Beaucoup de travail pour le baquet

MEDIA RELATIONS Wohl in keiner Kommunikationsdisziplin wie in den Media Relations wird so unprofessionell gearbeitet und mit grossem Arbeitsaufwand so viel Müll produziert. Die Gründe sind zahlreich: es fehlen clevere Strategien und Konzepte, handwerkliches Können, multimediales journalistisches Denken – und das Gespür für relevante Storys. Die meisten PR-Texte landen im Papierkorb.VON NORBERT WINISTÖRFER*Sie nerven Medienschaffende […]

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Die meisten PR-Texte landen im Papierkorb.DE NORBERT WINISTÖRFER*Sie nerven Medienschaffende täglich mit unverwertbarem Inhalt: die Kommunikationsabteilungen in Unternehmen, Organisationen und Verwaltungen. Sie produzieren Unmengen von Texten, von denen je bis zu 75 Prozent per Mausklick gelöscht oder im ungeöffneten Couvert im Papierkorb landen. Unternehmen verschwenden so knappe Arbeitsressourcen und werden zur Belästigung gestresster Medienschaffenden. Woran fehlt es? An vielem.Die Erkenntnis, dass das PR- und Mediensystem voneinander abhängen und sich gegenseitig befruchten, wird offensichtlich im Marketing und der Unternehmenskommunikation falsch interpretiert. Befruchtend kann ein Angebot in dieser eh konfliktträchtigen Zweierbeziehung nur sein, wenn sich der Empfänger dafür interessiert. Die Aufmerksamkeit der Journalisten zu wecken, ist deshalb die erste hohe Hürde für Anbieter von Unternehmensinformationen. Am Beispiel von 20Minuten heisst das: unter den täglich 1500 bis 2000 eingehenden E-Mails im Redaktionsordner mit seinem Themeninput aufzufallen und eine Publikation auszulösen.Die meisten Medienstellen verstehen sich nach wie vor als Themenhüter und nicht als Verkäufer spannender Storys. Nur so ist zu erklären, dass die Mehrheit der ins Mediensystem eingespeisten Informationen kaum Nachrichtenwert aufweisen. Dass Titel und Statements vor TV-Kameras die Medienkonsumenten nicht ansprechen, weil sie zu abstrakt, zu sachlich, zu kompliziert formuliert sind. Dass Unternehmen im Zeitalter des Kurzfutter-Journalismus den Medien ihre Informationen nicht modularisiert anbieten: einen Haupttext mit attraktiven Infoboxen ergänzen, die Nebenaspekte, Kurzportraits und -interviews oder nutzwertigen Leserservice enthalten. Ein solches opulentes Menu kann Journalisten verführen.Noch verführerischer wird den Medien zur Verfügung gestellter Content, wenn dieser visualisiert wird. Zum Beispiel mit einzigartigen Bildern ohne werberischen Charakter, mit aussagekräftigen Infografiken, Tabellen, Video-Clips, Podcasts. Alles in publizierbarer Qualität und auf der Homepage frei zugänglich. Vieles davon fehlt im News-Angebot der Unternehmen an die Redaktionen. Damit verpassen sie die Chance, im Kampf um den beschränkten redaktionellen Raum die Konkurrenz auszustechen – die sich zur gleichen Zeit mit ihren Themen ebenso um massenmediale Publizität bemüht.Auf der Redaktion «positiv auffallen» muss die Devise lauten. Dazu zählt auch die standardkonforme formale Aufbereitung von Medientexten. Insbesondere KMU und Nonprofit-Organisationen outen sich hier oft als Laien. Da fehlen in Medienmitteilungen die Abbinder (kurzer Infotext zum Absender), Kontaktdaten, weiterführende Links. Zudem werden die Grundregeln der journalistischen Sprache missachtet, Werbe- mit Nachrichtensprache verwechselt, Fachwissen und -vokabular vorausgesetzt, medienspezifische Textlängen ignoriert. So kann zum Beispiel die Textmaske einer SDA-Meldung im Titel maximal nur 67 und im Lead 267 Zeichen enthalten. Ein übliches SDA-Bulletin ist zudem nur 3400 Zeichen lang. Wer Solches ignoriert, zwingt Journalisten zum Umschreiben der Originalmeldung.Nur wenige Unternehmen betreiben massgeschneiderte Medienarbeit. Sie produzieren lieblos eine einzige Medienmitteilung und senden diese einfach allen Redaktionen auf