Gadgets de la tante

Werbemittel Mit einem trendgerechten Merchandising versucht die NZZ, ihr Image zu verjüngen.

Werbemittel Mit einem trendgerechten Merchandising versucht die NZZ, ihr Image zu verjüngen.
Tradition ist bares Geld wert, speziell bei publizistischen Produkten. Und noch spezieller, wenn deren Name Weltruf geniesst. So scheint es nur konsequent, die Plache des Jubiläumszelts, in dem diesen Januar auf der Zürcher Sechseläutenwiese ihr 225ster Geburtstag zelebriert wurde, als «ein exklusives Stück NZZ-Geschichte» zu versilbern. Mit dem Erfolg der Aktion haben indes selbst deren Initianten nicht gerechnet: Die knapp 400 nach Vorbild der Szenemarke «Freitag» gefertigten und bloss in zwei Eigeninseraten annoncierten Tragtaschen waren innert 48 Stunden restlos ausverkauft.Statt 55 hätten die Unikate auch 100 und mehr Franken kosten können, glaubt Andreas Häuptli. Doch der Werbeleiter der NZZ wollte damit weniger Umsatz bolzen als «ganz spontan etwas Imagepolitur betreiben». Momentan ist man offenbar schon (oder noch?) zufrieden, wenn sich solche kalkuliert tiefpreisigen Gadgets über die Zielgruppe refinanzieren lassen. Das gilt auch für die aufblasbaren Gratisbleistifte, von denen in den letzten Wochen rund um den Zürichsee über 4000 Stück (inklusive Abokarte) unters Badevolk gebracht wurden. Dass die Rechnung auch hier aufgeht, liegt an der asiatischen Billigproduktion wie auch daran, dass die nun im NZZ-(Inserate-)- Shop erhältlichen Restexemplare immerhin drei Franken kosten.
Vorspuren für Nebengeschäfte?Die dort schon seit Jahren vertriebene klassische Merchandising-ware hingegen stammt von Caran d’Ache (Schreibgerät), Victorinox (Taschenmesser) oder Knirps (Schirme). Auch daran erkennt man den Kulturwandel, welchen die neuen Verkaufsartikel signalisieren: «Wie bereits mit unserem Jubiläumsevent Anfang Jahr wollen wir auch hier die Marke NZZ näher bei den Menschen positionieren», erläutert Marketingleiter Christoph Bauer die hinter den beiden Blitzaktionen steckende «Vitalisierungsstrategie». Die Frage, ob diese neue Kombination von Nutzwert und Spassfaktor nur zufällig mit der zunehmenden redaktionellen Farbigkeit des Hauptblatts koinzidiert, quittiert Bauer mit einem sibyllinischen Lächeln.
Auch das kürzlich öffentlich gemachte Sprach-«Vademecum» der NZZ entpuppt sich als Bestseller: Die ersten 2500 Exemplare dieses Dudens für die gebildeten Schweizer Stände sind jedenfalls längst vergriffen, die Zweitauflage laut Bauer auch bald. Bei einem Preis von 25 Franken ist diese in Füllerinseraten der NZZ-Publikationen wie auf nzz.ch kräftig beworbene Publikation gewiss weit mehr als nur kostendeckend. Gut möglich, dass angesichts solcher Erfolge auch die konservativeren Kräfte an der Falkenstrasse bald auf den Geschmack markenstärkender Zusatzerlöse kommen. Als Indiz hierfür lässt sich die Generalversammlung von letztem April deuten: Den Aktionären wurde der Geschäftsbericht damals statt im diskreten Couvert in einer trendigen Umhängetasche mit NZZ-Logo überreicht. Diese Sonderedition ist inzwischen in Serie gegangen und heute ebenfalls am Inserateschalter käuflich zu erwerben.
Kombination von Nutzwert und Spassfaktor: Das Jubiläumszelt der NZZ wurde zelegt und stückweise ans Publikum verkauft.

Oliver Classen

Plus d'articles sur le sujet