3D aus dem Untergrund

3D-Drucken – was in der Industrie und Architektur schon seit langem bekannt ist, entdeckt nun auch die Werbebranche für sich. Ein Besuch bei der Firma 3D-Model Zürcher Langstrassenquartier zeigt, welches Potenzial im 3D-Druckverfahren steckt.

«Papa, druckst du mir ein Auto? Mama, machst du mir eine Ente?» Keine Vision, sondern Alltag bei Philipp Binkert und Christiane Fimpel von 3D-Model. Ist der vierjährige Gabriel bei seinen Eltern in der Werkstatt zu Besuch, drucken die ihm schon Mal eine neue Rakete, eine Star-Wars-Raumschiff oder ein Spielzeugauto aus.

Der gelernte Architekt und die Kommunikationsmanagerin haben sich in einem Keller, den sie liebevoll «Underground» nennen, eingerichtet. Abgeschirmt von Raum und Zeit entstehen hier Gegenstände mit Digital Fabricating, auch Fabbing genannt. In einer Kombination aus Laser-Cutting und 3D-Drucken bringt 3D-Model die Ideen für Kunden in eine reale Gestalt. Während der Laser-Cutter Formen aus Holz, Glas, Plastik, Metall oder Gummi schneidet und graviert – vom Firmenschild über den Pokal bis hin zu Laptops und iPhones –, erstellt der 3D-Drucker anhand von CAD-Daten die dreidimensionalen Modelle. Das gewünschte Material wird dazu in den Drucker gefüllt und per Tastenbefehl, analog zum gewöhnlichen 2D-Drucker, mithilfe von Pulver und eines Bindemittels schichtweise ausgedruckt. Heraus kommen Architekturmodelle, Prototypen oder Design-Objekte aus Kunststoff, in verschiedensten Grössen und Formen.

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Vor dem Durchbruch

Alles begann als Pilotprojekt nach Binkerts Architekturstudium. Der Drang zum Selbermachen trieb ihn zum Modellbau. Vor rund vier Jahren mietete er sich schliesslich in der Werkstatt nahe des Helvetiaplatzes ein und stellte neben seinem Job als Architekt mit einem Laser-Cutter die ersten Gegenstände her. Schnell kamen weitere Maschinen hinzu, der erste Pulver-3D-Drucker stand bald im Keller. Binkerts Begeisterung für das Fabbing wurde immer grösser, und so entschied er sich, ganz auf diese Karte zu setzen.

Während Architekten für ihre Baumodelle oder Grossunternehmen für die Prototypenherstellung seit geraumer Zeit auf die 3D-Drucktechnik setzen, konnte sich das breite Publikum bis vor Kurzem unter 3D-Drucken nur wenig vorstellen. Dies war zu Beginn eine grosse Hürde für die junge Printerbude. Um sein Projekt bekannt zu machen, holte der Raum- und Objektexperte seine Freundin an Bord, die er vor sieben Jahren, als er in New York für den Architekten Daniel Libeskind arbeitete, kennen und lieben lernte. Christiane Fimpel, die Journalismus, Kommunikation und PR studierte und unter anderem bei der Lufthansa im Bereich Corporate Communications tätig war, hilft Binkert beim Aufbau der jungen Firma. Sie zeigt, was mit 3D-Drucken möglich ist, und stösst damit bei vielen Unternehmen auf Interesse. Seit letztem Sommer können sich Fimpel und Binkert über die gestiegene Nachfrage freuen, und seit ein paar Monaten ist auch die Kommunikationsmanagerin zu 100 Prozent ins junge Unternehmen involviert. «Es ist ernst geworden», meint Fimpel. «It’s kicking», bestätigt ebenso Binkert, der als Sohn zweier Schweizer in New York aufgewachsen ist und vor fünf Jahren in die Schweiz kam.

Neben Architekten setzen Unternehmen wie Geberit, Elektrolux, Agenturen wie Wirz Werbung und Notch Interactive auf 3D-Model, um ihre virtuellen Ideen in Form zu bringen. Für Electrolux entstand ein Firmensignet, die Online-Agentur Notch Interactive entwickelte zusammen mit den Objektexperten den Number One History Award, einen rund 35 Zentimeter hohen Kunststoff-Pokal, der Roger Federer vergangenen November bei den Swiss Indoors in Basel verliehen wurde. Für Wirz Werbung ist derzeit ein Projekt in Bearbeitung, und Geberit engagierte Binkert und Fimpel für eine neue WCBetätigungsplatte mit der Herstellung eines Lichtleiters, bei dessen Umsetzung die beiden geholfen hatten.

Generell tritt 3D-Model bei Projekten nicht nur als Ausführer auf, sondern ist in den gesamten Entwicklungsprozess miteinbezogen. «Wir sind Entwicklungsbeschleuniger», so Binkert und Fimpel. «Die Kunden haben Ideen, wir haben die Maschine und das Know-how, wie man die einzelnen Verfahren am besten zusammensetzt. Wir betreuen sie vom Anfang bis zum Ende.»

