Gérants, écoutez les signaux !

Wirtschaftspresse Abonnenten erhalten die Oktobernummer der Bilanz auch als digitales Audiomagazin. Ob der von Sunrise gesponsortePilot in Serie geht, sollen Leser entscheiden.

Wirtschaftspresse Abonnenten erhalten die Oktobernummer der Bilanz auch als digitales
Audiomagazin. Ob der von Sunrise gesponsorte
Pilot in Serie geht, sollen Leser entscheiden.
Wer nicht lesen kann, soll hören. Das erste Schweizer Wirtschaftsmagazin zum Hören richtet sich indes weder an Blinde noch an Analphabeten, sondern im Ge-genteil an Führungskräfte, die auf mehrseitige Hintergrundartikel (wie etwa den monatlichen «Mann der Woche») trotz Zeitnot nicht länger verzichten wollen. Für Verlagsleiterin Uli Rubner ist die neue Bilanz-CD denn auch «das ideale Begleitmedium für die Auto- oder Zugfahrt zwischen zwei Terminen»; und für Sponsor Sunrise, dessen «Corporate-Jingle» die einzelnen Beiträge trennt, offenkundig eine willkommene Image-politur.Beigelegt wird die kostenlose, von Ex-Tele-24-Moderator Christian Handelsman sonor besprochene Silberscheibe der 37000 Exemplare starken Abo-Auflage. Weitere 8000 Tonträger gehen an die Geschäftskunden von Sunrise, zusammen mit deren Kundenmagazin und einer Abowerbung für die Bilanz. Mit diesem akustischen Added Value hofft Rubner, den Abonnentenstamm erweitern respektive den «momentan etwas hohen LpA-Wert» drücken zu können. Zu diesem Zweck lockt die erste Hör-Bilanz ausser mit ausgewählten, grossen Textbrocken wie der Centerpulse-Geschichte «Operation Hüftschuss» auch mit einem kleinen Bonus-Track: Noch-Chefredaktor Medard Meier präsentiert sich beziehungsweise sein Editorial für einmal in Interviewform.Abgesehen von der unüberhör-baren Präsenz von Sunrise Business Solutions ist das einstündige, von der Below-the-line-Agentur Additiv konzipierte Gadget werbefreie Zone. Wie viel den Jean Frey Verlag dessen Erstauflage kostet, mag Rubner nicht sagen, ergänzt aber, dass sie mit der finanziellen Beteiligung ihres Telekom-Gönners «sehr zufrieden» ist. Und dass es vom Ergebnis einer direkt auf den Versand folgenden Leserbefragung abhängt, ob und wie dieses Experiment fortgeführt wird.
NZZ Folio kein Vorbild
Erfahrungen mit der Vertonung journalistischer Qualitätsinhalte und deren Vertrieb sammelte das NZZ Folio bereits vor zwei Jahren. Auf Anregung und Kosten einer (unterdessen eingegangenen) CD-Produktionsfirma wurden damals vier digitale Akustikausgaben der Monatsbeilage erstellt und via eigener Website und einigen wenigen Inseraten im Mutterblatt annonciert – allerdings zu Ladenpreisen. Dass die Übung schnell wieder abgeblasen wurde, lag laut Verlagsleiter Ueli Oswald jedoch weder am Preis noch an der bescheidenen Bewerbung. «Das Folio richtet sich an bekennende Leser, da passt ein solches Zusatzprodukt einfach schlecht ins Konzept.»
Es ist also kein wirkliches Versäumnis, wenn die Bilanz-Chefin diesen unausgereiften Versuch der NZZ «nicht näher studiert» hat, wie sie freimütig gesteht. Genau beobachtet hat Rubner hingegen die Audio-Grossoffensive des Hamburger Wochenblatts Die Zeit (WW 24/03). Deren jeweilige Highlights aus allen Ressorts kann man sich seit drei Monaten als MP3-Files aus dem Internet runterladen. Ergänzt wird dieses für Nicht-Abonnenten bald kostenpflichtige Angebot neuerdings durch monatliche Best-of-CDs, die einzeln zurzeit zwölf und im Halbjahresabo 50 Euro kosten.
Weltwoche im MP3-Format?
Beide Modelle hält Rubner, die ja auch die Weltwoche kommerziell verantwortet, «für prinzipiell durchaus übertragbar» auf das wieder erstarkte Intelligenzorgan des Jean-Frey-Verlags. Erwägen will sie eine Ausweitung oder Differenzierung des Audio-Engagements indes erst nach einem positiven Feedback aus der nächste Woche anlaufenden Leserbefragung. Freilich sollte die Verlegerin dabei erwägen, dass die Bilanz ein ungleich älteres und weniger
experimentierfreudiges Publikum anspricht als die Weltwoche. Deren drastisch verjüngte und tendenziell trendbewusste Leserschaft scheint vielmehr geradezu prädestiniert für den Zeitgeist- und Community-Effekt einer Elitezeitschrift im MP3-Format. Und wie das Hamburger Beispiel zeigt, liesse sich mit dem Vertrieb mobiler Abspielgeräte ganz nebenbei auch noch zusätzliches Geld verdienen.
Beim Leser-Plebiszit zum Audiomagazin ist NZZ Folio durchgefallen: Der Bilanz-CD steht der Markttest erst bevor.
Oliver Classen

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