«Branding ist und bleibt die Kunst der Vereinfachung, Fokussierung und Reduktion»

Im Gespräch mit MK Werbewoche erklärt der Unternehmensberater und Branding-Experte Stefan Vogler, was es beim Redesign einer Marke zu beachten gilt und welches die aktuellen und künftigen Trends sind.

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Werbewoche.ch: Stefan Vogler, welche Gründe sprechen für ein Marken-Redesign?

Stefan Vogler: Zunächst stellt sich die Frage, was unter einem Redesign verstanden wird. Geht es um ein neues Design, also das visuelle Erscheinungsbild einer Marke neu zu gestalten oder um eine Weiterentwicklung des bestehenden Designs? Fachleute verwenden die Begriffe Revolution beziehungsweise Evolution. Oder soll auch die Wortmarke verändert oder ein neuer Name kreiert werden. Dieser Prozess wird im Gegensatz zum Redesign als Rebranding bezeichnet. Während es beim Redesign darum geht, den Markenauftritt dem Zeitgeist anzupassen, die visuelle Kommunikation aufzufrischen, greift ein umfassendes Rebranding tiefer. Es basiert auf einer strategischen Begründung. Anlass dazu kann eine Fusion, der Kauf einer Marke, eine Neupositionierung, eine Unternehmenstransformation oder eine radikale Veränderung des Produktes, der Dienstleistung oder eines ganzen Unternehmens sein. Ein Redesign hingegen kann eine Entwicklung im Sinne einer Evolution sichtbar machen. Der profilierte Markenspezialist, Buchautor und Hochschullehrer Franz Rudolf Esch hat auf der Promarca-Jubiläumstagung anhand seiner Studien eindrücklich aufgezeigt, dass nachhaltig erfolgreiche Marken den Spagat zwischen Konstanz – er nannte es treffend «Haltung» – und Wandel optimal schaffen. Stillstand oder zu radikaler Wandel sind Gift für Marken. Demnach ist ein periodisches Redesign sinn- und wertvoll und ein Rebranding sollte nur bei einer nachhaltigen, strategisch begründeten Veränderung erfolgen.

 

Existieren auch schlechte Gründe für ein Marken-Redesign?

Ja, das ist zum Beispiel der Fall, wenn sich eine Marke oder ein Unternehmen grundlegend strategisch weiterentwickeln und ein Rebranding ins Auge fassen müsste, aber glaubt, mit einem neuen Design sei alles getan. Das könnte man «deckende Kosmetik» nennen. Sobald es zu regnen beginnt, läuft das Make-up förmlich herunter und dahinter kommt der derselbe Kern wie vor dem Neuanstrich zum Vorschein. Ein Redesign muss authentisch sein und zum Kern der Marke passen. McDonalds hat sein Rot mit gelbem (goldenen) M auf ein dunkles Grün gewechselt, um zu signalisieren, dass es bei ihnen gesunde Ernährung gibt. Aber wer geht denn schon in einen McDonalds für einen Salat?! Der Umsatz der «gesunden» Produkte blieb marginal, während das dunkle Grün der Leuchtschriften, verglichen mit dem Signalrot, kaum mehr zu sehen ist. Ein schlechter Grund für ein Redesign können auch die immer rascher wechselnden CEO, CMO oder CCO sein. Ein Chefwechsel hat leider oft ein Redesign der Marke zur Folge. Das dient meistens mehr dem Ego des neuen Chefs, als der positiven Wahrnehmung der Marke. 

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Wann ist der richtige Zeitpunkt für ein Marken-Redesign?

Ganz einfach, wenn das aktuelle Design nicht mehr passt, weil sich etwas im Markt verändert hat. Und sei es nur, dass die Marke nicht mehr zeitgemäss wirkt. Die Halbwertszeit von Markendesigns hat mit dem immer rascheren Wandel in der Wirtschaft und Gesellschaft abgenommen. Früher hat man ein Redesign erst nach zehn oder mehr Jahren vorgenommen. Heute passiert da zum Beispiel im FMCG-Markt in kürzeren Zeitabständen. 

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Wer sollte unbedingt bei einem Redesign mitwirken?

Zuhanden der beauftragten Designer muss der CCO und/oder CMO  für ein gutes Briefing sorgen. Und gutes Design entsteht nie in einer Jekamiübung. Die Entwicklung ist kein demokratischer Prozess. Das wichtigste ist ein sehr kleiner Kreis von kompetenten Entscheidern, welche wissen, wie die Anspruchsgruppen ihrer Marke ticken. Und sie brauchen Mut, neuartige Lösungen zu realisieren. Die Einzigartigkeit ist nach wie vor eine der wichtigsten Erfolgsvoraussetzungen jeder Marke. Zudem möchte ich eine Lanze für die Ästhetik brechen: Das «Schöne» setzt sich meistens unabhängig vom subjektiven Geschmack der Betrachtenden durch.