ihrem Medienverteiler. Das ist in den meisten Fällen reiner Spam, denn Print-, Online-, Radio- und TV-Redaktionen haben unterschiedliche Bedürfnisse.Der Profi in der Medienarbeit bereitet seine nachrichtenwertigen Informationen zielmediengerecht auf und nutzt dabei verschiedene Publikationsplattformen. Der Gratisanzeiger erhält dann einen längeren Artikel mit Bild und Infobox, der Text für die Regionalzeitung betont den Ortsbezug, die Online-Redaktion kriegt einen Online-Kurztext mit Links, Bildstrecke und Video. Dem Regionaljournal wird die sonore Stimme des CEO angeboten, das Regional-TV bekommt eine Dreherlaubnis in der Produktion und ein knackiges Statement des Marketingleiters. Zudem entsteht ein Hintergrundbericht fürs Branchenmagazin sowie eine Kurzmeldung für ein Community-Portal. Das gleiche Thema wird dadurch aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, enthält andere Schwerpunkte und dramaturgische Strukturen. Sicher: Eine solche Massarbeit ist aufwändig, erhöht aber die Publikationschancen.Ausschlaggebend für eine Publikation ist und bleibt aber immer das mediale Potenzial des Themas. Interessiert es die angesprochene Zielgruppe? Wer es zudem versteht, seine Medieninhalte zu boulevardisieren, hat nochmals höhere Abdruckchancen. Konkret heisst das: Informationen emotionalisieren, personalisieren, komprimieren, visualisieren, inszenieren. Also weniger trockene Hard Facts liefern, dafür mehr Softnews. In diesem Fall steht nicht mehr eine nackte Gewinnzahl im Titel einer Medienmitteilung, sondern das Zitat eines stolzen CEO, das er auch ohne zu stottern in die laufende Kamera sagen kann. Und er liefert die Details wie es möglich ist, in einer krisengeschüttelten Branche erfolgreich zu sein. In dieser Geschichte sprechen sichtbare Menschen über Gefühle, gibt es Helden – und die Konkurrenz als Verlierer. Es ist das uralte journalistische Strickmuster, Inhalte spannend zu vermitteln. Das nennt sich Storytelling.Dieses journalistische Denken und Handeln ist in vielen Kommunikationsabteilungen noch zu wenig vorhanden – oder wird durch interne Prozesse und Weisungen von hierarchisch höher gestellten Nicht-Kommunikationsfachleuten unterbunden. Hier braucht es intern mehr Aufklärungsarbeit, wie wirkungsvoll und reputationsfördernd Medienarbeit sein kann. Dazu muss sich diese aber an den übergeordneten Kommunikationszielen der Organisation orientieren. Das tut sie längst nicht immer.Zielgerichtete Medienarbeit erfordert strategisches Denken, systematische Planung, fundierte Kenntnisse des fragmentierten Mediensystems und -konsums sowie ein ständiges Themen-Monitoring. Welche Themen sind in den Medien? Hat das Unternehmen dazu etwas zu sagen? Über welches Medium lassen sich Zielgruppen mit multimedialem Storytelling am besten erreichen?In der heutigen Medienarbeit liegt der Hauptfokus auf den schnellen elektronischen Medien, den veränderten Arbeitsprozessen in den News-Rooms sowie dem Einbezug sozialer Medien. Mit dem gezielten Einspeisen von Unternehmensinformationen über Blogs, Twitter und Facebook lässt sich subtiles Agenda-Setting bei Journalisten betreiben.In vielen Unternehmen ist die Medienarbeit heute noch zu stark auf die trägen Printmedien fixiert. Man ist dann überrascht, dass ein News-Room-Journalist beim Zeitungsinterview mit dem Smartphone gleich noch ein Video und Fotos macht. Es wird ignoriert, dass der Artikel in der Zeitung keine Resonanz auslöst, weil die angesprochene Zielgruppe gar nicht mehr Zeitung liest. Sie überfliegt dafür nur wenige Minuten nach dem Interview die Aussagen in Wort, Bild und Ton in den Online-News. Das führt im positiven Fall zu Likes und Shares. Oder zu reputationsschädigenden Kommentaren. In dieser neuen Welt der Media Relations, sind noch nicht alle Unternehmen angekommen.

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