Werbung in Computerspielen: Lukratives Spiel mit Gamern
Her mit Bäseli und Schüüfeli: So manch «neuer» Marketing-Trend ist gar nicht so neu. Oft sind es nur neue Begriffe für Altbewährtes. Und dann ist da plötzlich eSports. Fussballspielen auf der Couch, im Team ein feindliches Land übernehmen oder sich für die «Daddel»-WM in Seattle qualifizieren. Das soll Sport sein?
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Von Peter Ehm
Ja, es ist ein alter Begriff für ein neues Phänomen. Denn Computerspiele wie Counter Strike und Dota2 sind heute zu einer Mega-Welt des Entertainments geworden. Millionen Jugendliche sind mit von der Partie. Welche Marken bei eSports schon ingame sind, welche Agenturen mitspielen und wie sich das Marketing auf dem gigantischen eSports-Spielfeld zurechtfinden kann – ein aktuelles Zwischenergebnis, ein Kompass durch eine neue Entertainment-Welt.
Fanfaren dröhnen, Laserblitze zucken durch die Halle, die XXL-Bildschirme flimmern: Unten auf der Bühne kämpfen zwei Teams an ihren High-Performance-Keyboards um Punkte, oben auf den Rängen schreien sich 10’000 Zuschauer die Seele aus dem Leib. Ein eSports-Spieltag in der Kölner Lanxess-Arena. In Shanghai waren es 15’000, im Staples Center von Los Angeles sogar 20’000, und das polnische Katowice meldete 11’000 Zuschauer.
Gutes Live-Potenzial – ein erster Hinweise auf das Interesse einer finanziell gut ausgestatteten digitalaffinen Zielgruppe. Allein der Eintritt zu den jeweiligen Events kostet zwischen 40 und 1500 Euro bzw. Dollar. Ein Blick auf die Zuschauerränge zeigt: Dort sitzen nicht Eltern, die ihren Kids die Tickets spendiert haben, um sich mal in deren Welt umzusehen, Stichwort «Familienerlebnis». Nein, es sind die Millenials, Jugendliche zwischen 15 und 29, die solo oder mit Freunden jeden Punkt, jedes neue Level fachkundig bejubeln.
Die Zuschauerstruktur vor Ort ist schon mal interessant. Die nun folgenden Zahlen in Sachen eSports lassen jeden Marketer erstaunen: 288 Millionen TV-/Online- Zuschauer 2015 bei einer einwöchigen EM-Tour durch Europa, 2016 waren es 344 Millionen. 20 Millionen Dollar gab es kürzlich bei einem Turnier in Seattle zu gewinnen, allein der Sieger erhielt 10 Millionen. Der weltweite Jahresumsatz der eSports-Branche wird, konservativ gerechnet, 2019 eine Milliarde Dollar betragen. Für 2016 waren es schon 500 Millionen Dollar.
Was ist da los? Warum gibt es darüber keine Schlagzeilen, keine TV-Runden in der Primetime? «Nahezu unbemerkt», stellte dazu kürzlich der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) erstaunt fest, «nahezu unbemerkt hat sich eine Parallelwelt entwickelt, die unter dem Kürzel eSports eine dynamische Entwicklung erlebt.»
Wer sich des Themas eSport annimmt, der erlebt ganz schnell «Dschungelfeeling royal», heisst: Man ist erstaunt und verwirrt. Allein die Schreibweise ist umstritten. eSports mit grossem E oder mit kleinem, mit Bindestrich oder ohne? Warum gibt es so viele verschiedene Ligen? Wird denn nun elektronisch Fussball gespielt, oder killt man den Gegner mit Flammenwerfern und Granaten?
«Im internationalen Vergleich ist Fussball eher zweite Liga», sagt dazu Daniel Luther, «die strategischen Eroberungsspiele wie Dota2 und League of Legends sind die grossen Bestseller, und zwar weltweit.» Der Mann ist ein anerkannter eSports-Experte. Einer der wenigen Insider. Er hält Vorträge in ganz Europa, kennt die Codes der Spieler, die Tricks der Veranstalter. Luther sagt: «Die Millenials haben sich mit den Elektronikspielen eine neue faszinierende Welt erschaffen. Eine Welt, die ihnen ganz allein gehört. Ü30 gibt es hier eigentlich nicht.»
eSports: Unglaubliches Marketingpotenzial
Daniel Luther ist 26 Jahre jung. Er ist Deutscher und arbeitet jetzt in St. Gallen, im Team der Schweizer ESB Marketing Netzwerk AG. Vor drei Jahren holte sich Luther als Profi den Titel eines eSports-Weltmeisters. Unter dem Spielernamen L-KING tourte er über den Globus. Seine Teams hiessen unter anderem H2k, Speedlink oder Tek-9. Höhepunkt war dann der Sieg der Call-of-Duty-WM in Dallas. Der Ausstieg aus dem Profigeschäft gelang, weil L-KING das «unglaubliche Marketingpotenzial des eSports früh erkannte» und die Faszination des Spielbetriebs anderen logisch erklären kann.
Mal ganz ehrlich, Herr Luther, was hat eSports mit dem klassischen Leistungssport zu tun? Dazu der studierte Politikwissenschaftler: «Unser Sport ist genauso anstrengend, wettkampfgetrieben und emotionsgeladen wie Golf oder Fussball.» Grosser Schönheitsfehler sei allerdings, dass es bisher keine übergreifenden Organisationen gibt. Was im Fussball die Fifa oder in der Formel1 die FIA, das fehlt bei den Elektronikspielern.
Auf dem Markt kämpfen viele verschiedene Veranstalter, Ligen und auch die Spielentwickler gegeneinander. Es geht um TV- und Online-Rechte, es geht um Merchandising, um Marktanteile und um Sponsorenbudgets. Als einer der führenden eSports-Player im Online- und Offline-Segment hat sich die ESL in Köln etabliert, nach eigenen Angaben sogar der weltweit grösste Anbieter. Das Unternehmen hat in der ganzen Welt Dependancen, führt eigene Spielerteams und veranstaltet eigene Events. So werden zur ESL One, the world´s biggest CS:GO Tournament, vom 7. bis 9. Juli wieder Zehntausende Kids in der Kölner Lanxess-Arena erwartet. Zeltplätze sind jetzt schon zu buchen. Wer auch mal backstage mit den Stars plaudern will, der bezahlt für eine 5-Personen-Private-Lounge 2999 Euro.