L'innocence perdue

Die Unschuld des Wirtschaftsjournalismus ist längst dahin.

Die Unschuld des Wirtschaftsjournalismus ist längst dahin.Weit zurück liegen die Zeiten, als die NZZ alleinige Hofberichterstatterin aus den Teppichetagen war und die wenigen übrigen Journalisten sich devot an die Sperrfristen und Wünsche der streng geregelten Wirtschaftskommunikation hielten.Inzwischen beschäftigt sich auch der Boulevard mit der Wirtschaft – mit aller Aggressivität, die dazu gehört. Kampagnen- und Thesenjournalismus sind ebenso an der Tagesordnung wie die Personifizierung von Unternehmen. CEOs beteiligen sich an der Wahl zum schönsten Manager (Cash). Dass dem Thema Wirtschaft heutzutage auch immer mehr Journalisten hinterherrennen, die den Unterschied zwischen
Makro- und Mikroökonomie nicht verstehen, verschärft die Problematik – Seriosität und Glaubwürdigkeit eines Berufsstandes stehen auf dem Prüfstand.
Das führt zu einem gespannteren Klima zwischen Publizistik und Wirtschaft. Gegenseitige Anschuldigungen häufen sich, so genannte Medienopfer werden zahlreicher. Zugleich nimmt auch die Kritik an kommunikationsunfähigen Unternehmen zu, die die Medien instrumentalisieren wollen – so der Befund einer Podiumsdiskussion der International Advertising Association (siehe Seite 16).
Das Schicksal des Wirtschaftsjournalismus ist wie kein anderer Medienbereich direkt mit der ökonomischen Entwicklung verquickt. Dies hat das Ende des Börsenhypes drastisch vorgeführt: Mit dem Crash der New Economy prasselte auf die Wirtschaftsblätter eine kalte Dusche nieder – das geschwundene Vertrauen in Firmen und ihre Führer hatte einen Vertrauensverlust gegenüber der Wirtschaftspublizistik zur Folge. Diesen Liebesentzug bezahlten Wirtschaftszeitungen und -zeitschriften mit sinkenden Auflagen.
Trotz alledem: Die Wirtschaftsberichterstattung ist vielfältiger und perspektivenreicher geworden – und damit werden oft schwer durchschaubare Themen für breite Bevölkerungsschichten attraktiv und verständlich.
Daniel Schifferle, Redaktor

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