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Verlage Vieles spricht dafür, dass 20 Minuten schon bald ganz in Tamedia-Besitz über- geht – entsprechende Gerüchte, aber auch plausible Gründe.

Verlage Vieles spricht dafür, dass 20 Minuten schon bald ganz in Tamedia-Besitz über- geht – entsprechende Gerüchte, aber auch plausible Gründe.
In den letzten Wochen verdichteten sich die Hinweise, dass Tamedia und der norwegische Medienkonzern Schibsted über einen vorzeitigen Vollzug ihres vor 20 Monaten geschlossenen Pendlerzeitungsdeals verhandeln. Demnach befinden sich die temporären Joint-Venture-Partner in einem Finanzpoker, an dessen Ende für jene 50,5 Prozent an der 20 Minuten (Schweiz) AG, die via 20 Min Holding noch von Schibsted kontrolliert werden, laut gut informierten Kreisen eine Kaufsumme «um die 120 Millionen Franken» stehen dürfte. Wie nicht anders zu erwarten, dementieren die beiden börsenkotierten Parteien jegliche solche Gespräche. Auch Martino Bammater, VR-Präsident des Objekts der Begierde, «kann die Spekulationen nicht bestätigen».Zur Erinnerung: Am 21. März 2003 übernahm Tamedia über ihre Tochter Express Zeitung AG in einem ersten Schritt 49,5 Prozent des Pendlerblatts, damals für geschätzte 15 Millionen Franken (exklusive des 11 Mio. Franken teuren «Express»-Manövers). Gemäss Kontrakt gehen auch die restlichen Anteile an Tamedia – je 20,25 Prozent Ende 2005 und Ende 2006. Für wie viel wurde von dem im betreffenden Jahr erzielten Unternehmenserfolg abhängig gemacht? Bei Vertragsschluss taxierten Fachleute das Gesamtvolumen der Transaktion noch auf rund 70 Millionen; heute scheint 20 Minuten schon doppelt so viel wert zu sein (siehe Interview rechts).
St. Gallen als Deadline
Verantwortlich für diesen – vom bisherigen wie auch dem künftigen Eigentümer sicher unerwarteten – Quantensprung ist die Performance von 20 Minuten im Leser- und im Anzeigenmarkt. Auf Basis der verfügbaren Daten schätzt Scott Weldon, Medienspezialist bei der Privatbank Lombard Odier, dass der laut Tamedias Hauszeitschrift Doppelpunkt auch intern «Vom Underdog zum Abräumer» aufgestiegene Gratistitel bei einem Umsatz von etwa 50 Millionen Franken 2004 dank vergleichsweise tiefer Fixkosten bereits einen zweistelligen Millionengewinn erwirtschaften könnte, Tendenz weiter steigend. Je länger Tamedia also wartet, desto teurer wird der vermeintliche Juniorpartner des Tages-Anzeiger.
Ein anderes Argument für die vorzeitige Übernahme ist der Umstand, dass Schibsted ungeachtet der Besitzverhältnisse bis Vertragsende die Kontrolle im siebenköpfigen Verwaltungsrat behält, als Verkäufer an längerfristigen Investitionen aber kaum interessiert sein dürfte. Eine solche steht mit der für nächsten Frühling angekündigten Expansion nach St. Gallen jedoch an. «Dieses Projekt wäre eine plausible Deadline für Verhandlungen», meint denn auch Weldon. Zudem quittiere die Börse Unsicherheit grundsätzlich negativ, «besonders bei Produkten mit solchem Wachstumspotenzial», so der Analyst gegenüber der Werbewoche.
Interner Tagi-Konkurrent?Überdies hat Tamedia mit der Regionalisierung und dem für Herbst angekündigten Relaunch ihres (bald wohl nur mehr publizistischen) Flaggschiffs nächstes Jahr schon zwei kapitalintensive Unsicherheiten. Ein Grund mehr, den Deal mit den Norwegern beizeiten über die Bühne zu bringen. Das leuchtet auch dem oben zitierten VR-Präsidenten von 20 Minuten Schweiz ein.
Doch Bammater bleibt dabei: «Wir haben keinerlei Veranlassung, vom ursprünglichen Zeitplan abzurücken.» Das glaubt man gern, denn «wir» steht hier natürlich für Schibsted, dessen Zürcher Sachwalter er letztlich ja ist. Zudem gehört Bammater vermutlich zu jenen Leuten, die von den 2 Prozent der 20 Min Holding profitieren, welche Schibsted fürs Top-Management reserviert hat. Kein Wunder, kommt für ihn ein vorgezogener Totalrückzug der Norweger aus der Schweiz nur dann in Frage, «wenn der Preis sensationell hoch ist». Der Ball liegt also bei seinem VR-Vize, Tamedia-CEO Martin Kall.
Tagi im Schlagschatten: 20 Minuten ist auf dem Kurs zum finanziellen Flaggschiff von Tamedia.
Oliver Classen

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