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Aussenwerbung II Wie ein Prinz bewies, dass sich die Mediagattung Plakat gern wachküssen lässt.

Aussenwerbung II Wie ein Prinz bewies, dass sich die Mediagattung Plakat gern wachküssen lässt.Kein Zweifel: Mit 14,1 Prozent Anteil am Werbemarkt ohne Direktwerbung (Wemf 2003) spielt das Plakat weiterhin eine Schlüsselrolle bei den meisten Kampagnen. Kein anderes Land in Europa weist Aussenwerbung als zweitwichtigste Mediagattung aus – und erst noch vor TV. Insofern ist die Bezeichnung der Schweiz als Plakatland nach wie vor berechtigt, auch wenn sich diese früher eher auf das hoch stehende Schweizer Grafikdesign bezog. Bedrohliche Werbeverbote
Doch obschon sich die Spendings fürs Plakat in den vergangenen 20 Jahren nahezu verdreifacht haben und sich das Basismedium Plakat im Vergleich zur Branche überdurchschnittlich entwickelt hat (+220 Indexpunkte), verkleinerte die Krise in der Werbebranche den Vorsprung auf das vitale Fernsehen mehr und mehr.
Die unterschiedlich grossen Entwicklungspotenziale sind das eine, die Qualität der Kontakte das andere. Um im härteren Intermedia-Wettbewerb zu bestehen, versuchen die grossen Plakatgesellschaften ihr Medium mit der harten Kontaktwährung der «Swiss Poster Research»-Studie zu stärken. Derweil zeigt eine neue Studie der Uni Hamburg, dass die Flüchtigkeit des Kontakts beim TV erschreckend zugenommen hat.
Wie gewohnt wird auch dieser Stand der Wissenschaft von einer anderen Studie mit anderen Masseinheiten widerlegt werden, weil sich in keinem anderen Medium wie im Fernsehen Marken mit Unterhaltung, Information und Emotionen inszenieren lassen. Trotzdem: «Im Unterschied zu anderen Medien kann sich dem Plakat niemand entziehen. Und obwohl es genauso ungebeten wie der Spot oder die Anzeige auftaucht, dürfte seine Akzeptanz höher sein, weil der Konsument für diesen Werbeträger nichts bezahlt hat», erklärt Ruedi Wyler, einer der kreativsten und plakativsten Schweizer Werber.
Und sieht man von den abbröckelnden Privilegien des Plakats betreffend der Werberechtsbestimmungen für Alkohol und Tabak ab, dürften die Stärken und Schwächen der verschiedenen Medien auch künftig grosso modo die gleichen bleiben. Was die Kreativagenturen freuen wird, weil sie mit ihren Konzepten immer wieder die Effizienz bestimmter Mediagattungen beweisen dürfen.
So auch im vergangenen Sommer, als ein «Prinz» mit einer – notabene – Online-Partnervermittlungsfirma im Rücken auf die Suche nach seiner Zwillingsseele ging. Und zwar via Plakat. Dabei verband die Agentur Publicis die Stärken einer Plakatkampagne mit den Stärken der SMS-Kommunikationsform nicht zum ersten Mal. Trotzdem gelang es den Beteiligten, so viel Aufmerksamkeit und ein riesiges Medienecho zu generieren wie kaum je zuvor.
Umso überraschender, dass die Agentur mit der Kampagne eigentlich «nur» PartnerWinner.ch als Neukunden gewinnen wollte. «Wir nahmen mit unserer Kundin APG Kontakt auf und produzierten gleich eine pfannenfertige Kampagne», blickt Markus Gut, Geschäftsleiter Kreation, zurück. Der geheimnisvolle Teaseraushang mit Crossmedia-Element liess auch verschiedene auflagenstarke Newsmedien mitspekulieren, was der Kampagne zusätzliche Publizität verlieh – und zwar gratis.
