Disciolto nel fumo

Inseratestopp Als Reaktion auf einen Artikel über die Schweizer Zigarettenlobby hat Philip Morris zwei bereits gebuchte Inserate im Nachrichtenmagazin Facts storniert. Als Boykott will der Tabakkonzern dies aber nicht verstanden wissen.

Inseratestopp Als Reaktion auf einen Artikel über die Schweizer Zigarettenlobby hat Philip Morris zwei bereits
gebuchte Inserate im Nachrichtenmagazin Facts storniert. Als Boykott will der Tabakkonzern dies aber nicht verstanden wissen.
Inserateboykotte sind nicht nur ein heftiges Mittel, sie sind auch äusserst rar. Mehr als zwanzig Jahre sind es her, seit der ominöse Begriff letztmals in Medienkreisen offiziell von sich reden machte (siehe Kasten). Umso mehr überraschte am vergangenen Freitag eine Notiz im Tages-Anzeiger, prominent platziert auf der Aufmacherseite des Wirtschaftsbundes. Dort hiess es wörtlich: «Als Reaktion auf einen Artikel über die Zigarettenindustrie hat der Tabakkonzern Philip Morris einen Inserateboykott gegenüber dem Nachrichtenmagazin Facts verhängt.» Zur Untermauerung der Aussage war angefügt, dies sei von einer Sprecherin des betreffenden Tabakkonzerns bestätigt worden.Keine Strafaktion
Auf Nachfrage der Werbewoche wollte man bei Philip Morris hingegen weder von einem Boykott noch von einem Disziplinierungsversuch etwas wissen. «Der Begriff Boykott ist falsch. Wir haben nur entschieden, die in dieser Zeitschrift geplanten Anzeigenschaltungen bis auf weiteres aufzuschieben», erklärt Raymond Pantet, Pressesprecher bei Philip Morris. Der Aufschub sei aber nicht als Strafaktion zu verstehen, er sei allein durch werbetechnische Aspekte begründet. «Durch die Verwendung einer unserer Marken in unbefugter und negativer Weise für das Titelblatt und durch die Einarbeitung von sachlichen Ungenauigkeiten in die Berichterstattung hat Facts ein Umfeld geschaffen, das unvorteilhaft ist für die Bewerbung unserer Produkte.»
Grundsätzlich bleibe Facts für Philip Morris ein interessanter Titel, so Pantet. Wie lange die Werbepause im Nachrichtenmagazin andauern werde, wollte er allerdings nicht konkretisieren.
Versöhnliche Töne
Ähnlich versöhnlich tönt es bei den beiden anderen im betreffenden Artikel explizit genannten Tabakfirmen. «Auch wenn wir mit einem Artikel nicht zufrieden sind, respektieren wir selbstverständlich die Pressefreiheit», betont der Mediensprecher von British American Tobacco, Claudio Rollini. Statt Inserateaufträge zu stoppen, suche man den Dialog mit der betreffenden Redaktion. «Wir hoffen, dass Facts jetzt offen ist für ein Gespräch, damit wir unsere Meinung und unsere Politik klar machen können.»
Ebenfalls auf Dialog statt auf Strafmassnahmen setzt JT International. «Wegen eines kritischen Artikels reagieren wir nicht», erklärt Jacqueline Erb, Pressesprecherin der Tabakfirma. Weiter betont sie, die Facts-Story werde keinerlei Einfluss haben auf die künftige Anzeigenstrategie.
Tatsache ist im Weiteren: Keiner der drei angesprochenen Tabakkonzerne verlangt eine Korrektur oder gar eine Gegendarstellung zum publizierten Artikel. Dafür gäbe es auch keinerlei Gründe, erklärt Tamedia-Sprecherin Eta Pavlovic. Wie viele andere Artikel sei auch dieser vom Tamedia-Rechtsdienst vor der Publikation geprüft worden. «Es hat keine Unwahrheiten oder Spekulationen in diesem Text», so Pavlovic. Und sie fügt an: «Es steht dort sogar noch nicht einmal etwas wirklich Neues. Denn auch die erwähnte Studie zum Thema Passivrauchen wurde vorher bereits von anderen Medien thematisiert.» Im Weiteren habe man sich vorgängig abgesichert, dass mit der Verwendung von Elementen der Marlboro- und Marylong-Packungen keine markenrechtlichen Aspekte verletzt werden könnten.
Kontraproduktives Vorgehen?
Der aktuelle Fall werde in den Chefredaktionen von Tamedia diskutiert werden. «Aber einschüchtern lässt man sich sicher nicht. Denn dann könnten wir ja unsere Aufgabe – die kritische Berichterstattung – nicht mehr erfüllen», erklärt Pavlovic.
Dass die Redaktionsfreiheit nicht angetastet werden darf, steht für Jürg Siegrist, Geschäftsführer des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbandes (SWA), an vorderster Stelle. Kopfschütteln bekundet er aber mit der Tages-
Anzeiger-Notiz, die den vermeintlichen Boykott publik machte. «Angesichts der Tatsache, dass heute viele Inserate von den Mediaagenturen abgesagt oder verschoben werden, verstehe ich nicht, weshalb die Angelegenheit so prominent im Wirtschaftsbund publiziert wurde. Zumal es sich ja nicht um einen Boykott handelt. Dieses Vorpreschen könnte kontraproduktiv sein.»
Boykotte werden selten ausgesprochenDer letzte grosse Inserateboykott liegt über zwanzig Jahre zurück: Von 1979 bis 1999 hatte die Emil-Frey-Gruppe den Tages-Anzeiger mit einem Boykott belegt – als Reaktion auf einen kritischen Artikel im Magazin zum Thema «Die Autolobby Schweiz». Erst Ende der Neunzigerjahre war es zu Verhandlungen zwischen der TA-Geschäftsleitung und der Emil-Frey-Gruppe gekommen. Die zwei Parteien einigten sich darauf,
den Begriff Boykott nicht mehr zu verwenden. Stattdessen attestierte der Tages-Anzeiger dem Autohändler in den Spalten des Wirtschaftsteils, dieser habe lediglich «von der Freiheit eines Inserenten Gebrauch gemacht,
auf einen an sich geeigneten Werbeträger zu verzichten».
Heutzutage werden Boykottdrohungen normalerweise nicht mehr offen ausgesprochen. Man zieht pragmatische Lösungen vor – die in den allermeisten Fällen dann auch nicht an die Öffentlichkeit gelangen. «Ich kann mir gut vorstellen, dass der eine oder andere Inserent hin und
wieder mal verärgert ist über Publiziertes – und dann beim
Anzeigenschalten einfach mal eine Pause einlegt, ohne das an die grosse Glocke zu hängen. Das erfahren wir dann aber nicht», erklärt Jürg Siegrist,
Geschäftsführer des Schweizer Werbe-Auftraggeberverbands. (dse)
Daniel Schifferle

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