Eine Ohrfeige mit Nachhall

Aufgefallen Mit der Kostenpflicht für Agendaeinträge setzt die Basler Zeitung ein Fanal für den Service Public der Presse. Und leitet damit unfreiwillig Wasser auf die Mühlen der Subventionsforderer.

Kolumne Mit der Kostenpflicht für Agendaeinträge setzt die Basler Zeitung ein Fanal für den Service Public der Presse. Und leitet damit unfreiwillig Wasser auf die Mühlen der Subventionsforderer.In Basel läuft derzeit ein hoch- interessanter Feldversuch zur Wertbestimmung des Service Public der gedruckten Presse. Die Basler Zeitung, welche im Rahmen ihrer Grunderneuerung mitten in der Anzeigenkrise ein tägliches Ausgehjournal im Tabloid-Format geschaffen hat, ist bei den Kulturveranstaltern in Verruf geraten. Denn sie wagt neuerdings, für die Hinweise in der Agenda Kostenbeiträge zwischen fünf und zwanzig Franken zu verlangen.Dafür garantiert sie die Publikation. Zuvor waren die Hinweise zwar gratis, doch lag die Aufnahme im Ermessen der Redaktion. Die Begründung: Was nichts kostet, ist nichts wert – und schliesslich bezahlen die Kulturveranstalter alle anderen Dienstleistungen, die sie in Anspruch nehmen, anstandslos (wobei sie sich in der Regel nicht schlecht über öffentliche Subventionen refinanzieren).
Aber wenn es um die Presse geht, beben über hundert Organisatoren und Kulturbetriebe vor Empörung. Sie haben sich feierlich geschworen, die Agenda zu boykottieren, und werfen dem marktführenden Blatt vor, es wolle sich auf Kosten des freien Kulturlebens einen zusätzlichen Kleinanzeigenmarkt erschliessen. Dem entgegnet Verleger Matthias Hagemann, er stecke jährlich zwei Millionen Franken in die Kulturberichterstattung, die trotz Anzeigenflaute nicht ab-, sondern ausgebaut werde.
Die Kontroverse wird nicht nur von Verlagsmanagern im ganzen Land mit Spannung verfolgt. Auch anderswo wird die Frage diskutiert, wo die Informationspflicht der Veranstalter aufhört und diejenige der Zeitung anfängt. Je länger die Basler Kulturtäter auf dieses Ankündigungsmedium verzichten, desto dringlicher wird die Frage, ob sie sich das leisten können und ob die anderen Kanäle stark genug sind, um den so entstehenden Kontaktausfall zu kompensieren.
Der Hintergrund des Streits ist wirklich eine Überlegung wert. Erfolgreiche Regionalzeitungen konzentrieren ihre Mittel längst auf die lokale Berichterstattung und auf den regionalen Servicebereich, in dem die Event-Agenda eine herausragende Rolle spielt. Die zahlenden Abonnenten und Käufer fragen diese Leistung nach – eine Win-win-Situation, sollte man also meinen. Die Substitution dieser Dienstleistung durch Internet und andere Medien funktioniert auf der regionalen Ebene nur bedingt.
Anderseits verursacht dieser Service hohe Kosten – für den täglichen Raum, aber auch für die Beschaffung und Aufbereitung der Informationen. Damit leisten die Zeitungen der Öffentlichkeit einen nicht zu unterschätzenden Dienst. Und sie tun dies in einem Wettbewerbsumfeld, das – unter anderem durch die SRG – insofern verfälscht wird, als diese im Namen des Service Public dafür Konzessionsgelder von einer Milliarde Franken pro Jahr abschöpft.
Zeitungen jeder Grösse, vor allem aber die kleineren, leisten uns noch viele andere Dienste. Indem sie eine Plattform für Veranstaltungen, Abstimmungen, Debatten und Initiativen bieten, halten sie das öffentliche Leben und die direkte Demokratie in Gang: ohne Leistungsauftrag, ohne Abgeltung, sicher aus Eigeninteresse, aber auch als freiwillige Selbstverpflichtung. Dass manche Verleger aus diesem zusehends teurer werdenden Dienstleistungspaket eine Rechtfertigung für staatliche Presseförderung ableiten, mag man aus ordnungspolitischen Gründen ablehnen; zu verstehen ist es allemal.
> Karl Lüönd ist Publizist, Ombudsmann des Jean-Frey-Verlags und Leiter des Medieninstituts vom Verband Schweizer Presse.

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