Teures Solothurner Filetstück

Die Berner Zeitung buttert mindestens zwei Millionen Franken in die Eroberung des Espace Mittelland

Die Berner Zeitung buttert mindestens zwei Millionen Franken in die Eroberung des Espace MittellandVon Markus Knöpfli Der Marketingaufwand, den sich die Berner Zeitung für die Lancierung ihres siebten Splits Solothurner Tagblatt leistet, ist erstaunlich: eine sechsmonatige Gratis-Frühzustellung, neun verschiedene Plakatsujets, TV- und Radiospots sowie Mailings für fünf verschiedene Zielgruppen.
Wo überall liest «man» Zeitung? Als Pendlerin am Bahnhof oder im Zug, als Handwerker oder Gewerbler beim Znüni, im Büro, Restaurant oder Strassencafé und als Durchschnittsbürger am Frühstückstisch, im eigenen Schlaf- oder Wohnzimmer – und bisweilen auch auf dem WC. Alle diese möglichen Leseorte bilden auch die Sujets für die Kampagne, die die Berner Zeitung (BZ) zur Lancierung ihres jüngsten Splits Solothurner Tagblatt (ST) gestartet hat.
Die neun Sujets, die alle aus der Kamera des Berner Fotografen Stefan Babst stammen, wurden mit dem Claim «Zeit für eine gute Zeitung» ergänzt und vielfältig eingesetzt: Auf B4-, B12- und B200-Plakaten, auf einem Faltprospekt sowie auf Antwortkarten, die allen Mailings beigelegt wurden, dann auf Bahn- und Bus-Dispensern sowie auf Kioskplakaten. Auch das ST ist abgebildet, versehen mit dem Anspruch, zur «täglichen Lebensfreude» der Solothurner werden zu wollen.
Konzept und Text für die Kampagne stammen von Bruno Blum von Blum und Partner Werbeagentur AG in Solothurn. Konzept und Text für die Direktmarketingmassnahmen gehen auf Daniela Camponovo von der bernischen Werbeagentur Camponovo und Partner zurück.
Apropos Mailings: Fünf verschiedene Zielgruppen wurden angeschrieben: Opinion Leaders, Gewerbetreibende, alle Bewohner von Solothurn, Biberist und Zuchwil (hier mit dem Hinweis auf Frühzustellung und wöchentliche Gratisentsorgung), jene der umliegenden Gemeinden (dort mit dem Hinweis auf Postzustellung, falls gewünscht) und die bestehenden 1500 BZ-Abonnenten in den Ämtern Lebern, Wasseramt und Bucheggberg. Letztere erhalten das ST vier Wochen lang gratis zusammen mit der BZ und können danach wählen, wie sie ihr Abo weiter behalten wollen.
Hohe Investitionen erfordert die Frühzustellung. Nach und nach soll sie von den drei Städten auch auf die umliegenden Gemeinden ausgedehnt werden. Und überall, wo sie neu startet, macht die BZ den Einwohnern ein Einführungsangebot. Ziel sei es, so Christopher Wehrli, Leiter PR bei der BZ und Projektleiter der ST-Kampagne, bis Ende 2002 mindestens 12000 Exemplare garantieren zu können.
Abonnenten bezahlen für das erste Jahr nur 165 statt 325 Franken. Doch bei der BZ hat man sich als zusätzliches Angebot ein Benefit-Model ausgedacht. Wer bis Ende November abonniert, kann sich von den 165 Franken 65 Franken auf das zweite Jahresabo gutschreiben lassen oder den Betrag einem karitativen Verein freier Wahl überweisen lassen. Wer sich erst im Dezember oder Januar für ein Abo entscheidet, dem stehen noch 45 Franken zur Disposition, im Februar und März sind es noch 25 Franken. «Diese Aktion ist mit den Bedingungen für die Wemf-Auflagebeglaubigung kompatibel», sagt Wehrli.
Ähnlich ideenreich versucht man Gewerbebetriebe zum Aufstellen von Dispensern für
ST-Flyer zu gewinnen. Abonniert jemand auf Grund eines in einem Geschäft bezogenen Flyers, erhält er oder sie nach dem gleichen Benefit-Model wie oben einen Gutschein für die betreffende Firma.
Zwei Millionen Franken Launch-Aufwand
Als spezielles Werbemedium hat das ST zudem Marroni-Tüten entdeckt. Gleich ein ganzer Jahresbedarf an Tüten wurde mit ST-Signeten bedruckt. Wer zudem in der Tüte ein aufgedrucktes Kleeblatt findet, erhält eine Gratisportion.
Die Marketingelemente sind für die bloss 12 000 zusätzlichen ST-Exemplare enorm vielfältig. Wehrli bestätigt: «Es ist das erste Mal, dass eine einzelne BZ-Splitausgabe einen völlig eigenständigen Werbeauftritt erhält.» Thuner Tagblatt und Berner Oberländer hingegen, die Anfang Jahr der BZ einverleibt wurden, wurden mit einer adaptierten Form der BZ-Kampagne willkommen geheissen.
Entsprechend tief dürften nun die Berner in die Tasche greifen: «Der Aufwand ist gross, nicht aber das Budget», sagt Wehrli. Vieles, selbst die Radio- und TV-Spots, seien quasi inhouse produziert worden. Die Gesamtkosten allein der Lancierungskampagne (ohne Frühzustellung) beziffert er auf «weit unter einer Million Franken». Und Albert P. Stäheli, VR-Delegierter der Espace Media Groupe, spricht von «netto weniger als zwei Millionen Franken, die wir im ersten Jahr beim ST drauflegen». Wer in ein neues Gebiet vorstosse, müsse schliesslich auf dem Markt Interesse wecken, sagte er. «Immerhin hat die BZ nun ihr Ziel erreicht: Seit dem 20. Oktober bedient sie den ganzen Espace Mittelland.»
Radio 32 lehnt Spots ab

Eigentlich hatte die BZ die Radiospots für das Solothurner Tagblatt auch bei Radio 32 gebucht. An Radio 32 hält das Druckunternehmen Vogt-Schild/Habegger indes einen Minderheitsanteil. Und Vogt-Schild/ Habegger publiziert die Solothurner Zeitung, die direkte Konkurrenz zum Tagblatt.
Doch am Montag, 22. Oktober, als der erste Spot hätte gesendet werden sollen, fand die BZ einen kurzen Brief von Thomas Denzel, Geschäftsleiter der Radio 32 Werbe AG, in der Post. Darin erteilte Denzel den ST-Spots eine Absage, indem er auf Artikel 2.5 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwies. Wörtlich heisst es darin: «Die Radio 32 AG behält sich vor, auch rechtsverbindliche Aufträge wegen ihrer Herkunft, Inhalt oder technischen Form zurückzuweisen.»

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