 

Was sind die aktuellen Trends in der Markengestaltung?

Icons, Videos und Voice, Stichwort: Renaissance der Wortmarke! Alle Elemente spielerisch angewandt und immer wieder neu inszeniert. Einheitlichkeit und Uniformität sind passé. Die Designpolizei hat ausgedient, weil ein Brand Manual heute hoffentlich nicht mehr als Gesetz formuliert ist, sondern als Inspirationsquelle für die Markenanwender. Das Institut für Markentechnik in Genf hat schon vor Jahrzehnten den Begriff «Selbstähnlichkeit» propagiert. Er gilt heute in besonderem Masse: Eine Marke muss über alle Touchpoints hinweg nicht einheitlich, sondern «selbstähnlich» sicht- und erlebbar sein. 

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Bildmarke versus abstrakter Wortmarke, wo sehen Sie die Vor- und Nachteile?

Es braucht beides, aber visuell genügt ein starkes Symbol mit eigenständigen Farben. Eine Wortmarke muss möglichst einfach, akustisch in allen relevanten Märkten bzw. Sprachen aussprechbar und verständlich, eintragungs- und damit schutzfähig sein und sie sollte keine falschen oder negativen Assoziationen auslösen. Die Phonetik wird in Zukunft matchentscheidend sein, denn wie will Alexa eine Voicebestellung entgegennehmen, wenn sie die Marke nicht versteht?

 

Selbst Traditionsfirmen wie die Lufthansa ändern ihre Logos. Was ist hier mit einem Redesign gewonnen?

Ein Redesign, speziell von Klassikern wie der Lufthansa erzeugt Aufmerksamkeit und sorgt dafür, dass die Marke bei den relevanten Anspruchsgruppen (wieder) Interesse auslöst, als agil und zeitgemäss wahrgenommen wird. Die Menschen entwickeln sich, kommen vorwärts, wollen oder müssen sich im Lebenszyklus verändern. Und sie werden sich mit Marken identifizieren, welche sich auch bewegen, von Zeit zu Zeit ihr Aussehen auffrischen und damit fortschrittlich wirken. Nur zeitgemäss gestaltete Marken werden auch in Zukunft eine wichtige Rolle im Leben ihrer Kunde spielen – das Ziel jeder Marke. 

 

Zaras Logo Redesign wurde medial als ungelenker Versuch Luxus-Marke zu sein bezeichnet. Worauf hätte das Unternehmen besser achten sollen?

Zara ist und bleibt meines Erachtens eine starke, äusserst beliebte Marke. Weil das Produkt und der Preis stimmen. Die Marke positioniert sich geschickt als bezahlbare Alternative zu den Fashion-Premium- und Luxusbrands. Der Entscheid, das Logo wie einen Luxusbrand zu gestalten lag auf der Hand und machte Sinn. Anspruch und Wirklichkeit klaffen aber auseinander. Das neue Logo hat unter Designern eine grosse Diskussion ausgelöst. Viele waren nicht begeistert. Und ein Witzbold hat den Vorschlag unterbreitet, alle vier Buchstaben übereinander zu zeigen, weil das die engen Platzverhältnisse in den Zaraläden zeigen würde und somit höchst authentisch sei. Das grosse Echo zum Rebranding belegt eine hohe Identifikation. Offensichtlich ist es den Kunden nicht egal, wenn «ihre» Marke das Logo ändert. Zumindest das Ziel Aufmerksamkeit wurde erreicht.

 

Interview: Karin Bosshard  

Stefan Vogler war 23 Jahre Unternehmer in der Kommunikationsbranche, zuletzt Chairman und Managing Partner von Grey, Teil der weltweit grössten Agenturholding WPP. Seit 2006 ist er als selbständiger Unternehmensberater in den Bereichen Branding, Marketing und Kommunikation und als Verwaltungsrat tätig. Für Markenentwicklungen und Markendesigns arbeitet er oft mit der renommierten Zürcher Branding Agentur schneiterpartner zusammen, welche neben vielen anderen die Erfolgsmarke CHOPFAB für die Winterthurer Brauerei Dopelleu kreiert und gestaltet hat. Vogler doziert an der HWZ Hochschule für Wirtschaft Zürich (Bachelor in Business Communications, diverse CAS/MAS). Seit 2015 leitet er an der HWZ den Studiengang CAS Marketing Communications und ist Dozent für Branding an der Schule für Gestaltung Bern-Bienne (HF Visuelle Kommunikation). Der Kommunikationsfachmann ist Gründungsmitglied bei SwissVR, Mitglied der ASCO Association of Management Consultants Switzerland, der IAA International Advertising Association und Jurymitglied des Xaver-Award. Der profilierte Markenexperte referiert und publiziert, unter anderem ist er Kolumnist («Marke des Monats») in der Unternehmer-Zeitung.

