Some hum, many sleep
Eine erste Erhebung der Werbewoche zum Videomarketing von Schweizer Marken auf YouTube zeigt, dass einige bereits erfolgreich unterwegs, die meisten aber noch kaum aktiv sind.
200 gingen an den Start. Ausgewählt wurden diese Schweizer Markennamen ziemlich beliebig (wenn auch nicht nach wissenschaftlichen Kriterien zufällig) aus entsprechenden Verzeichnissen. Einzig Marken von Medientiteln wurden ausgenommen, da hier, anders als bei den übrigen Unternehmen, Kommunikation recht eigentlich der Unternehmenszweck ist. Das war im letzten Herbst, und seither wurden täglich Daten erhoben (die über eine Programmschnittstelle frei zugänglich sind). Jetzt, nach gut zwei Monaten oder exakt 69 Tagen, kann eine erste Zwischenbilanz gezogen werden: Wie performen Schweizer Marken auf YouTube?
Die Hälfte fehlt
Erste Erkenntnis: Von der Hälfte der ausgewählten Markennamen liess sich auf YouTube keine Spur finden. Dies, nachdem Irrlichter aus dem Rest der Welt aussortiert wurden, die – aus welchen Gründen immer – einen Schweizer Markennamen im Titel haben. Gut möglich, dass da ein Unternehmenskanal nicht in die programmierten Fangnetze geriet – aber was soll ein Markenauftritt ohne den Markennamen? (Diese Frage kann etwa die Publisuisse beantworten, die in der Beobachtungsperiode ihren Kanal von ursprünglich «publisuisse» auf «Rainer Binggeli» umfirmierte – ein kurze Webrecherche ergab: Der Mann amtet dort als «Head of E-Channel»…)
Die Schläfer
Von den aufgefundenen gut 100 Markennamen ist bei deren 27 (also knapp einem Drittel) die Zahl der abrufbaren Videos unverändert geblieben. Dazu gehören Unternehmen, die auf ihrem Webauftritt ein paar Videos eingebunden und diese dazu bei YouTube parkiert haben – was kaum als Hinweis auf eine elaborate Videomarketingstrategie interpretiert werden kann. Stillstand gibts etwa beim Kanal der Ovomaltine Wander AG. Doch der Grund ist schnell klar: Seit dem Karriereende von Ski-Ass Didier Cuche hat sich unter den neuen Sponsoringträgern offenbar noch kein Videotalent als Nachfolger entfaltet. Oder es gibt Unternehmen, die offenbar ihren YouTube-Auftritt vergessen haben, wie beispielsweise die Feldschlösschen Getränke AG. Da finden sich der Grill-Spot 2012 für Biermarinaden in den drei Landessprachen sowie ein Filmchen über den Stand an der BEA des gleichen Jahres. Wer den eigenen YouTube-Kanal pflegt, entfernt veraltete Videos, was dazu führen kann, dass die Zahl der verfügbaren Videos sinkt. Das ist so bei neun Markenkanälen zu beobachten, wobei die meisten gute Zuwächse bei den Abrufzahlen ausweisen. Bemerkenswert ist auch, dass gut ein Drittel der beobachteten Kanäle den Titel ihres Kanals verändert, wenngleich oft nur geringfügig, haben – auch das ein Hinweis auf Dynamik und die Aufbruchstimmung, die derzeit beim Videomarketing vorherrschend ist.
Die Überflieger
Bevor die Top-Performer ausgewiesen werden, stellt sich die Frage nach dem entsprechenden Kriterium und mithin nach den relevanten Metriken in diesem Bereich. Dabei stehen diese Kennzahlen im Vordergrund:
Views: Wird ein Video gestartet, zählt das als Aufruf, und zwar unabhängig davon, ob nur eine Sekunde oder der ganze Clip angeschaut wurde. Das ist ein Nachteil. Kommt dazu, dass solche Clicks einfach manipuliert werden können (und seis nur, um die Sache mit den Videos beim Chef besser verkaufen zu können). Bis im August 2012 waren Views bei YouTube ein wichtiges Kriterium, das weiterhin nützlich ist, um die Popularität eines Videos oder eines YouTube-Kanals abschätzen zu können. Darauf basierend, ergibt sich im Werbewoche-Panel per Ende Februar folgende Rangliste:

