Switzerland Calling

Kommentar Will die Schweiz nicht zur Werbeprovinz verkommen, muss sie in ihren Kreativnachwuchs investieren, meint Luca Aloisi.

Kommentar Will die Schweiz nicht zur Werbeprovinz verkommen, muss sie in ihren Kreativnachwuchs investieren, meint Luca Aloisi.Lowe Schweiz ist vom Mobilfunkkonzern Orange zum Wettbewerb um eine internationale Imagekampagne eingeladen worden. Gewiss, mit zwei anderen lokalen Orange-Agenturen, Mother aus London und der Pariser BETC Euro RSCG, wartet dort harte Konkurrenz auf die Zürcher. Chancenlos sind die Schweizer aber keineswegs: In zwei früheren Pitches um kleinere internationale Aufträge desselben Kunden konnten sie sich jedenfalls durchsetzen. Bevor jedoch ein Entscheid fällt, werden die Vorschläge erst mal ausführlich getestet.
Diesen Zwischenschritt hat die Genfer Agentur Simko bereits hinter sich. Im Herbst entscheiden die Marketing-Verantwortlichen von Carlsberg, in welche Märkte sie das helvetische Konzept exportieren wollen. Einen siebenstelligen internationalen Etat zog kürzlich auch McCann-Erickson Schweiz an Land – für CityNightLine, eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn. Und globale Präsenz geniesst gegenwärtig gar die von Matter & Partner, Zürich, entwickelte Imagekampagne für No-vartis. Die Marktergebnisse des Posttests sind derart erfolgreich, dass sich der Chemiemulti entschieden hat, gleich die weltweiten Rechte zu kaufen. So weit ein Kurzrésumé aktueller Achtungserfolge der Schweizer Werbung.
Doch die Schokoladenseite trügt. So sieht man mit wachsender Sorge immer mehr Budgets von Schweizer Global Playern nach England, Frankreich oder in die USA abwandern, nehmen ausländische Agenturen an nationalen Pitches teil, derweil mit konstanter Regelmässigkeit hiesige Kreative an internationalen Wettbewerben leer ausgehen. Ganz zu schweigen von den längst verkümmerten und vergessenen, ehemals stilbildenden Schweizer Agenturnetzwerken. So gesehen, handelt es sich bei beispielhaften Erfolgsstorys, die wir in dieser Ausgabe genauer unter die Lupe nehmen, sicher nicht allein um Glücks-, aber dennoch um klare Ausnahmefälle.
Eigentlich besässen wir alles, was uns zur Konzeption europa- oder weltweiter Kampagnen befähigte, erklärte Dominique von Matt, Mitinhaber von JvM/Limmat und BSW-Präsident, vor we-nigen Wochen in der HandelsZeitung. «Eigentlich», denn gewachsene Werte wie das sehr hohe Schweizer Bildungsniveau (sieht man einmal über die Ergebnisse der Pisa-Studie hinweg) und unsere hervorragende Grafik-Tradition sind durch aktuelle Sparvorhaben in akuter Gefahr. Vollständig verschlafen haben wir – im Gegensatz zur publizistischen – zudem die Akademisierung der kommerziellen Kommunikation. Doch ohne Hochschulen keine Höchstleistungen. Mit Lippenbekenntnissen und Absichtserklärungen ist es da längst nicht mehr getan. Sonst wird «Switzerland calling» in der globalisierten Werbelandschaft künftig nur mehr als Hilfeschrei und nicht als trotzig-selbstbewusster Kampf- ruf wahrgenommen.
> Luca Aloisi, Ressortleiter Marketing

Plus d'articles sur le sujet