Rebranding: Von Germania zu chair

Nach der Rettung der Schweizer Tochtergesellschaft vor der Insolvenz der deutschen Airline Germania musste eine neue Marke her. In einem Pitch machte die Marke «chair» das Rennen. Dieser Name entstand aus der Kombinationsidee «ch» für Schweiz und «air». Weil man wohl «schweizair» kommunizieren wollte, wurde das Logo zweifarbig in Rot (Assoziation Schweiz) und Hellblau (Assoziation Luft) gestaltet. Dass daraus der englische Begriff für «Sessel» resultierte, wurde als neu- und einzigartiger Name im Fluggeschäft angekündigt: «Ein Unternehmen braucht ein starkes Fundament. Chair‚ ein Stuhl‚ steht für stabile Beine‚ eine tragende Sitzfläche und eine starke Lehne. Ein Platz zum Sitzen‚ Träumen‚ Fliegen.» Die selbst deklariert «fresheste Fluggesellschaft der Schweiz» bietet aber nach wie vor die allgemein bekannten «Seats» an. Der neue Name erzielte Aufmerksamkeit und damit rasche Bekanntheit. Nicht zuletzt, weil er polarisierte.

Interview_Stefan Vogler_Logo Chair

Redesign: Mastercard

Im Januar 2019 gab Mastercard (Markenwert by Interbrand 7,5 Milliarden US-Dollar, Platz 70 im Ranking der «Best Global Brands») bekannt, fortan auf den Schriftzug Mastercard im Logo zu verzichten und nur noch das bekannte Symbol mit den sich überschneidenden roten und orangen Punkten zu verwenden. Die Reduktion wurde mit den neuen Anforderungen an Marken durch den digitalen Wandel begründet. Mastercard wolle radikal einfach und rein visuell erkennbar auftreten, das Symbol als starkes Markensignal sei alleine einfacher und wirkungsvoller einzusetzen, speziell in digitalen Kanälen. Wie bei (fast) jedem Redesign einer starken Marke war sich die Fachwelt uneins. Die einen finden es genial, andere zweifeln und befürchten den Rückgang der Bekanntheit der Wortmarke. Markenweltmeister Apple (Markenwert 214.4 Bil. USD) hat dies dank einer synonymen Bild- und Wortmarke nicht zu befürchten.

Interview_Stefan Vogler_Logo Mastercard
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Was kennzeichnet ein gutes Marken-Redesign?

Wie die Bezeichnung «re» besagt, sollte bei aller Erneuerung eine Wiedererkennung möglich sein. Visuelle Erkennungsmerkmale wie Logo, Symbole, Farben, Schriften, Bilder helfen, Marken zu identifizieren und differenzieren. Dieser Besitzstand im Kopf der Konsumentinnen und Konsumenten darf nicht negiert werden. Die Marke muss auch im neuen Design erkannt werden, aber frischer, moderner und damit attraktiver auftreten. Das immer wieder neu und anders Inszenieren bekannter visueller Elemente ist die Kunst des Redesigns. Swisscom löste kürzlich ihr Symbol, das bislang meistens in Kombination mit dem Schriftzug erschienen ist und setzt es nun auch alleine ein. Das war ein Redesign, welches der Bezeichnung gerecht wird. 

 

Wie wichtig sind Farben beim Branding?

Farben sind ein prägendes, wichtiges Element zur Identifikation von Marken. Das heutige Königselement jeder Marke ist das Icon, zum Beispiel auf Insta. Es besteht aus Form und Farbe, idealerweise  gibt es auch noch eine animierte und vertonte Version. Und es gibt Marken, die nur über die Farbe erkannt werden wie das Gelb für die Post oder das Lila von Milka. Farben können sogar als sogenannte Bildmarke ins Markenregister eingetragen, in den jeweiligen Waren- und Dienstleistungsklassen monopolisiert dadurch geschützt werden. 

 

Wie kann die Wirkung eines neuen Marken-Designs überprüft werden?

Die Wirkung einer Marke, das gilt insbesondere auch für deren Design, kann nie präzise vorhergesagt werden. Selbstverständlich kann die Wirkung neuer Markendesigns in einem Pre-Test eruiert werden.  Aber ein neuartiges Design, das zum Beispiel in einer bestimmten Branche vollkommen neu ist, braucht den Mut der Markenbesitzer. Es kann im Voraus nur schwierig getestet werden. Der Absatz bzw. Umsatz nach einem Redesign ist die wichtigste Erfolgszahl. Aber es braucht Geduld. Die Kunden brauchen Zeit, sich an das neue Design ihrer Marke zu gewöhnen.

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