Die Verlierer gestatten sich Zweifel
Radioforschung Den neuen Daten von Radiocontrol trauen nicht alle. Und ihrer Nähe zur SRG erst recht nicht.
Radioforschung Den neuen Daten von Radiocontrol trauen nicht alle. Und ihrer Nähe zur SRG erst recht nicht.Als der Nationalrat im neuen RTVG festschrieb, dass die Radio- und TV-Forschung von der SRG getrennt und in eine Stiftung einzubringen sei, dachte Verlegerpräsident Hanspeter Lebrument noch, dass dies nicht so restriktiv formuliert werden sollte. Mittlerweile hat er aber die Meinung geändert. Dies schrieb er am 11. Mai in einem Brief an die Publica Data (PDAG) – mit direkter Kopie an SRG-Generaldirektor Armin Walpen und DRS-Direktor Walter Rüegg. Der Grund für Lebruments Gesinnungsänderung: die Kommunikation der PDAG. Diese wollte am 12. Mai die überprüften Radiocontrol-Daten vom ersten Quartal 2004 freigeben, dies aber, ohne die Radios Grischa, Jura Bernois (RJB) und Fréquence Jura (RFJ), die wegen der aufgestockten RC-Stichprobe um bis zu 30 Prozent kleinere Reichweiten ausweisen, vorgängig zu informieren. Eine solche Behandlung der Privatradios sei nur möglich, weil der Forschungsdienst (FD) zur SRG gehöre, mutmasste Lebrument im Brief.Das Schreiben führte dazu, dass Walpen die Freigabe der RC-Daten sofort verhinderte und erst Tage später alle Daten ausser jene der drei meistbetroffenen Sender freigab. Pikantes Detail: Mit seinem Stopp setzte sich Walpen über ein Statut hinweg, das dem FD seit 1998 eine weitestgehende Unabhängigkeit von der SRG zusichert. Dieses hält unter anderem fest: «Für den Basisservice ist die Freigabekompetenz beim FD resp. bei der PDAG.» Und: Der FD entscheide «aus wissenschaftlicher Sicht, ob Daten als publikationsfähig freigegeben werden oder nicht.»
Lebrument zweifelt nicht nur an der Unabhängigkeit des FD, auch die Radioforschung stellt er in Frage. Sollten die nun überprüften 2004er-Daten tatsächlich stimmen, dann habe der FD ja seinem Radio über Jahre konstant zu hohe Zahlen ausgewiesen, argumentiert er. «Insgesamt ist das RC-System ein Flop. Die Glaubwürdigkeit geht verloren, wenn der FD ständig mit andern Zahlen kommt», sagte er auf Anfrage. Ähnlich äussert sich Pierre Steulet, Besitzer von RJB und RFB.
Diese Meinung teilt man aber nicht überall. «Radiocontrol ist hundertprozentig vertrauenswürdig, im Vergleich zur früheren SRG-Medienstudie sowieso», sagt Michi Frank, Leiter Werbeverkauf bei der IP Multimedia. Und Bruno Oetterli vom Radiovermarkter Radiotele erinnert daran, dass seinerzeit das RC-System vor dessen Einführung noch mit Telecontrol überprüft wurde, wobei die Resultate beider Systeme «erstaunlich gut passten».
Gelassenheit auch auf Agenturen- und Werbeauftraggeber-Seite. «RC ist noch eine relativ neue Methode, niemand erwartet, dass gleich alles in Ordnung ist», beschwichtigt Hanna H. Kaminski, Co-Geschäftsführerin beim Dreimediateam. «Selbstverständlich erwarten wir aber vom FD eine Erklärung für den plötzlichen Reichweitenverlust der drei Radios», sagt sie. Rückforderungen gegenüber Grischa seien aber kein Thema. Thorsten Stutzmann, bei Charles Vögele Mode verantwortlich für Mediaplanung, pflichtet dem bei, die RC-Daten hält er für «hart», die Angelegenheit aber auch für «extrem irritierend».
«Unser Vertrauen ist ungebrochen», sagt Jürg Siegrist, Direktor des Verbandes Schweizerischer Werbeauftraggeber (SWA). Was mit Grischa, RJB und RFJ geschehen sei, verlange zwar eine Erklärung, aber keine grundlegende Skepsis. Und er erinnert daran: «Es war der SWA, der vehement auf eine vergrösserte Stichprobe drängte.» Eines aber zeigten die letztwöchigen Vorkommnisse um die RC-Daten, so Siegrist, nämlich «dass die RTVG-Forderung nach einer Auslagerung des FD aus der SRG richtig ist».
«Verbesserung, nicht Fehler»Die Zweifel am Radiocontrol-System weist Matthias Steinmann, CEO der Telecontrol-Gruppe, zurück: «Nicht die Uhren messen falsch, sondern das Institut IHA GfK machte einen Fehler bei der Datenverarbeitung: Es vergass bei der Aufstockung schlicht die Gewichtung der neuen disproportionalen Stichprobe.» Der Gewichtungsfehler hätte auch bei einer Interview-Studie passieren können. Er habe aber als damaliger FD-Leiter die politische Verantwortung übernommen.
