Leibblatt für Sternkinder

Zeitschriften Ariane Dayer treibt den Retro-Trend auf die Spitze: Die Vorbilder ihres Magazins Saturne stammen aus den Sechzigern – des 19. Jahrhunderts.

Zeitschriften Ariane Dayer treibt den Retro-Trend auf die Spitze: Die Vorbilder ihres Magazins Saturne stammen aus den Sechzigern – des 19. Jahrhunderts.«Zeitschriften dürfen die Leser heute nicht mehr mit News bombardieren wie das Fernsehen», sagt Ariane Dayer. Als ehemalige Chefredaktorin von Ringiers Politmagazin L’Hebdo weiss sie, wovon sie spricht. In einer überinformierten Gesellschaft müsse die Magazinpresse von der Aktualität zurücktreten, ist Dayer überzeugt. Gefragt seien subjektive Titel mit starker Persönlichkeit.Diese Einsicht setzt Dayer mit dem neuen Magazin Saturne radikal um. Schon das Format fällt aus dem Rahmen: Quadratisch mit rund
30 Zentimeter Kantenlänge, sticht es klar aus dem üblichen Kiosk-Allerlei heraus. Fotografien gibt es weder auf der Titelseite noch im Heftinnern: Saturne wird ausschliesslich von einer Gruppe von jungen Zeichnern aus dem Umfeld der Comicszene illustriert.
Die alle zwei Wochen erscheinende Zeitschrift befasst sich thematisch mit drei Themen: Information, Poesie und Satire. Trotz Dayers Entschleunigungsidee orientieren sie sich auf ihre Weise an der Aktualität. Unter Information werden vor allem Menschen präsentiert, die wichtige Ereignisse als Zeugen miterlebt haben. Die Poesie steht jeweils unter einem aktuellen Motto. «Wenn etwa Alinghi den America’s Cup gewinnt, heisst unser Thema Wind», erklärt die Chefredaktorin. Dass Satire – gezeichnet oder geschrieben – sich mit der Gegenwart befasst, versteht sich fast von selbst.
Mondfinsternis als Patin
Zu diesem Konzept inspirieren liess sich Ariane Dayer von Zeitschriften aus dem französischen Second Empire, der Herrschaft Napoleons II. von 1852 bis 1870. «Mein Lieblingstitel aus dieser Zeit ist L’Eclipse (die Mondfinsternis)», schwärmt Dayer. «Diese Zeitschrift entstand als Reaktion auf La Lune, dann gabs noch Le Soleil … all diese Namen von Himmelskörpern schienen mir unendlich schön und poetisch. Darum habe ich mich für Saturne entschieden.»
Dayer finanziert das Magazin aus der eigenen Tasche, zusammen mit den Investoren François Longchamp und Daniel Salzmann. Sie erfüllt sich damit einen Traum. Doch welche Leser sollen mit ihr träumen?
«Unsere Leserschaft ist urban und modern», definiert Dayer. Informierte Leute, engagierte Bürger mit einem gewissen Niveau bei Bildung und Einkommen. Leute, die auf ein Magazin warteten, das sie besser atmen lasse und Freude und Lachen bringe. «Sie haben die Füsse in der Stadt und den Kopf in den Sternen.»
Bei so viel Poesie ist es vielleicht verständlich, dass Ariane Dayer nicht auf den Businessplan oder den Gang des Werbegeschäfts für die erste Ausgabe eingehen wollte. Bekannt ist: Saturne erscheint am 5. März erstmals mit einer Auflage von 30000 Exemplaren. Das Magazin umfasst 24 bis 28 Seiten und wird für 6 Franken am Kiosk verkauft. Produziert wird es von sechs Festangestellten und einer Reihe freier Mitarbeiter. Die Anzeigenleitung übernimmt Faridée Visinand.
Retro-Feeling: Ariane Dayer.
Anderes Format, anderer Inhalt: Saturne hebt sich vom Zeitgeist ab.
«Das grosse Übel» Saturne hat seinen Namen vom zweitgrössten Planeten des Sonnensystems. Heute vor allem für seine auffälligen Ringe bekannt, galt der Saturn der mittelalterlichen Astrologie als «das grosse Übel»: Er zeigte Unglück, Widerstände und Schwierigkeiten an, stand für Strafe, Alter und Tod.
In der modernen Astrologie wurde die Bedeutung Saturns zum Prinzip von Ordnung, Realität und moralischen Grenzen abgeschwächt.
Der Planet wurde nach Saturnus benannt, dem altitalischen Gott der Saat und Fruchtbarkeit. Die Römer setzten Saturnus mit dem
griechischen Kronos gleich, dem Vater des Zeus. Er war der Herrscher der Götter, bevor sein Sohn ihn entthronte und in die Unterwelt stiess. (sm)
Stefano Monachesi

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