marken zum Durchbruch zu verhelfen, Organisationen zu verändern, Themen zu setzen, Produkte zu beflügeln oder Startups zu begleiten. Ich lese am Sonntag die Zeitungen und entdecke zwischen 10 und 20 Themen, in welchen die Agentur aktiv involviert ist.

 

Wie wird die Werbe- und Kommunikationsbranche Ihrer Meinung nach «von aussen» wahrgenommen? Ist ihr Ruf gut genug?

Das Vertrauen in die Medien ist angespannt – in bezahlte Kommunikation ganz besonders. Zum Thema «Fake News» brauche ich nicht viel sagen. Es ist also nicht verwunderlich, wenn Menschen der Kommunikationsbranche mit Skepsis gegenüberstehen. Wir glauben aber, dass es genau daher unsere Aufgabe ist, in diesem Umfeld die nötigen Brücken zu schlagen, um Beziehungen aufzubauen und eine Nähe herzustellen. Kommunikation soll Menschen verbinden und damit Vertrauen schaffen. Vertrauen wird in einer zunehmend komplexen Welt zu einer immer wichtigeren Ressource. An dieser Essenz zu arbeiten, darf die Branche mit Stolz und Zuversicht erfüllen.

 

Gibt es etwas, was Sie an Ihrer Branche stört? 

Wir sind zu defensiv und zu negativ, was die Rolle und Bedeutung der Branche betrifft. Wir jammern. Dabei haben wir allen Grund, stolz zu sein und selbstsicher aufzutreten. Der Kommunikationsbedarf nimmt in einer immer komplexeren, unvorhersehbaren Welt zu, und deshalb leisten wir einen wesentlichen Beitrag. Kommunikation ist ein strategischer Pfeiler einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung geworden und hat den Status der «Stabsstelle» verlassen.

 

Wer hat Sie beruflich am meisten beeinflusst? 

Zum einen Dieter Jäggi, der mir damals den Weg in die Kommunikationsberatung geöffnet hat. Nach einigen Jahren beim Dachverband der Schweiz Wirtschaft – economiesuisse – durfte ich in seiner Agentur das Beratungshandwerk lernen. Dann Harold Burson, der Gründer der globalen PR-Agentur Burson-Marsteller. Er hat Kommunikation nicht nur als Handwerk, sondern immer auch als Haltung verstanden. Und natürlich Christian König, mein Vorgänger bei Farner, der mir die Chance gegeben hat, mich bei Farner einzubringen und ihn als Mehrheitseigner abzulösen. Schliesslich hatte ich im Laufe der Karriere einige Vorgesetzte und ich habe von den guten wie den weniger guten immer etwas für mich selbst gelernt.

 

Welches war der bisher schwierigste Entscheid Ihrer Karriere?

Das war wohl der Entscheid, das gemachte Nest der WPP-Konzernkarriere zu verlassen und mich der unternehmerischen Herausforderung zu stellen, Farner zu übernehmen. Ich durfte in meiner letzten Funktion vor Farner internationale und globale Projekte betreuen und eine Konzernregion mit über 20 Märkten als COO führen. Diese internationale Agenturwelt zu verlassen und «zurück in die Schweiz» zu kommen, war kein einfacher Entscheid. Aber ich habe ihn nie bereut.

 

Und welches der Beste? 

Oft sind die schwierigsten Entscheide auch die besten. Ich habe den Weg ins Unternehmertum keine Sekunde bereut und bin dankbar für meine mittlerweile sieben Jahre bei Farner. Ich fühle mich privilegiert, eine Aufgabe zu haben, die ich mit Leidenschaft verfolgen kann. Tag für Tag.

 

Wo würden Sie arbeiten, wenn nicht in der Kommunikationsbranche?

Letztlich hat mich die Liebe zur Sprache in die Kommunikation geführt und so könnte ich mir viele Tätigkeiten vorstellen, die auf die Kraft des Wortes bauen. Journalist, Politiker, Autor, Think-Tanker. Aber nur als freier Unternehmer, denn das Unternehmertum und die entsprechende Gestaltungsmöglichkeit faszinieren mich ebenso wie das Inhaltliche.

 

Was sind Ihre Stärken?

Ich bin neugierig und habe Freude an Themen mit intellektuellem Anspruch. Ich bin tatkräftig, setze Gedanken gerne in die Realität um, und ich habe in den Jahren einen guten Blick für relevante strategische Muster entwickeln können. Und vermutlich das Wichtigste: Ich mag Menschen und höre ihnen gerne zu.

 

Und wo lassen Sie lieber anderen im Team den Vortritt? 

Bei der Analyse der Vergangenheit, denn mein eigener Blick richtet sich immer nach vorne. Das kann schädlich sein. Auch beim «Finish» sind andere besser als ich, denn die grossen Linien genügen mir oft zu schnell. Und ich bin nicht sonderlich anpassungsfähig, denn Freiheit treibt mich an.

 

Mit welchen drei Wörtern würden Sie sich selbst beschreiben? 

Das überlasse ich gerne anderen, das ist meistens treffender als der Ego-Blick.

 

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben? 

Bei aller Leistungsorientierung und Tatkraft sind mir Haltungen und Werte wichtig. So möchte ich eine Organisation gestalten, die von einem starken Purpose lebt und in der sich Mitarbeitende engagieren und einen werthaltigen Beitrag leisten können. Ich sehe mich als Gestalter dieses Rahmens.

 

Sie bekommen morgen einen freien Tag geschenkt: Wie gestalten Sie diesen? 

Ich verbringe meine Wochenenden meistens in Arosa und fühle mich dort zu Hause. Einen geschenkten Tag würde ich dort verbringen.

 

Welche Superkraft würden Sie wählen, wenn Sie die Wahl hätten? 

Raum und Zeit dehnen.

 

Wieso wären Sie ein guter «Werber des Jahres»? 

Weil das DIE Chance ist, den «Werber des Jahres» in den «Kommunikator des Jahres» umzutaufen und der Werbung eine zusätzliche Dimension zu geben.

Logo-Nominiert-2019

Das Wahlprozedere: Die Online-Wahl findet in der kommenden Woche (KW 13) statt. Wahlberechtigt sind alle Abonnentinnen und Abonnenten des Newsletter von MK Werbewoche Expodata. Das Votum der Leserschaft trägt 50 Prozent zur Entscheidung bei. Die anderen 50 Prozent steuert die Fachjury bei – jedes Mitglied darf eine Stimme für eine der drei Nominierten abgeben. Die Siegerin oder der Sieger wird am 17. April an der Best of Swiss Web Award Night in der Samsung Hall Zürich verkündet. 

Interview mit Roman Geiser

Weitere Artikel zum Thema