Die Gründe für die bei der neuen Gewichtungsmethode festgestellten starken Reichweitenverluste dreier Radios kennt Steinmann zwar nicht. Er glaubt aber, dass weder die Zahlen 2001 bis 2003 noch die überprüften Daten vom 2004 fehlerhaft sind. «Das ist kein Fehler, sondern eine Verbesserung», sagt er. Die 2004er-Daten seien wegen der verfeinerten Gewichtung genauer. Doch er betont: Die Datenerhebung sei immer gemäss damaligem State of the Art erfolgt, jetzt bestehe ein neuer State of the Art. «Zudem sind Erhebung und Gewichtung meines Wissens bisher immer von der Wissenschaftlichen Kontrollkommission – einem unabhängigen Fachgremium – diskutiert und für richtig befunden worden», sagt er. (mk)
Armin Walpen: Statut verletzt.
Markus Knöpfli
Lebrument zweifelt nicht nur an der Unabhängigkeit des FD, auch die Radioforschung stellt er in Frage. Sollten die nun überprüften 2004er-Daten tatsächlich stimmen, dann habe der FD ja seinem Radio über Jahre konstant zu hohe Zahlen ausgewiesen, argumentiert er. «Insgesamt ist das RC-System ein Flop. Die Glaubwürdigkeit geht verloren, wenn der FD ständig mit andern Zahlen kommt», sagte er auf Anfrage. Ähnlich äussert sich Pierre Steulet, Besitzer von RJB und RFB.
Diese Meinung teilt man aber nicht überall. «Radiocontrol ist hundertprozentig vertrauenswürdig, im Vergleich zur früheren SRG-Medienstudie sowieso», sagt Michi Frank, Leiter Werbeverkauf bei der IP Multimedia. Und Bruno Oetterli vom Radiovermarkter Radiotele erinnert daran, dass seinerzeit das RC-System vor dessen Einführung noch mit Telecontrol überprüft wurde, wobei die Resultate beider Systeme «erstaunlich gut passten».
Gelassenheit auch auf Agenturen- und Werbeauftraggeber-Seite. «RC ist noch eine relativ neue Methode, niemand erwartet, dass gleich alles in Ordnung ist», beschwichtigt Hanna H. Kaminski, Co-Geschäftsführerin beim Dreimediateam. «Selbstverständlich erwarten wir aber vom FD eine Erklärung für den plötzlichen Reichweitenverlust der drei Radios», sagt sie. Rückforderungen gegenüber Grischa seien aber kein Thema. Thorsten Stutzmann, bei Charles Vögele Mode verantwortlich für Mediaplanung, pflichtet dem bei, die RC-Daten hält er für «hart», die Angelegenheit aber auch für «extrem irritierend».
«Unser Vertrauen ist ungebrochen», sagt Jürg Siegrist, Direktor des Verbandes Schweizerischer Werbeauftraggeber (SWA). Was mit Grischa, RJB und RFJ geschehen sei, verlange zwar eine Erklärung, aber keine grundlegende Skepsis. Und er erinnert daran: «Es war der SWA, der vehement auf eine vergrösserte Stichprobe drängte.» Eines aber zeigten die letztwöchigen Vorkommnisse um die RC-Daten, so Siegrist, nämlich «dass die RTVG-Forderung nach einer Auslagerung des FD aus der SRG richtig ist».
«Verbesserung, nicht Fehler»Die Zweifel am Radiocontrol-System weist Matthias Steinmann, CEO der Telecontrol-Gruppe, zurück: «Nicht die Uhren messen falsch, sondern das Institut IHA GfK machte einen Fehler bei der Datenverarbeitung: Es vergass bei der Aufstockung schlicht die Gewichtung der neuen disproportionalen Stichprobe.» Der Gewichtungsfehler hätte auch bei einer Interview-Studie passieren können. Er habe aber als damaliger FD-Leiter die politische Verantwortung übernommen.
Die Gründe für die bei der neuen Gewichtungsmethode festgestellten starken Reichweitenverluste dreier Radios kennt Steinmann zwar nicht. Er glaubt aber, dass weder die Zahlen 2001 bis 2003 noch die überprüften Daten vom 2004 fehlerhaft sind. «Das ist kein Fehler, sondern eine Verbesserung», sagt er. Die 2004er-Daten seien wegen der verfeinerten Gewichtung genauer. Doch er betont: Die Datenerhebung sei immer gemäss damaligem State of the Art erfolgt, jetzt bestehe ein neuer State of the Art. «Zudem sind Erhebung und Gewichtung meines Wissens bisher immer von der Wissenschaftlichen Kontrollkommission – einem unabhängigen Fachgremium – diskutiert und für richtig befunden worden», sagt er. (mk)
Armin Walpen: Statut verletzt.
Markus Knöpfli