Apriporta o becchino?

Verlage Tamedia trimmt sein Zeitschriftengeschäft auf Profit und die betroffenen Verlage auf Synergien. Ein Prozess, den Ringier und Jean Frey schon hinter sich haben.

Verlage Tamedia trimmt sein Zeitschriftengeschäft auf Profit und die betroffenen Verlage auf Synergien. Ein Prozess, den Ringier und Jean Frey schon hinter sich haben.Bauchladenverkäufer preisen erst mal ihre attraktivste Ware an – zumal wenn sie per Bonussystem am Umsatz beteiligt sind. In Medienhäusern mit zentralisierter Inserateakquisition und Aussendienstlern mit diversen Produkten im Portfolio sorgt dieser verständliche Verkaufsreflex regelmässig für Missgunst, böses Blut und bei Titeln mit wenig Sexappeal gelegentlich gar für Existenzängste.Dem Verlagsleiter der im Vergleich zu Annabelle und Facts unglamourösen Schweizer Familie (SF), Roland Wahrenberger, sind solche Gefühle fremd. Das könnte sich angesichts der kurz vor Abschluss stehenden Neustrukturierung von Tamedias Zeitschriftenbereich bald ändern (siehe Interview). Wohl gesteht Wahrenberger ein, dass drei separate Verlagsorganisationen heute ziemlicher Luxus sind, und übt sich mit der Hoffnung auf «Türöffnereffekte durch den gemeinsamen Auftritt bei Grosskunden» zugleich in Zweckoptimismus. Skepsis und Verunsicherung gegenüber der geplanten Konzentration der Verkaufskräfte sind dennoch nicht zu überhören.
Dass die – notabene image- und nicht zahlenmässig – grossen Titel den kleineren vor der Anzeigensonne stehen, gehört auch für Duke Seidmann zu den lieb gewonnenen Mythen des Verlagsgeschäfts. Seine Erfahrung als Werbemarktleiter bei Ringier, wo er von 1997 bis 2002 die vom damaligen Zeitschriftenchef Beat Lauber entworfene Dezentralisierung umsetzte, hat ihn gar vom Gegenteil überzeugt. «Trotz punktuell auftretender Reibungswärme bei konstantem Personalbestand konnten wir mit unserer Hybridlösung aus professionellem Zentralverkauf und titelspezifischem Support durch Brand-Manager den Umsatz innert fünf Jahren praktisch verdoppeln.» Die Frage, ob davon alle vier Titel gleich profitierten, bejaht Seidmann, ergänzt aber, dass Markterfolg ebenso stark von der Redaktions- wie von der Verkaufsarbeit abhänge. «It’s the product that makes the numbers; numbers never made a product» – ein verlegerischer Grundsatz, den Tamedia bei Facts derzeit deutlich zu spüren bekommt (siehe Gastkommentar).
Erfolgsausweis fehlt noch
Seidmanns Vorteil war, dass Schweizer Illustrierte, Tele, Glückspost und Gesundheit Sprechstunde allesamt im konservativ-extrovertierten Südwesten des psychografischen Medienradars liegen. Für die kommerzielle Teilfusion von Weltwoche (Nordosten) und Bilanz (Nordwesten) hingegen war nicht die Homogenität, sondern die Komplementarität von Leserschaft und Anzeigenkunden das Schlüsselargument. «Unsere Flaggschiffe ergänzen sich mehr, als dass sie sich konkurrenzieren», so Doppelverlagsleiterin Uli Rubner. Zwar steht beim Jean-Frey-Modell der Erfolgsnachweis noch aus: So viel Zuversicht dürfte Wahrenberger, dessen SF – im Unterschied zu Facts und Annabelle – im biederen Südwesten angesiedelt ist, aber noch hoffnungsvoller in die Zukunft blicken lassen.
Könnten vereint Grosskunden überzeugen: Die Verlage von Facts, Schweizer Familie und Annabelle.
Oliver Classen

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