Verweildauer (watch time): Das neue Königs- Kriterium basiert auf einer Schätzung, wie lange ein Video betrachtet wurde. Videos mit guten Verweildauer-Werten werden von YouTube bei Suchergebnissen und Empfehlungslisten höher eingestuft und haben es so leichter, eine grössere Reichweite zu erzielen. Angaben zur Verweildauer sind nicht frei zugänglich, sondern nur für den jeweiligen Kanalinhaber auf YouTube abrufbar. Wer Videomarketing ernsthaft betreibt, wird die Entwicklung dieser Messgrösse laufend verfolgen und versuchen, daraus die richtigen künftigen Vorgehensweisen abzuleiten.
Abonnenten (subscribers): Wer einen Kanal abonniert, erhält fortan eine Mitteilung, sobald ein neues Video hochgeladen wurde, und diese werden auch auf der persönlichen YouTube-Startseite angezeigt. Abonnenten sind die loyalsten Fans, und somit ist deren Zahl eine offensichtliche Kern-Messgrösse, vor allem auch wenn es darum geht, die Verweildauer zu verbessern. Denn Abonnenten schauen Videos oft länger an als Durchschnittsbesucher. Um die Verweildauer zu erhöhen, ist es deshalb wichtig, Abonnenten zu gewinnen. Dabei ist nicht nur die Zahl der neu gewonnenen Abonnenten wichtig, sondern auch die der abgesprungenen Abonnenten wird mit Vorteil laufend verfolgt und mit den neusten Videos in Zusammenhang gebracht wird. So wird klar, welche Videos zusätzliche Abonnenten gebracht und welche sie vergrämt haben. Oft beachtet wird auch das Verhältnis von Abrufen zu Abonnenten. Werden die eigenen Videos zwar oft angeklickt, generieren aber kaum Abonnenten, sollte das die Alarmglocken läuten lassen.
Im Werbewoche-Panel ergibt sich folgende Abonnenten-Rangliste:

Interessant ist die Liste mit den Kanälen, die in der Beobachtungsperiode am meisten Abonnenten dazugewonnen haben, denn viele Namen aus der oberen Liste mit der Anzahl der Abonnenten tauchen hier wieder auf, was auf einen Zusammenhang hindeutet.

Bindung (engagement): Abonnemente sind eine Form, wie das Publikum mit den Videos interagieren und seine Resonanz zum Ausdruck bringen kann. Auf YouTube können weitere Kenngrössen verfolgt werden: die Anzahl Likes (positiv oder negativ), wie oft wurde ein Videos zu den eigenen Favoriten hinzugefügt oder mit anderen geteilt, wie viele Kommentare gab es zu einem Video und welches sind die Hauptaussagen. Videomarketing wird kaum je allein betrieben, sondern im Verbund mit anderen Kanälen, weshalb etwa diese Aspekte im Auge behalten werden: Wie oft wurde über ein Video getwittert, wie oft wurde es auf anderen Sites (Blogs etc.) eingebettet, wie oft wurde die eigene Website wegen eines Videos aufgerufen und wie oft wurde deshalb ein Produkt oder eine Dienstleistung verkauft. Hat ein Produktvideo zwar eine vierstellige Zahl von Abrufen, aber keine weiteren Hinweise auf Engagement-Aktivitäten, so ist es wohl angezeigt, das eigene Vorgehen zu überdenken.
Die Vielproduzierer
Auch auf der Liste mit den Kanälen, die am meisten Videos produziert haben (sowohl insgesamt, wie in der Beobachtungsperiode), tauchen wiederum Namen aus den obigen Listen auf. Dies ist ein starker Hinweis, dass, wer viele Videos produziert, viele Abrufe und viele Abonnenten hat und somit wahrscheinlich eine erfolgreiche Videomarketing-Strategie verfolgt. Allerdings ist dies nicht zwangsläufig der einzige Königsweg: So gibts bei Roger Federer gerade mal einen Zuwachs um ein einziges Video, was problemlos für einen Spitzenplatz (1 185 329 Abrufe, +27 574 sowie 21 511 Abonnenten, +357) reichte.

Insgesamt steiles Wachstum
Die grosse Dynamik, die derzeit im Videomarketing steckt, zeigt sich bei der Auswertung der addierten Zahlen sämtlicher aktiver Kanäle in dieser Sondierung. Werden die Veränderungen aus den beobachteten 69 Tagen auf ein Jahr umgerechnet, ergibt sich bei den Abrufzahlen ein Wachstum um das gut Neunfache. Die Zahlen für hochgeladene Videos steigen knapp um das Sechsfache und die Abonnenten von Kanälen um gut das Sechsfache.
Christoph J. Walther

