Mehr Lesestoff, weniger Lesestress

Zeitungen Die neue Berner Zeitung passt sich dem Trend zum Schnelllesen an. Und bietet mehr Inhalte.

Zeitungen Die neue Berner Zeitung passt sich dem Trend zum Schnelllesen an. Und bietet mehr Inhalte.Die übergrossen Lettern, mit denen die Bund-Auftaktseiten überschrieben sind, markieren nur ein besonders augenfälliges Element, mit dem sich die neu gestaltete Berner Zeitung (BZ) von der bisherigen abhebt. Grundsätzlich bekommen die BZ-Leser ab dem 12. Juni eine stark weiterentwickelte Zeitung in die Hand. Blattarchitektur, Layout, Inhalte – nichts blieb von Veränderungen unberührt.Hinter dem neuen Auftritt steht für einmal nicht Kurt Schwerzmann, zum Zug gekommen ist bei der BZ das in der Westschweiz besser bekannte Designerteam des Studio Baylaucq in Paris (Le Temps, L’Hebdo, Le Monde, Economist).
Der Imperativ, der dem Relaunch Pate stand: die Zeitung, die nun fast sieben Jahre mit demselben Konzept unterwegs war, dem gewandelten Leseverhalten anzupassen. Dabei galt es vorab, dem Trend zum Schnelllesen besser Rechnung zu tragen. «Das neue Layout muss die Leser unterstützen, das für sie Relevante auch in geraffter Form zu entdecken», erklärt Franziska von Weissenfluh, Verlagsdirektorin der Berner Zeitung.
Dabei galt es, einen Spagat zu bewältigen: einerseits die Zeitung besser auf den raschen Konsum auszurichten und gleichzeitig auch jene Leser, die Vertiefung und Ergänzung wünschen, weiterhin im gewohnten Umfang zu bedienen. Diese Doppelaufgabe war eine knifflige Herausforderung für Zeitungsgestalter.
Zusätzliche Ordnungselemente
Optisch gelöst wurde sie bei der BZ mit einer Vielzahl neuer schwarzer Trennlinien in unterschiedlichen Stärken, die Struktur und Übersichtlichkeit ins Layout bringen. Als zusätzliches Ordnungselement kommen viel häufiger Kästen zum Einsatz als bisher. Sogar hervorgehobene Zitate in Interviews sind neu in Boxen untergebracht.
Die Zeitungsdesigner haben auch der Bildsprache in der BZ einen klaren Fokus verordnet. Emotionalität ist angesagt. Abbildungen sollen stärker Atmosphäre und Anmutung transportieren. Franziska von Weissenfluh: «Im Herzen der Lesenden muss sofort etwas passieren, noch bevor sich die Bedeutung des Bildes ganz erschlossen hat.»
Auch die Bundstruktur gerät durch den Imperativ für zusätzlichen Lesernutzen in Bewegung. Künftig will die BZ die private Welt noch vermehrt ins Blatt rücken: Bereiche wie Gesundheit, Reisen oder Geldfragen erhalten mehr Gewicht. Und diese Themen bekommen jetzt mit dem vierten Faszikel einen eigenen Zeitungsbund. Dieser wird sich jeden Tag einem anderen Schwerpunkt widmen (siehe Kasten links).
Der aus dem vierten Bund verdrängte Sport geht seinerseits eine für Tageszeitungen unübliche Zweierkiste mit der Wirtschaft ein. Er ist neu schon im zweiten Bund zu finden, gleich nach den Finanzinformationen. Was die Wünsche und Empfindlichkeiten der Leserschaft betrifft, hat sich die BZ nicht nur auf das eigene Gefühl verlassen. Eine von Demoscope durchgeführte Leserschaftsbefragung versorgte die Phase der Neukonzeptionierung mit wichtigen Informationen.
Die BZ hat unkonventionelle Wege beschritten, um mehr über die lesergerechte Zeitung herauszufinden. So bei der Wahl von Typ und Grösse der Schrift. Diese müssen nicht nur der Ästhetik Genüge tun, sie sollen auch ein ermüdungsfreies Lesen ermöglichen. Um dies abzuklären, wurde bei einem Berner Augenarzt ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der Aufwand hat sich gelohnt, hat doch die Expertise «massgeblich» zur Wahl der neuen Typo Enigma in der Schriftgrösse 9,5 beigetragen.
Keine Konzessionen macht die neu gestaltete BZ an den Tabloid-Hype. «Nach langen Diskussionen sind wir zum Schluss gelangt, dass es für eine Regionalzeitung verfrüht wäre, bereits jetzt den Schritt zum Tabloid zu tun. Die Leserschaft ist noch nicht so weit», meint Franziska von Weissenfluh. Abgesehen davon fühlen sich auch viele Anzeigenkunden immer noch wohler im gewohnten Format. All dies schliesse aber nicht aus, dass man den Schritt zum Tabloid irgendwann in der Zukunft trotzdem tun werde.
Die BZ-WundertüteNeuen Lesestoff bietet vor allem der vierte Bund der BZ, in dem bisher der Sport zu Hause war. Ratschläge für viele Lebenslagen, Anregungen für die Freizeit, Reflexionen zu aktuellen Fragen sowie Streifzüge durch die Welt der Wissenschaft und der Natur finden hier Platz.
Dabei kommt an jedem Wochentag ein anderer Schwerpunkt zum Zug. Am Montag heisst er «Leben» (Familie, Schule, Beziehungen, Garten, Tiere, Gesundheit, Mode, Ratgeber), am Dienstag «Sport extra» (Regionalsport). «Showtime» (Kino, Unterhaltung, DVD, TV-Unterhaltung, Pop, wöchentliches Ausgehen) ist am Mittwoch angesagt. Der Donnerstag gehört dem «Geld» (Kapitalanlage, Versicherungen, Steuern, Krankenkassen) und dem «Auto». Der Freitag dem «Geniessen» (Outdoor-Aktivitäten, Reisen, Essen&Trinken, Shopping). Die Reflexion zu aktuellen Zeitfragen steht am Samstag auf dem Menüplan (Hintergründe
zu Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Wissenschaft, Natur). (dse)
Die BZ nach dem Relaunch: Weder Blattarchitektur noch Layout oder Inhalte blieben unverändert.
Daniel Schifferle

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