Mehr Dienstleister-Demut

Aufgefallen PR-Desaster wie die Victory-Geste von Topbanker Joe Ackermann deuten auf Realitätsverluste in den Chefetagen. Und gefährden den (Marken-)Wert von Unternehmen.

Kolumne PR-Desaster wie die Victory-Geste von Topbanker Joe Ackermann deuten auf Realitätsverluste in den Chefetagen. Und gefährden den (Marken-)Wert von Unternehmen.
Bei seinem ersten Auftritt vor jenem Düsseldorfer Gericht, das ihm «Untreue» vorhält, weil er als ehemaliges Mitglied des Mannesmann-Aufsichtsrats hohe Abfindungen und Prämien absegnete, spreizte Josef «Joe» Ackermann die Finger zum Victory-Zeichen. Der mächtige Chef der Deutschen Bank verwendete also – als Angeklagter – die gleiche Geste, welche schon Winston Churchill in seinem Kampf gegen Hitler oder John Wayne im Kampf gegen den Krebs benutzte. Mit katastrophalen Folgen: Der fachlich brillante und persönlich sympathische Schweizer Investmentbanker verlor seinen Kampf um die öffentliche Meinung mit einer einzigen lässigen Handbewegung.Vielleicht war es falsch, dass der Ex-Mannesmann-Chef nach der (verlorenen) Abwehrschlacht gegen Vodafone eine dicke Entschädigung bekam. Noch fragwürdiger mag der Bonus für den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden gewesen sein. Aber «Untreue»? Das ist ein äusserst dehnbarer Begriff und Paragraf. Sollen die Bezüge und Tantiemen deutscher Vorstände künftig von Gerichten festgesetzt werden? Sind drei Millionen im Jahr okay, fünf Millionen hingegen Untreue?
Ackermann hatte und hat gute Chancen, freigesprochen zu werden. Wäre er ruhig und sachlich geblieben und hätte dem Rechtsstaat vertraut, würden viele Liberale heute an seiner Seite stehen. Nun aber spricht selbst Bernd Michael, Chef der Werbeagentur Grey, von einer «Bestätigung alter Vorurteile». Gemeint ist natürlich jenes von der Arroganz der Macht.
Was ist dran an diesem Vorwurf? Ackermanns Vorvorgänger, Hilmar Kopper, nannte 50 Millionen Mark, die seine Bank wegen einer Pleite ersetzen musste, unumwunden «Peanuts». Und Rolf Breuer, von dem Ackermann den Vorstandssprecherjob Mitte 2002 übernommen hat, gab ein Interview, das den Eindruck erweckte, er bezweifle die Kreditwürdigkeit seines Grosskunden Leo Kirch. Weswegen ein amerikanisches Gericht die Deutsche Bank jüngst zu Schadenersatz verurteilt hat. Betreibt das Management des grössten deutschen Finanzinstituts nur noch «Fachkommunikation» für Investoren und vergisst, dass sie sich in einem Kultur- und Kommunikationsraum bewegt, in dem Millionen von Menschen über die Reputation und damit den «Brand Value» der Deutschen Bank entscheiden?
Mag sein, dass die Leute, die in der Deutschen Bank Corporate Communication betreiben, nicht gut genug sind. So erklärte einer von Ackermanns Anwälten dessen Victory-Zeichen Presseberichten zufolge als (selbst)ironische Anspielung auf Michael Jackson – der notabene des Missbrauchs von Kindern angeklagt ist. Mag aber auch sein, dass die Bosse einfach nicht auf ihre Kommunikatoren hören. Könnte es sein, dass Manager der «globalen Klasse» (Ralf Dahrendorf), die über Milliardeninvestitionen oder -kredite entscheiden, abgeschottet in «Gated Communities» leben und agieren? Dass sie sich nicht mehr vorstellen können, was Menschen von ihren öffentlichen Handlungen und Äusserungen halten (müssen), für die eine Million Euro oder Franken wahnsinnig viel Geld ist?
Grey-Chef Michael hat die «Demut eines Dienstleisters» beschworen. Vielleicht ist der christlich konnotierte Begriff «Demut» zu moralistisch. Ersetzen wir ihn einfach durch die gute alte Kundenorientierung. Im Internet-Zeitalter werden die Kunden durch steigende Preistransparenz und sinkende Transaktionskosten stetig und unaufhaltsam mächtiger. Selbst wenn eine Grossbank sich von Mittelständlern und kleinen Privatkunden verabschieden wollte, bliebe sie dennoch nicht unberührt von Blick- respektive Bild-Schlagzeilen und einer «Glotze», die sich an peinlichen Pannen wie Ackermanns Siegesgeste nicht satt sehen kann. Kurzum: Topmanager müssen nicht nur ihre Sprache kontrollieren, sondern auch ihre Körpersprache.
> Peter Glotz ist Professor für
Medien- und Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen.

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