Plakativität vor Werbedruck Werden die kreativen Grundregeln – prägnante und ästhetische Reduktion einer emotionalen Grundidee auf das Wesentliche – eingehalten, können die Stärken des Plakats auch unter «normalen» Umständen ausgeschöpft werden. Zwar sind die Gattungen Print und Poster aus Kreationssicht nah verwandt, doch lässt sich aus einem Plakat viel leichter eine Anzeige ableiten als umgekehrt, was häufig vergessen geht. «Jedes gute Plakat ist plakativ», sagt Markus Gut und weist so auf das immer noch grosse Steigerungspotenzial bei der Gestaltung hin. Dass dieser Wunsch oft an den Vorstellungen des Kunden scheitert, sieht man daran, dass lokale Aushänge wegen ihrer Originalität und Plakativität oft einen höheren Erinnerungswert erzielen.
Dank der Differenzierungsmöglichkeit nach Standort kann ein Spezialgeschäft im engeren Umkreis mit Plakatsujets den Kaufappell genauso stärken, wie es sonst die Hersteller und Verteiler von Massenkonsumartikeln im grossen Stil tun. Beispiele liefern immer mehr Agenturen, die zur Auslastung der Kapazitäten ihre Plakatideen der indischen Imbissbude um die Ecke oder dem Coiffeursalon vis-à-vis günstig verkauft haben. Wie gross der Verbesserungsbedarf bei Plakatsujets generell immer noch ist, zeigt der Poster Performance Index der APG, der die Erinnerung und die korrekte Markenzuordnung ausgehängter Kampagnen misst. Auffallend beispielsweise, wie schlecht hier zu Lande Autoplakate im Vergleich zu Aushängen anderer Branchen abschneiden.
Doch zurück zur Prinz-Kampagne: Überwältigend fiel hier die messbare Wirkung des Teasers wie der Auflösung aus – die Responsequote lag bei 662 Prozent. Laut APG und Auftraggeber PartnerWinner.ch soll die Wirkung nachhaltig gewesen sein. So verbuchte die Dating-Plattform nicht nur am Tag der Auflösung des «Prinz»-Geheimnisses einen deutlichen Zuwachs an Neueinschreibungen – die Quote lag während der Plakatkampagne rund ein Viertel höher als der Durchschnittswert davor.
Eine weitere Erfolgskomponente – und darin erkennt der Schweizer Marktleader der Aussenwerbung die Chancen seiner Gattung – bestand darin, dass alle Beteiligten bereit waren, «aus ihren bestehenden Gärtchen auszubrechen». Der Auftraggeber aus dem Onlinebereich, der für eine Kampagne ausschliesslich aufs Plakat gesetzt hat, die Plakatfirma, die den Aushang auf speziell ausgesuchten Stellen buchen liess, und die Agentur, die mit einem wirkungsvollen Dialogmedium zwei Kunden vernetzt hatte.
AusgezeichnetPlakativität als Mehrwert für Marken: Was in der Werbung allgemein Gültigkeit hat – je kreativer, desto effizienter –, gilt beim Plakat erst recht. ADC-prämierte Plakate als Teil von
integrierten Kampagnen erhielten oft auch Effie-Auszeichnungen.
Die grosse Öffentlichkeit von Plakaten kann das Image verbessern und Informationen anderer Werbemittel reaktualisieren.
(Im Bild: Migros-Expo.02)
Mit grosser Publikumsbeachtung führte Publicis PartnerWinner.ch und APG zusammen. Angelo Prinz soll übrigens tatsächlich seine grosse Liebe gefunden haben.
Provozieren lässt sich auch ganz lokal und ohne grossen Streuverlust. Den Rest besorgt die Mundpropaganda. (Im Bild: Bliss)
Lässt sich nicht umblättern oder wegzappen, dafür aber neu erfinden – das Plakat. (Im Bild: Sportplausch Wider)
Luca Aloisi

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