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Kinderzeitung Die Erstausgabe von Cracks for Kids überrascht mit innovativen Bild-Text-Lösungen und relativer Anzeigenarmut.

Kinderzeitung Die Erstausgabe von Cracks for Kids überrascht mit innovativen Bild-Text-Lösungen und relativer Anzeigenarmut.Nach der Weltwoche hat sich die WochenZeitung eine weitere Lieblingsfeindin auserkoren. Diesen Schluss legt jedenfalls das mit «Öhrli Bränding» überschriebene Editorial der weihnächtlichen Sondernummer «WoZ für Kidz» nahe. Dort mutmasst das konsumkritische Zentralorgan, die vergangenes Wochenende erstmals erschienene Kindersonntagszeitung Cracks for Kids (CfK) werde wohl statt seriöser Publizistik bloss Jugend gefährdendes «Early Branding» betreiben.«Viel Feind, viel Ehr’», kommentiert CfK-Verleger René Gehrig diese prophylaktische, politisch gewiss überkorrekte Warnung. Und: «Wir liefern den Kids ein Bild der realen Welt, und die ist nun mal nicht werbefrei.» Tatsächlich wird die 24-seitige Pilotnummer zu drei Vierteln redaktionell bestritten, die restlichen sechs Seiten sind zum grossen Teil (noch) Eigenanzeigen. Vorerst also kein Grund zur Markenmanipulationspanik.
In Sachen Kommerzialisierung dürfte CfK bis auf weiteres irgendwo zwischen seinen Mitbewerbern liegen, dem neuerdings rentablen 20 Minuten und dem hochdefizitären, weil anzeigenfreien Spick. Ähnliches gilt für die Preispolitik: Nach der dreiwöchigen Einführungsphase (siehe Kasten) kostet die vierte Deutschschweizer Sonntagszeitung im Jahresabo 98 und am Kiosk 2.50 Franken. Anfang Februar, wenn Gehrig seine Präsentationsrunde bei den Agenturen abgeschlossen hat, sollen und müssen die branchenüblichen 30 bis 40 Prozent bezahlten Seiten (zum Preis von je 9900 Franken) im Blatt sein. Sonst wird die Luft ab Mitte Jahr dünn für die Neugründung, deren Betriebskosten im 2004 etwa vier Millionen Franken betragen dürften.
Vom Bild zum Text zur Website
Doch vor der Etablierung auf dem Anzeigen- steht bekanntlich die Eroberung des Lesermarkts. Der originelle Themen- und Stilmix der Startnummer stimmt hier recht zuversichtlich. Die spannende Lawinen-Geschichte, das peppige Interview mit der «Bravo»-TV-Moderatorin Mia Aegerter und auch der vergleichsweise kritische Taschengeld-Report «Verschuldet mit 14» holt Nachwuchsleser inhaltlich wie sprachlich dort ab, wo 9- bis 15-Jährige zu Hause sind: in der Natur, in der Popkultur und den eigenen vier Wänden.
Am überraschendsten und überzeugendsten wirkt die enge Verzahnung von Bild- und Textelementen, wie sie das Aktualitätsressort «Wochenpanorama» mustergültig vorführt. Die mit erläuterndem Fussnotenapparat und weiterführenden Internet-Links versehene Comic-Collage gehört wohl zu den innovativsten Formaten, die der News-Journalismus in den letzten Jahren hervorgebracht hat. Da übersieht man beinahe das von seinen Erfindern als eigentliche Neuheit (an)gepriesene Schweizerinseratekreuz: Auf der Panoramaseite zwei und drei werden die vier Ecken als Inserateplatz belegt – das Layout im Innern gleicht dann einem Schweizerkreuz. Und dieses wird mancherorts ja scheints immer noch als Gütesiegel einer Qualitätszeitung angesehen.
Bunt und frech: Für die altersgerechte Aufbereitung der Informationen setzt die Kinder-WoZ (l. o.) auf Comics, Cracks for Kids eher auf fotografische Umsetzungen.