Darüber hinaus vermittelt 3D-Model an Workshops und Seminaren das Wissen rund ums Thema Digital Production – sowohl in der Werkstatt als auch auswärts, zum Beispiel am Gewerblichen Berufs- und Weiterbildungszentrum St. Gallen (GBS). Neugierig sind dabei nicht nur Profis, sondern auch Privatpersonen, die die Faszination des Selbermachens zu den Druckern bringt. Solche, die mit Stift und Zettel oder auf dem iPad einen Buddha gezeichnet haben und diesen als Form mit nach Hause nehmen wollen. Begleitet haben Binkert und Fimpel daneben zwei junge Kunden, die ein Holzcover für das iPhone herstellten. Ein Produkt, das sich mittlerweile kaufen lässt.

Jeder ein Drucker

«Wir bekommen die verrücktesten Anfragen», so Fimpel weiter. Gerade für die Werbe- und Kommunikationsbranche sieht sie viele Möglichkeiten. Mit Broschüren, Beschriftungen, Bildchen und verstaubten Werbegeschenken sei es fast nicht mehr möglich, sich abzuheben, so Fimpel. Die Digitalproduktion biete dagegen endlose Formmöglichkeiten, «individualisierte Kommunikation in der Totalen». Wie wäre es beispielsweise mit dem Firmenlogo als Weihnachtsguetzli? Ganz einfach liesse sich mit dem Drucker die entsprechende Guetzliform ausdrucken.

Neben der Schnelligkeit – per Knopfdruck hält 3D-Model selbst die komplizierteste Form für ein Konzeptmodell in den Händen – liegt der Nutzen im Kostenbereich. So wurde beispielsweise Federers Pokal mit einem Drucker hergestellt, der für den Heimgebrauch gedacht und bereits ab 2500 Franken zu haben ist. Wenngleich die Auflösung nicht so hoch ist wie bei einem professionellen Drucker, der um die 20 000 Franken kostet, lässt sich das Endergebnis – selbst ohne nachträgliche Bearbeitung – sehen. 3D-Model ist denn auch nicht nur Dienstleisterin für Digitalproduktionen, sondern ebenso Importeurin und Verkäuferin für 3D-Drucker der Marke 3D Systems. Mit der Vision, dass in absehbarer Zeit jeder den eigenen 3D-Drucker auf dem Schreibtisch stehen hat. Fimpel spricht von einer industriellen Revolution. 3D-Druck gebe es schon lange, aber jetzt werde es zum Massenprodukt.

Tatsächlich eröffnet ein 3D-Drucker zu Hause viele Möglichkeiten. Benötigt der Hobbyheimwerker einen neuen Plastikbecher, holt er sich die entsprechende Datei aus dem Internet und druckt den Gegenstand einfach aus. Baupläne sind schon heute auf Plattformen wie Thingiverse.com oder Shapeways. com zu finden. Aber auch viele Dienstleister wie Autowerkstätten müssten nicht mehr ein grosses Lager führen, sondern drucken sich die Ersatzteile bei Bedarf einfach aus.

Eine Technik, in der viel Potenzial schlummert. Schliesslich funktioniert das Prinzip nicht nur mit Kunststoff oder Keramik, sondern mit allerlei Materialien. Selbst Kleider lassen sich ausdrucken, wie die Designerin Iris van Herpen an der Fashion Week Paris zeigte. Stetig ist Binkert daran, neue alternative Materialien auf ihre Eignung zu testen und herauszufinden, welche Materialien sich für welche Produkte eignen.

Der Fantasie sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Fimpel schwebt vor, den Drucker mit Lebensmitteln zu füllen. Zum Beispiel für individualisierte Giveaways. Zu Ostern könnten Unternehmen anstelle eines gewöhnlichen Schoggihasen das Firmenmaskottchen oder das eigene Logo in Schokolade ausdrucken. «Es ist so viel Potenzial da», schwärmt Fimpel. Gelegentlich steht 3D-Model.ch dazu im Austausch mit dem Raplab der ETH, in dem Studenten an 3D-Drucken für Modell- und Prototypenbau tüfteln, sowie dem Fablab der Hochschule Luzern, einem Werkplatz, der Jugendlichen, Studierenden, Forschenden, aber auch Unternehmen offensteht, um Modelle herzustellen und mit 3D-Druckern zu experimentieren. Ist das Fablab als offene Werkstatt auf Basis einer Open Source Community organisiert, geht es bei 3D-Model um kommerzielle Ideen, bei denen Vertraulichkeit einen wichtigen Stellenwert einnimmt. «In dem Moment, wo es um Geheimhaltung geht, sind die Leute bei uns im Underground », so Fimpel.

Während Binkert an neuen Druckmaterialien herum tüftelt, schaut sich die Kommunikationsmanagerin nach grösseren Räumlichkeiten um. Zwar versprühe der Keller seinen eigenen Charme. «Es hat etwas Mysteriöses an sich, wenn Kunden zu uns herunterkommen. Wir sind wie Bill Gates im Keller», sagen die beiden. Allerdings sei man jetzt an einem Punkt angelangt, wo es etwas Grösseres sein soll. Für den Start sei der Keller optimal gewesen. «Ein gutes Fundament», meint der Architekt dazu. 3D-Model ch will aber als Unternehmen wachsen und steht dazu mit Investoren in Kontakt. Binkert und Fimpel wünschen sich mehr Licht und vor allem mehr Platz, um neben der Werkstatt einen Showroom einzurichten. Damit Kunden die 3D-Drucker in Produktion erleben können.

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Bild: Philipp Binkert und Christiane Fimpel.

Site web 3d-model.com

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