Il silenzio è (a volte) d'oro

Aufgefallen Mit seiner Mörgeli-Replik hat Kaspar Villiger aus einem Non-Event ein kommunikatives Eigentor gemacht. Denn «qui s’excuse, s’accuse» – in diesem Fall völlig unnötigerweise.

Kolumne Mit seiner Mörgeli-Replik hat Kaspar Villiger aus einem Non-Event ein kommunikatives Eigentor gemacht. Denn «qui s’excuse, s’accuse» – in diesem Fall völlig unnötigerweise.In aller Regel ist aktive Kommunikation der Schlüssel zum Erfolg. Das lässt sich sogar empirisch belegen, wie eine komplexe Analyse der Harvard Business School anhand von Wallstreet-Firmen vor einigen Jahren zeigte.Doch wie jede Regel hat auch diese ihre Ausnahmen. Das illustrierte unlängst Alt-Bundesrat Kaspar Villiger. Von Christoph Mörgeli wegen seines seinerzeitigen Swiss-Engagements und seines VR-Mandats bei Néstlé auf gewohnt diffamierende Art und Weise verunglimpft, machte Villiger, was er nie hätte tun sollen: Er reagierte! Beraten von wem auch immer, berief der frühere Finanzminister sogar eigens eine
Medienkonferenz ein. Dort rechtfertigte er sich gegen Mörgelis bis dahin nur von einigen Insidern zur Kenntnis genommenen Vorwürfe.
Nun ist es in der global vernetzten Onlinewelt zwar so, dass man falsche Äusserungen, die Image und/oder Bottom Line schädigen könnten, nicht unwidersprochen im Raum stehen lassen kann. Weil sie sonst in irgendein Archiv – zum Beispiel die Schweizerische Mediendatenbank (SMD) – wandern und dort in der Folge weiteren Artikeln als «glaubwürdige Quelle» dienen (ohne von den Journalisten jemals auf ihre Richtigkeit überprüft worden zu sein). Deshalb dienen Korrekturen von Fehlinformationen auch dem Schutz vor der Multiplikation von Unwahrheiten.
Allerdings sollte man vor einem solchen Schritt prüfen, wie glaubwürdig die Quelle der Fehlinformation und wie gross deren Schadenspotenzial ist. Dies hat Villiger im Fall von Mörgeli entweder unterlassen, oder er hat die Situation falsch eingeschätzt. Denn ausserhalb der eigenen Partei und der Berner Classe politique (die sowieso in einer Scheinrealität lebt) wird der berüchtigte Zürcher SVP-Nationalrat höchstens noch von der Weltwoche ernst genommen. Diese engagierte ihn im verzweifelten Kampf um ihre schwindende Leserschaft als Kolumnisten – getreu dem nicht mehr ganz sokratischen Motto: Ich provoziere, also bin ich!
National, oder mindestens sprachregional, hatte Mörgeli vor dem Villiger-Intermezzo nur einmal Berühmtheit erlangt. Als er sich Anfang 2004 in der «Rundschau» von SF DRS blamierte, weil er – der grosse Privatwirtschaftsexperte – nicht mal wusste, was das von ihm geleitete Medizinhistorische Museum die Steuerzahler des Kantons Zürich kostet.
Dank Villigers Replik auf seine Vorwürfe erlangte Mörgeli indessen nicht nur nationale Beachtung, sondern auch eine neue Art von Glaubwürdigkeit. Denn getreu der Volksweisheit «Qui s’excuse, s’accuse» begann sich der geneigte Beobachter bzw. die geneigte Beobachterin zu fragen, weshalb Villiger derart scharf auf Mörgelis Polemik reagierte, wenn an dieser nichts dran war. So wandelte sich plötzlich die Wahrnehmung, wer denn nun der Täter (nämlich der unsägliche Mörgeli) und wer das Opfer (der bisher unbescholtene Villiger) war.
Villigers Kommunikationsfehler bestand darin, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen. Keine Frage: Dass er sich mit seiner Gegenattacke zu Mörgeli in die Gosse begab, der er während seiner gesamten politischen Tätigkeit fern geblieben war und wo er auch heute nicht hingehört, hat seinem eigenen Image geschadet.
Der stets allseits geachtete Alt-Bundesrat hätte sich deshalb besser an eine römische Weisheit gehalten: «Si tacuisses, philosophus mansisses – wenn du geschwiegen hättest, wärst du ein Philosoph geblieben.» Oder wie ein paar Jahrhunderte später die arabischen Philosophen empfahlen: «Die Hunde bellen, und die Karawane schreitet weiter.»
Sacha Wigdorovits ist Chef der Zürcher Kommunikationsagentur Contract Media.

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