«Häppchenlektüre für die nächste Generation von Konsumenten»Bunter, knalliger, die Texte etwas kürzer, ansonsten kommt einem alles bis zum Überdruss bekannt vor, was Cracks for Kids bietet. Die Zeitung, die Kinder und ihre Fragen ernst nehmen will, kommt mit einer verblüffenden Fantasielosigkeit daher: Klatsch, Sport, Multimedia und für jene, die nicht nur vor der Glotze hängen und vor dem Computer gamen, eine Geschichte über ein aktuelles Gesellschaftsthema (Schulden bei Jugendlichen) und eine Seite über den Winterschlaf im Tierreich, auf der so wenig zu erfahren ist, dass jeder Fünfjährige ins Gähnen gerät. Die so genannten «News», die auf kindergerechte Art vermittelt werden wollen, sind bereits kräftig angegraut: Wer sich explizit an Kinder wendet, die sich im Internet
wie in ihrer eigenen Hosentasche auskennen, dürfte eigentlich keine wochenalten Flugzeugabstürze melden. Die gewohnte Erwachsenenperspektive wird konsequent durchgezogen, und Orientierung im Informationsdschungel, die für Kinder so wichtig wäre, bietet die Zeitung auch nicht. Anstatt die Kinder zu eigenen Gedanken anzuregen, werden die abgestandensten Medientrends noch einmal wiedergekaut. Kurz: Häppchenlektüre für die nächste Generation von stromlinienförmigen Konsumenten.
Christine Lötscher, Kinder- und Jugendbuchredaktorin Tages-Anzeiger
«Bitte mehr Comics»Manon: «Meine Meinung: Mir gefiel die Zeitung sehr gut, weil es sehr interessant war. Doch ich würde noch mehr Comics hinein tun, weil auch sehr viele Kinder 20 Minuten (Zeitung) nur wegen den Comics lesen. Was ich auch noch ändern würde: Dass man die Wörter etwas unkomplizierter wählt. Doch sonst hat es mir sehr gut gefallen.»
Leonie: «Mir gefällt die Zeitung gut. Ich finde auch die Themen gut, zum Beispiel Tiere im Winter, Elefanten, Handys oder was über Mia. Ich finde es auch toll, dass eine ganze Seite über Rätsel ist.»
Frank: «Eine hervorragende Businessidee, der ich von Herzen einen grossen Erfolg wünsche. Nicht zuletzt auch, weil ich dank Cracks for Kids in Ruhe die SonntagsZeitung, den SonntagsBlick und die NZZ am Sonntag lesen kann.»Blattkritik von Manon, Leonie und Frank Bodin, CEO Euro RSCG
«Note 6 für die Idee, für die Umsetzung vorerst Note 4»Die Vorstellung, der Nachwuchs widme sich am Sonntag ebenso ausdauernd und gerne der Zeitungslektüre wie
die Grossen, ist erfreulich und lässt auf mehr sonntägliche Harmonie hoffen. Auch die Idee, eine Wochenzeitung für
Kinder zu machen, verdient Lob und Anerkennung. Schliesslich klagen alle Verlage seit Jahren über die mangelnden jungen Leser, haben aber keine befriedigenden Lösungen geboten. Wer aber als Kind schon jede Woche mindestens einmal zur Information im Zeitungsformat greift, hat sicher als Erwachsener einfacheren Zugang zu diesem Medium.
Schade ist deshalb, dass die erste Ausgabe von Cracks for Kids eher seicht ausfällt und eher an einen Videoclip erinnert als an eine Zeitung. Der Themenmix ist eher dürftig, die Unterhaltungsthemen überwiegen, die Infothemen sind sehr simpel gehalten. Hatte man Angst, die Zielgruppe zu überfordern? Seltsam eigentlich, ist doch der Spick, den der Verleger vor Cracks for Kids betreute, bekannt für seine zwar kindgerechte, aber dennoch prägnante und bissige Sprache und die anspruchsvollen Themen.
Ein etwas ausgewogener Mix, eine Orientierung an den eher älteren Kindern (die jüngeren streben lieber nach oben als die älteren nach unten) und eine etwas anspruchsvollere Sprache: So hat Cracks for Kids im Kindermarkt sicher eine Chance – und Eltern haben die Aussicht auf einen harmonischen Sonntagsbrunch.Markus Mettler, BrainStore
Innovative VertriebskanäleVon den ersten drei Nummern der weltweit ersten Sonntagszeitung für Kinder werden bei Ringier in Adligenswil jeweils 90000 Exemplare gedruckt und dann gratis verteilt. Dies einerseits von eigenen, samstags vor den neun Deutschschweizer Mediamärkten positionierten Kolporteuren und andererseits von den rund 600 Aussendienstmitarbeitenden
der Zürich Versicherungen, dem zweiten der drei Longterm-Partner von CfK (WW 40/03), als Kundengeschenk bei Hausbesuchen. Weitere 2000 Stück liegen in den Filialen von Orell-Füssli auf. OF erstellt für CfK exklusiv eine Kinderbuchhitparade. Die übrigen 40000 Exemplare gehen an die Deutschschweizer Kioske. Nach diesem Anfangseffort rechnet Verleger René Gehrig damit, dass sich die Auflage «irgendwo zwischen 40 000 und 60 000» einpendelt. (oc)
Oliver Classen

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