Bleib mir treu!

Mit ihren Loyalty-Programmen haben Unternehmen die Schweizer zu Jägern und Sammlern gemacht. Nun müssen sie sich anstrengen, um die übersättigten Kunden weiterhin bei der Stange zu halten.

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«Bleib mir treu» – das wünschen sich Firmen von ihren Kunden, doch sie müssen auch etwas dafür tun.

Sammeln, einlösen und nach neuen Belohnungen spähen. Mit ihren Kundenbindungsprogrammen verwandeln
Händler den täglichen Einkauf in eine Schnitzeljagd: Freut sich der Kunde über Schnäppchen, kehrt er wieder an den Point of Sale zurück. Die Gleichung geht auf, lange nachdem Migros und Coop ihre Rabattkarten Cumulus und Supercard auf den Markt gebracht haben, beobachtet Michael Grampp, Chief Economist bei Deloitte Schweiz. Augenzwinkernd fügt er hinzu: «Die Detailhändler haben damit aus den Schweizern ein Volk aus Jägern und Sammlern gemacht.» Eine gute Nachricht.

Es gibt auch eine schlechte: Eine Studie des Beratungsuntenehmens sieht in den Rabattofferten zwar einen festen Bestandteil der Kundenbindung, allerdings lässt jeder Dritte die gesammelten Punkte versiegen. Der Grund: Viele Kunden fühlen sich von den vielen Angeboten übersättigt. Grampp, der an der Studie mitgewirkt hat, weiss auch, warum. «Rabatte allein reichen nicht mehr», sagt er. «Das blosse Einlösen der Punkte gegen Produkte und Vergünstigungen hat stark abgenommen.» Diesen Trend habe die Corona-Pandemie noch verstärkt: «Die Konsumenten gehen heutzutage weniger in die Läden als früher», beobachtet der Berater. Das geht natürlich auch zulasten der Kundenloyalität.

Auf der Suche nach dem gewissen Etwas, das den Kunden wieder an den Händler bindet, sind einige auf die Idee gekommen: Sie müssen Erlebnisse bieten. Das Spektrum reicht von Modeschauen im Ladengeschäft bis hin zur Weinverkostung, wie sie zum Beispiel Globus anbietet. Die Mitglieder seines «Weinliebhaberclubs» erhalten besondere Vergünstigungen bei den regelmässig stattfindenden Verkostungsevents in den Filialen des Händlers. In der Rolle des Gastgebers sorgt er für positive Emotionen.

 

Dienstleistung statt Punkte

Neben solchen Entertainment-Formaten spielen auch Dienstleistungen eine Rolle, um den Kunden enger an sich zu binden. «Zum Beispiel, wenn der Lebensmittelhändler dem Kunden – gratis und auf Basis seiner gesammelten Punkte – seine Ware nach Hause liefert», beschreibt Grampp. «Dahinter steckt das Motto: Wenn der Kunde nicht zu mir kommt, gehe ich zum Kunden.» Dass ein Zustellservice die Kundenbindung erhöht, hat Amazon während des Lockdowns in den USA und einigen europäischen Ländern wie Frankreich oder Deutschland unter Beweis gestellt: Über eine Mitgliedschaft bei Amazon Prime bietet der Marktplatz für einen monatlichen Beitrag dort ein «Rundum-sorglos-Paket» an. Neben Video- und Musikstreaming, der E-Book-Bibliothek und einem Cloud-Speicher für Fotos erhalten Kunden einen kostenlosen Versand für viele Artikel, die häufig schon am nächsten Tag eintreffen.

Eine Untersuchung der Frankfurter University of Applied Sciences belegt: Prime-Kunden geben fast doppelt so viel Geld aus wie normale Kunden. Ausserdem sind viele Nutzer gewillt, weitere Dienste des Unternehmens in Anspruch zu nehmen, die im Abo enthalten sind – anstatt zu einem Konkurrenten zu wechseln. Ein Vorbild, wie moderne Kundenbindung gelingt, sieht Grampp auch im Loyalty-Programm von Miles & More: Punkte sammeln und einlösen können Kunden nicht nur, wenn sie einen Flug buchen, sondern auch, wenn sie Mietwagen, Hotels und Produkte wie Mode, Schmuck oder Elektronik einkaufen. Das Bonusprogramm hat sich ausserdem weiteren Anbietern wie Payback oder Shell Club Smart geöffnet: Kunden können ihre erworbenen Punkte bei diesen Händlern miteinander kombinieren.

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Kundenbindung in Form von angebotenen Dienstleistungen steht hoch im Kurs.

Eine Strategie, die in eine ähnliche Richtung geht, verfolgt das Kundenbindungsprogramm von Poinz. In der App können Kunden in den rund 1500 Partnergeschäften Deals und Coupons sammeln und Treuerabatte erhalten. Über die Standortaktivierung werden vor allem die Angebote angezeigt, die sich in der unmittelbaren Umgebung des Nutzers befinden: von der Augenlaserbehandlung bis zur Zuckerbäckerei. Bisher wurde die App laut Robert Blum, CEO von Poinz, 860 000 Mal heruntergeladen, gut 130 000 Nutzer verwenden die App regelmässig. Das Besondere: Im Wallet können auch bestehende Treuekarten und Gutschriften hinterlegt werden. Damit will Blum Mehrwert für den Kunden schaffen. «Voneinander isolierte Insellösungen, bei denen jede Brand ihre eigene App verwendet, sind sinnlos», findet er. User mögen zwar gewillt sein, Migros´ Cumulus und die Coop-Supercard auf dem Handy zu installieren, lassen aber kleinere Händler aussen vor.

