Nach Publicitas-Aus: Tessiner Tageszeitung Giornale del Popolo wird eingestellt

Die Tessiner Zeitung Giornale del Popolo erscheint ab Samstag nicht mehr. Das plötzliche Ende ist auf den Konkurs von Publicitas zurückzuführen. Betroffen sind 30 Mitarbeitende.

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Schockiert und ungläubig reagiert das Tessin auf das plötzliche Ende des kirchennahen Giornale del Popolo. Politiker und Personen des öffentlichen Lebens drückten gegenüber den Medien ihre Bestürzung aus. Branchenkenner hingegen zeigen sich nicht überrascht: Das Ende sei absehbar gewesen.

Der Berufsverband Impressum nahm das Ende der Zeitung «mit Bestürzung» zur Kenntnis. Die Gewerkschaft Syndicom appelliert an den Herausgeber, seine soziale Verantwortung wahrzunehmen und in die Verhandlungen um einen Sozialplan einzutreten. Das schulde er dem Engagement und der Opferbereitschaft der Beschäftigten des Giornale del Popolo in all den vergangenen Jahren.

Gemäss einem Sprecher des Giornale del Popolo soll an einer Betriebsversammlung am Freitag genauer über die Situation und das zukünftige Schicksal der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter orientiert werden. Bisher existiert kein Sozialplan für die Beschäftigten.

Die an katholischen Werten orientierte Tageszeitung überlebte bisher dank eines hohen Anteils an Werbeeinnahmen, welche jedoch nach dem kürzlichen Konkurs von Publicitas zusammenbrachen. Das Ende der Publicitas hat einen Einnahmenausfall von 400’000 Franken zur Folge.

Chefredaktorin appelliert an Investoren

Die Chefredaktorin Alessandra Zumthor appellierte in einem Interview mit dem Radio der italienischsprechenden Schweiz RSI an allfällige Investoren, dem Blatt unter die Arme zu greifen. Es fehlten bei einem Budget von 4,6 Millionen Franken letztlich nur 400’000 Franken, um das Giornale del Popolo am Leben zu erhalten.

In einer Medienmitteilung entschuldigte sich Hauptaktionär Bischof Velerio Lazzeri bei den Mitarbeitenden des Giornale del Popolo und erklärte, dass „Modalitäten geprüft werden, um die Folgen dieser Zwangsschliessung so schmerzlos wie möglich zu machen“.

Ursprünglich gehörte das Blatt der «Opera diocesana Giornale del Popolo». Seit 2004 sind 51 Prozent der Zeitung im Besitz des Bistums Lugano. Die übrigen 49 Prozent gehören über die TImedia Holding der Società Editrice Corriere del Ticino, wie es auf deren Internetseite heisst.

Bewegte Geschichte

Das Giornale del Popolo blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. 1926 vom damaligen Bischof Aurelio Bacciarini gegründet, blieb es immer der katholischen Kirche verbunden und mit wechselnden Anteilen in deren Besitz. Bacciarini wollte eine Zeitung schaffen, die den Einfluss der katholischen Kirche auf die Tessiner Gesellschaft über die damals im Südkanton extrem starke parteipolitische Polarisierung hinweg erhalten sollte.

Die lange Amtszeit des ersten Chefredaktors, Alfredo Leber, verlieh dem Blatt über das erste halbe Jahrhundert hinweg Kontinuität. Anfang der 80-er Jahre verlor das Blatt allerdings Markanteilte und musste sich neu orientieren. Nach einer kurzen Experimentierphase unter dem linksliberalen Silvano Toppi setzte der rechtskatholische Bischof Eugenio Corecco 1984 einen neuen Chefredaktor ein.

Leserinnen und Leser auf dem Land

Gelesen wurde das Blatt hauptsächlich in ländlichen Gebieten und den Talschaften. Das machte es jedoch für den Werbemarkt weniger interessant. Immer wieder hatte es deshalb um seine Existenz zu kämpfen.

Der langjährige Redaktionsleiter und heutige Ständerat Fillippo Lombardi versuchte darum Mitte der 1990er Jahre, die Auflagezahlen zu beschönigen. Er geriet prompt in die Fänge der Staatsanwaltschaft. Das kostete ihn die Leitung seiner Partei, der CVP.

Per Jahresbeginn hatte sich das Giornale del Popolo nach 14-jähriger Zusammenarbeit von der Tageszeitung Corriere del Ticino getrennt und war wieder eigene Wege gegangen. Unter anderem wurden damals verschiedene Zukunftsvisionen als Grund für die Trennung angegeben. Die Kooperation umfasste vor allem die Werbung und einige Redaktionsinhalte. (SDA)

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