Das Broad Sheet muss ganz schmal durch

US-Zeitungsbranche Die zweitgrösste amerikanische Zeitungskette Knight Ridder steht zum Verkauf.

US-Zeitungsbranche Das amerikanische
Zeitungsbusiness steckt in der Krise. Die zweitgrösste Zeitungskette
Knight Ridder steht zum Verkauf.Mit jeder halbjährlichen Veröffentlichung
der Auflagenzahlen des Industrieverbands Audit Bureau of Circulations
fährt der Branche jeweils ein Schock durch die Glieder. Ist die Auflage
für die Werktagsausgaben in der ersten Jahreshälfte im Durchschnitt um
1,9 Prozent gefallen, waren es in der Folgeperiode noch einmal 2,6
Prozent – die schlimmsten Zahlen der letzten zehn Jahre. «Ich erwarte
nicht, dass sich das bald ändern wird», sagt der Zeitungsanalyst John
Morton. «Zeitungsabonnenten sterben schneller, als sie ersetzt werden
können.»
Die Gründe für den Einbruch sind vielfältig: Häufig genannt wird die
Konkurrenz von Internetdiensten und Special-Interest-Magazinen sowie
generell der Einbruch im Anzeigenmarkt. Weiter wirkt sich das jüngste
Verbot von Telefonmarketern negativ aus. Dadurch hatte die Branche in
der Vergangenheit bis zu zwei Drittel ihrer Neuabonnenten gewonnen.
Auch die Konkurrenz der kostenlosen Tabloidtitel wird als Stolperstein
für die traditionellen Zeitungen gesehen.

Zeitungsunternehmen in Europa kämpfen mit ähnlichen Problemen. Doch in
den USA kommt darüber hinaus ein enormer Erwartungsdruck hinzu, was die
Profitmargen angeht. US-Zeitungen wiesen in den 90er-Jahren nicht
selten Gewinnspannen von 30 Prozent auf. Mit der Konkurrenz der
digitalen Medien sind diese um gut 10 Prozent gesunken. «Es ist doch
absurd, dass unter anderen ökonomischen Bedingungen noch immer die
gleiche Erwartungshaltung besteht», sagt Thomas Kunkel, Verleger der
American Journalism Review.  
Besonders schlimm hat es jetzt den Konzern Knight Ridder getroffen,
nach Gannett die zweitgrösste Zeitungskette der USA. Auf Druck der
Investorengruppe Private Capital Management (PVM) hin, die 19 Prozent
an dem Unternehmen hält, bot Knight Ridder sich vor einigen Wochen
selbst zum Kauf an, in der Hoffnung, ein anderer Nachrichtenkonzern
würde die 33 Regionalzeitungen umfassende Kette schonend in seinen
Betrieb integrieren. Zwar hatte der Konzern unter seinem Chef, Tony
Ridder, den Onlinebereich massiv ausgebaut, um fehlende Einnahmen
ausgleichen zu können.
Doch zeigen Investoren in den USA oft nicht die nötige Geduld, um neuen
Strategien eine Chance zu geben, deshalb soll das Unternehmen verkauft
werden. Doch potenzielle Käufer wie die New York Times Company oder
Gannett kämpfen selbst mit ähnlichen Problemen und äusserten bislang
kein Interesse. «Das schlimmste Szenario wäre, wenn eine reine
Investorengruppe Knight Ridder übernehmen würde», glaubt Kunkel, der
selbst eine Zeit lang als Redakteur bei dem Unternehmen tätig war.
Kunkel befürchtet, dass dies weitere Personalkürzungen und
Büroschliessungen zur Folge haben würde. «Es wäre eine Tragödie.»

Doch genau das könnte gemäss den neuesten Entwicklungen eintreten: Eine
Investorengruppe, bestehend aus drei Unternehmen, Blackstone Group,
Providence Equity Partners Inc. und Kohlberg Kravis Roberts & Co.,
bereiten laut Berichten des Wall Street Journal ein Übernahmeangebot
vor.
Dabei sind die amerikanischen Zeitungsmacher schon seit Jahren auf der
fieberhaften Suche nach neuen Geschäftsideen. Neben diversen
Onlinestrategien wird auch der inhaltliche Aspekt verstärkt unter die
Lupe genommen. So empfiehlt beispielsweise das Readership Institute an
der Northwestern University in Chicago das Konzept der «Experience
Newspaper», um junge Leser anzuziehen. «Wir können nicht mehr nur
Nachrichten anbieten», sagt Institutsdirektorin Mary Nesbitt. «Wir
müssen auch berücksichtigen, welche Art von Berichterstattung ihnen
zusagt und welche Art von Präsentation sie bei der Stange hält.»
Einige Zeitungsunternehmen wie Gannett, die Chicago Tribune, die New
York Times und die Washington Post haben als Antwort auf das Problem
zusätzlich zum normalen Format kostenlose Tabloidausgaben mit
reduziertem Inhalt auf den Markt gebracht. Handliche Formate sind in
den USA ebenso beliebt wie in Europa, sind sie doch in der U-Bahn
einfacher zu lesen als das grossformatige Broad Sheet.
Zeitungskonsultant Vin Crosbie glaubt deshalb: «Das Broad Sheet wird in
20 Jahren tot sein.»

Gerti Schön

Altri articoli sull'argomento