 

Multi-Apps auf dem Vormarsch

Genauso wie bei Kundenkarten, die das Portemonnaie zum Bersten bringen, ist auch der Speicherplatz auf dem Smartphone endlich. Multi-Apps ersetzen nicht nur viele einzelne Loyalitätsprogramme – sie kreieren über die Hülle und Fülle des Angebots auch Überraschungsmomente. Diese können Händler gemeinsam mit Poinz kreieren: «Der Kunde kann an einem Glücksrad drehen und beim Bäcker ein Gipfeli zum Kaffee gewinnen», sagt Blum. «Oder ein Restaurant offeriert nach Bezahlung Gratis-Popcorn im Nachbarkino. Über sein grosses Händlernetz kann Poinz den Kunden so durch seine Angebote führen und auf seiner Plattform halten. «Die geschnürten Pakete kommen bei unseren Usern gut an», sagt Blum. Auf noch mehr Anklang könnten sie stossen, wenn Händler ihre über die Programme gesammelten Kundendaten im Detail auswerten. «Die Daten, die über die Loyalty-Programme zur Verfügung stehen, werden bisher nur wenig genutzt», urteilt Grampp. Dem Experten zufolge hängt das auch mit der Unsicherheit zusammen, was mit Daten gemacht werden darf, und was nicht. Doch gerade bei Kundenprogrammen ist das relativ simpel: «Die Konsumenten stellen Daten schliesslich freiwillig zur Verfügung – in der Erwartung, etwas dafür zu bekommen», sagt Grampp. Daten bieten dem Berater zufolge die Chance, personalisierte Boni anzubieten. «Zum Beispiel könnte ein Händler seinen Treuekunden exklusiv neue Produkte, die sie auf Basis ihrer Präferenzen interessieren, zum Testen anbieten.» Letztlich besteht der Sinn von Kundenkarten auch darin, seine Kunden besser kennenzulernen und zu bedienen.

Online wie offline. Alles tun, was möglich ist, sollten Händler allerdings auch nicht. Blum findet etwa Beacons, über die Händler den Kunden auf der Strasse Coupons aufs Handy senden können, wenn sie sich in der Nähe aufhalten, zu offensiv. «Wir nutzen sensible Daten nur sehr vorsichtig, wenn wir den Kunden persönlich ansprechen wollen», sagt der Poinz-Manager. Dazu zählt etwa ein Geburtstagsgruss, garniert mit einem Glückwunschrabatt. In Zurückhaltung übt sich auch Profital. Die Tochtergesellschaft der Schweizerischen Post bietet in ihrer App aktuell gültige Werbeprospekte und lokale Angebote von Händlern wie Lidl, MediaMarkt, Conforama, Jumbo und C&A. Raphael Thommen, Geschäftsführer von Profital, glaubt stark an das Pull-Prinzip: «Die Prospekte in der App werden nicht als nervige Werbung, sondern als hilfreicher Content wahrgenommen.»

Interview

Der «Einkaufshelfer»

Im Interview mit m&k erklärt Profital-Geschäftsführer Raphael Thommen, wie er bei der Multi-Angebots-Plattform auf das Pull-Prinzip als Schlüssel für echte Kundenbindung setzt.

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Raphael Thommen, Gründer von Profital.

m&k: Apps sind im Handel weit verbreitet und werden auch zur Kundenbindung genutzt. Wie schätzen Sie das ein?

Raphael Thommen: Einer aktuellen Studie von NET-Metrix zufolge stammen 78 Prozent des Online-Traffics von mobilen Geräten, eine weitere Studie des Analysedienstes App Annie zeigt, dass Konsumenten mehrere Stunden pro Tag am Smartphone verbringen. Es ist wichtig, den mobilen Kanal als Touchpoint zu nutzen – auch um die Kundenbindung zu stärken.

 

Wie erreichen Sie über Profital Gelegenheitskäufer und Neukunden?

Profital vereint Prospekte, Angebote und Filialinformationen von über 100 Händlern in einer einzigen App und auf der Website Profital.ch. Als Multi-Angebots-Plattform gelingt es uns, eine breite Zielgruppe und somit auch Wechselkäufer anzusprechen. Auch diese lassen sich binden: App-Nutzer markieren ihre Lieblingsgeschäfte und werden bei neuen Prospekten benachrichtigt. Händlern gelingt es so, Kunden über Profital an sich zu binden.

 

Welcher Mehrwert entsteht für den Nutzer?

Sie haben jederzeit eine Übersicht der aktuellen Angebote in ihrer Umgebung. Die Prospekte in der App werden nicht als nervige Werbung, sondern als hilfreicher Content wahrgenommen. Ganz nach dem Pull-Prinzip schauen sich Nutzer nur die Angebote an, die sie interessieren. Die Zahlen bestätigen unser Konzept: Über 350’000 Nutzer planen jeden Monat ihre Einkäufe mit unserer Plattform.

 

Wie lässt sich der Impact für Händler messen?

Die Nutzer informieren sich meist online und kaufen stationär ein. Die Angebote in der Profital-App werden mit Geo-Targeting ausgespielt und mit der nächstgelegenen Filiale verknüpft. Dank der Geotechnologie können wir den Effekt von Profital auf die Frequenzen in den Filialen messen. Mittels GPS werden Nutzer, die ein Angebot eines Händlers angeschaut haben, beim Filialbesuch auf anonymer Basis registriert.

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