Demokratisch dynamisch

Beni Hirts Wachstumskurs stand in der von ihm mitgegründeten Agentur quer zu den Plänen seiner drei Partner. Nun soll er als CEO dem Startup Swiss Digital zum Ausbau verhelfen.

Beni Hirt vereint viele Gegensätze. Der Betriebsökonom engagierte sich als Student intensiv bei den Jungsozialisten und der SP. Er sieht sich als ausgeprägten Teamplayer, fand im vierköpfigen Gründerteam der eigenen Firma aber zu viel Demokratie und zu wenig Entscheidungsspielraum für sich. Er liebt die Dynamik eines Startups, schätzt aber auch die Stabilität eines grossen Mutterhauses. Für widersprüchlich hält er das nicht. Vielmehr für Dinge, die sich unter einen Hut bringen lassen sollten. Der 34-Jährige sieht jünger aus, als er ist, und man kann sich denken, dass er zuweilen unterschätzt wird. Dass er es nicht zu überspielen versucht, macht ihn sympathisch. Er ist offen und umgänglich – leicht könnte man einen Nachmittag mit ihm verplaudern. Er habe «keine Ängste gegenüber Fremdem» und komme schnell mit jemandem ins Gespräch, sagt Hirt. «Aber auf bestehenden Beziehungen aufzubauen, finde ich spannender als Small Talk zu führen. Ich bin auch kein klassischer Sales- Typ, der einem Eskimo einen Kühlschrank verkaufen kann. Ich bin jemand, der berufliche Beziehungen pflegt.»

Politisches Engagement

Die Politik spielt eine wichtige Rolle, wenn Beni Hirt von seiner Laufbahn erzählt – auch wenn er bei der SP mittlerweile nur noch die «einkommensabhängigen Mitgliederbeiträge» zahlt, wie er schmunzelnd resümiert. Mit 24 Jahren schaffte es der ehemalige Steiner-Schüler und BWL-Student für die Jungsozialisten bis ins Berner Stadtparlament. Nach Abschluss des Studiums arbeitete er im nationalen Sekretariat der SP, wo er erst Kampagnen und Kommunikationsthemen verantwortete und später die Finanzen leitete. 2010 hatte er jedoch genug von der Parteiberufsarbeit und wechselte zur SBB. Seine politischen Ämter hatte er bereits ein Jahr zuvor an den Nagel gehängt. Zum einen kam damals der erste seiner beiden Söhne zur Welt. Zum anderen waren «Lust und Leidenschaft verloren gegangen». Hirt war der «ständig gleichen lokalpolitischen Themen überdrüssig und dass sich alles so langsam vorwärts bewegt».

Die eigene Agentur

Es folgte die erste eigene Firma Apps with love, die Hirt im Jahr 2010 mit drei Freunden gründete. In einem Sofagespräch kamen sie damals zum Schluss: Unsere Ideen wollen wir in eigenen Tools umsetzen. «Die Mühlen des politischen Systems malen langsam. Ein Startup ist das Gegenteil. Es ist brutal dynamisch. Das gefiel mir.» Apps with love war stark kunst- und kulturgetrieben und ist es bis heute, erzählt Hirt. Die Agentur sei mit der Motivation gegründet worden, eigene App-Ideen zu realisieren. Erst später habe man auch Kundenaufträge angenommen, um diese App- Ideen quer zu finanzieren. Das Entwickeln von eigenen Tools finde er zwar nach wie vor spannend, aber für ihn sei – im Gegensatz zum Rest des Gründerteams – schon zu Beginn «die unternehmerische Entwicklung im Vordergrund gestanden», räumt Hirt rückblickend ein.

Vor einigen Monaten kam es zum Bruch mit Apps with love. Ausschlaggebend waren laut Hirt unterschiedliche Vorstellungen über die Zukunft der Agentur. «Ich wollte stärker wachsen, aus Marktüberlegungen «, erklärt er. «Es wird Konsolidierungen geben. Gleichzeitig werden kleine Startups den Preis drücken. In einer Mittelposition ist es meiner Meinung nach schwierig, sich zu behaupten.» Apps with love ist an sich erfolgreich unterwegs. Die sympathische Berner Agentur zählt über ein Duzend Mitarbeitende und wurde für ihre kreativen Apps mehrfach bei Best of Swiss Apps ausgezeichnet. Aber seine ökonomischen Überlegungen seien im Gründerteam zu wenig getragen worden, findet Hirt. Mit der Zeit mangelte es an gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen. «Ich habe Entscheidungen durchgezogen, die nicht allen in den Kram passten.» Eine nicht abgesprochene Entlassung seitens Hirt war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Die Reibungsverluste wurden ihm zu gross, er habe sich auf Grund der Konflikte «zu stark nach innen orientieren» müssen. Hirt spricht aufgeräumt über die Ereignisse der letzten Monate. Diese hätten ihn aber schon mitgenommen. Er spricht von einem Trauerprozess mit verschiedenen Phasen. In der Zwischenzeit habe er jedoch auch Zukunftspläne geschmiedet und sich mit vielen Freunden und Bekannten darüber ausgetauscht. Sein Wunschszenario war es, wieder unternehmerisch tätig zu sein. Bezüglich Branche war Hirt offen. «Ich brachte für die jetzige Stelle bei Swiss Digital das Netzwerk und die Erfahrungen mit, die matchten. Aber das könnte man auch an einem anderen Ort einsetzen», meint er. Hirt bezeichnet sich als Generalist. Für mobile Technologien interessiert er sich, « weil es ein Wachstumsmarkt ist, in welchem man selber mitwachsen kann und noch vieles Ungeahnte möglich ist».

Technologie-Know-how durch das Mutterhaus

Swiss Digital gehört zur europaweit verzweigten NTH-Gruppe, die unter anderem 25 Mobile Entwickler und Designer beschäftigt. Durch die enge Zusammenarbeit mit dem Mutterhaus kann das erst dreiköpfige Startup umfassende Lösungen im Bereich mobile Technologien anbieten, wie eigens hergestellte Beacons inklusive Software-Modulen. Ein kleines, agiles Beraterteam und im Hintergrund eine grosse Ressourcenbasis mit viel Technologie- Know-how, das ist für Hirt die Stärke von Swiss Digital. Auch viel Administratives wird durch die NTH-Gruppe abgewickelt. Er schätzt diese komfortable Situation. «So können wir uns auf das Kerngeschäft konzentrieren. Natürlich ist das nicht dasselbe, wie wenn man eine Firma von Null aufbaut. Aber wir sind sehr frei mit der Weiterentwicklung des Angebots.» Aus dem Nichts Ideen schöpfen sei ohnehin nicht so sein Ding. Aber wenn er welche bekomme, könne er daraus relativ gut etwas entwickeln. «Eine meiner Stärken ist es, Dinge zu modellieren und mehr daraus zu machen.» Und dabei steht ihm seitens Swiss Digital nichts im Weg.

Simone Isliker
 

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