Webästhetik findet Weg ins TV

Das Potenzial von Flash als Technologie fürs TV ist grösser als angenommen, aber nicht unendlich gross

Das Potenzial von Flash als Technologie fürs TV ist grösser als angenommen, aber nicht unendlich grossVon Clemens Hörler Die Programmiersprache Flash durchbricht die Grenzen ihrer krisengeschüttelten Onlineheimat und geht ins Fernsehen. Seit letzter Woche lockt auch Orange mit einem Flash-Spot die Schweizer TV-Zuschauer ins Habbo-Hotel und bringt Webästhetik auf den Fernsehbildschirm.
Macromedia Flash ist zu einem grossen Teil dafür verantwortlich, dass Bewegung ins Web gekommen ist. Der grösste Vorteil der vektorbasierten Programmiersprache: Um das Web zu animieren und emotionaler zu gestalten, braucht sie weder grosse Bandbreiten noch Ladezeiten. Auch die Onlinewerber haben das Potenzial von Flash längst erkannt, sei dies für Online-Marketingspiele, für Bannerwerbung oder für Unterbrecherfilmchen (Interstitials).
Travel24.com zum Beispiel hat für seine Onlinekampagne mit Flash animierte Kurzfilmchen und Werbebanner kreiert, die sich an die Motive der Offline-kampagne anlehnen. Das amerikanische Modehaus Bisou Bisou hat seine Werbekampagne mit einer dreiteiligen Onlinesoap in Flash (www.bisoulounge.com) unterstützt. Die mit Sound unterlegten Filme sind um Anzeigen herum aufgebaut und sorgen damit für einen einheitlichen Auftritt off- und online.
Flash klopft an die Tür der Fernsehmacher
Beide geschilderten Beispiele illustrieren den Einsatz von Flash in der Onlinekommunikation. Nun ist Flash allerdings dabei, die Grenzen seiner virtuellen Heimat zu durchbrechen und die Offlinemedien zu erobern. Das Zürcher Vegi-Restaurant Hiltl zum Beispiel machte bereits vor zwei Jahren mit einem Flash-Spot von Frame Eleven und Wirz Kinobesuchern den (fleischlosen) Mund wässrig.
In den USA und Grossbritannien flimmern mit Flash hergestellte Spots schon seit letztem Jahr über die Fernsehbildschirme. Und seit vergangener Woche ist auch auf Pro 7 Schweiz und Star-TV ein von RØSA, Zürich, produzierter Flash-Spot zu sehen, der vor allem junge chathungrige Internauten ins Habbo-Hotel von Orange Schweiz lockt.
Flash auf den Fernsehbildschirmen beschränkt sich jedoch keineswegs auf die Werbung. Auch Flash-Cartoons, von denen es im Web nur so wimmelt, finden ihren Weg in die Offlinewelt. MTV USA beispielsweise hat sich für diesen Herbst die Rechte am Web-Cartoon «Miss Muffy and the Muff Mob» der New Yorker Firma Bullseye Art Ltd. gesichert (www.bullseyeart.com/ website/).
Ursprünglich als reine Webfirma entstanden, hat sich Bullseye Art darauf spezialisiert, Cartoons für die On- und Offlinemedien zu produzieren. Auf Flash aufbauend, hat die Firma die Technologie Broadcast Flash entwickelt. Diese Technologie soll es ermöglichen, schnellere Bewegung in die Flash-Filme zu bringen und animierte Inhalte zu entwickeln, die ohne Qualitätsverlust in allen elektronischen Medien eingesetzt werden können. Bullseye Arts flashbasiertes Intro zur «Rosie O’Donnell Show» wurde vor einem Jahr sogar für einen Emmy nominiert (www.bullseyeart.com/rosie/).
Tiefe Produktionskosten und kürzere Produktionszeiten
Wichtige Impulse für die Expansion von Flash in die klassischen Medien kommen auch von der Musikindustrie. Mehrere Künstler haben für ihre Songs Flash-Videos produzieren lassen, die sowohl im Internet als auch im Fernsehen gezeigt wurden. Ein Beispiel dafür ist Duran Duran (www.duranduran.com) mit dem Song «Someone Else not Me».
Doch warum kommt überhaupt jemand auf die Idee, im Fernsehen eine Webtechnologie einzusetzen, die ziemlich flächig daherkommt und mit fünf bis zehn Bildern pro Sekunde (noch) keine allzu spektakulären Animationen zulässt? «Argumente dafür sind sicher die Geschwindigkeit, mit der ein Flash-Film produziert werden kann, und auch die tiefen Produktionskosten», erklärt Thomas Städeli, ein Mitinhaber von Frame Eleven, Zürich.
Laut Josh Kimberg, Chef von Bullseye Art, ist die Produktionszeit für einen Flash-Film etwa viermal kürzer als bei herkömmlichen Trickfilmmethoden mit ähnlicher Animationsqualität.
Doch nicht nur die schnelle und günstige Produktion ist für den Einzug von Flash in
die Offlinemedien verantwortlich. Flash zaubert auch eine Webästhetik auf den TV-Bildschirm, die man sonst nur im Internet erwartet. Flash-Filmchen und -Spots im Fernsehen heben sich vom restlichen Angebot ab und ziehen die Aufmerksamkeit der Zuschauerin und des Zuschauers auf sich.
Dieses Argument ist insbesondere für die Werbenden von hohem Interesse. Doch mit dem Überraschungseffekt könnte es bald einmal rasch vorbei sein: «Flash wird auch in der Offlinewerbung mehr Verbreitung finden, sobald die Werbenden die Möglichkeiten erkannt haben, die diese Technologie bietet», glaubt Städeli.
Flash als Grundlage für konvergente Werbung
Solange noch wenige Internetnutzer über Breitbandzugänge verfügen, bietet sich das leichte Flash als eine Grundlage für konvergente Werbung an. Diese besteht im Idealfall aus modularen, digitalisierten Bestandteilen, die in verschiedenen elektronischen Medien ohne kostspielige Anpassungen eingesetzt werden können.
Laut Marky Goldstein, CEO von RØSA, liegt diese Idee auch dem Habbo-Spot zu Grunde: «Das Material kann ohne grossen Aufwand für Bannerwerbung und Interstitials oder auch für einen Kinospot weiterverarbeitet werden.» Dadurch werden nicht nur die Produktionskosten gesenkt, der Werbeauftritt bekommt auch über alle einbezogenen Medien hinweg ein einheitliches Gesicht.
Trotz aller geschilderten Vorteile ist die Flash-Technologie für bestimmte Inhalte und Botschaften schlicht ungeeignet. «Reale und detailgetreue Bilder können mit Flash nicht gut dargestellt werden», erklärt Städeli. «Für die Darstellung von Bewegung muss man sich meist mit flächigen Elementen begnügen, detailgetreue Bilder sind derzeit vor allem als Hintergrund oder als kurze Einblendung möglich.» Den Animationsgelüsten der Kreativen und der Expansion von Flash sind also klare Grenzen gesetzt.

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