Ein Garten für eine neue Uhr

Euro RSCG hebt Traditionsuhr Carl F. Bucherer mit einer Markenwelt aus der Taufe

Euro RSCG hebt Traditionsuhr Carl F. Bucherer mit einer Markenwelt aus der TaufeVon Luca Aloisi Markenphilosophie statt Produktmarketing – das ist die Strategie, mit der die Bucherer-Gruppe ihre «neue» Uhrenmarke Carl F. Bucherer zum internationalen Erfolg führen will. Für die abgestimmte integrierte Kommunikation zeichnen die Zürcher Agenturen Euro RSCG und Pi Ar verantwortlich.
Da die Unternehmensgründungsrate konjunkturabhängig ist, kommt in der derzeitigen Flaute die Geburt einer neuen Schweizer Uhrenmarke selbst in der Hochburg der Edelticker einer Pioniertat gleich. Doch bei den Rahmenbedingungen für den Launch der beiden Uhrentypen – moderne Klassiker und Schmuckuhren ab 1000 beziehungsweise 5000 Franken in den Kernbereichen – mit der Marke Carl F. Bucherer fallen die konjunkturellen Voraussetzungen nicht so stark ins Gewicht.
Zum einen hält das Uhren- und Schmuckfachgeschäft Bucherer ein finanzielles Polster für einen ordentlichen Brandaufbau bereit, zum anderen schmiedet Marcel Hossli, Executive Marketing Manager, seit bald zweieinhalb Jahren an einem konsequenten Businessplan. Zudem geben die seit 1994 stetig gestiegenen Exporte der eigenen Uhrenkollektionen fundierte Zukunftsperspektiven.
Die Etablierung neuer Uhrenmarken wird schwieriger
Hauptziel ist es, mit der neuen Uhrenmarke für die Bucherer-Gruppe neben dem Detailhandel ein zweites strategisches Umsatzstandbein zu errichten. Aus dieser Absicht heraus und aus dem wenig bekannten Uhrenhersteller-Know-how ist vor zweieinhalb Jahren der Wunsch hervorgegangen, erstens diese über achtzigjährige Kompetenz besser zu nützen und zweitens mit den Mitteln der Bucherer-Gruppe einen international bekannten Uhrenbrand zu positionieren.
«Dabei nützen wir das in den Neunzigerjahren gestiegene Markenbewusstsein. Das sehen wir als Chance, weil der Kunde mit dem Kauf von Markenartikeln Sicherheit und Identifikation sucht. Also das, was wir in unserer Uhrenmarke anbieten wollen», sagt Hossli. Auch bei diesen Prämissen ist es heute schwierig, im hart umkämpften Uhrensektor einen neuen Brand nachhaltig anzusetzen.
Zudem drängte gerade im vergangenen Jahrzehnt eine Vielzahl an hochwertigen Uhrenmarken in den Markt, die dank der guten Konjunktur ziemlich rasch ihre Nischen und einen genug grossen Kundenkreis fanden. Doch während die damals ausgeweitete potenzielle Käuferschicht im weltweiten Konjunkturabschwung schrumpft, nimmt der Konkurrenzkampf um Käufer und Distributionskanäle mit zunehmender Konzentration in Luxusgüterkonzernen zu.
Und obschon die Schweizer Uhrenindustrie heuer im Vergleich zur Vorjahresperiode immer noch besser dasteht (plus 6,7 Prozent), dürfte der seit drei Monaten rückläufige Absatz besonders Marken im oberen Mittelfeld betreffen. Jenes Spektrum also, in dem Carl F. Bucherers Modellfamilien sich ansiedeln.
Ansprüche + Lebenseinstellung = Markenphilosophie
Weil man beim Produkt Uhr kaum Möglichkeiten hat, eine USP zu generieren, haben sich die Verantwortlichen entschieden, diesen in der Kommunikation herauszuschälen. «Unserer Meinung nach ist die Uhrenbranche gerade im wichtigen Kommunikationsbereich immer noch sehr konservativ», sagt Hossli und weiss nur von wenigen Marken wie zum Beispiel IWC, Rolex oder Patek Philippe zu berichten, die durch ihre eigenständigen Auftritte nicht nur das Produkt abheben, sondern dem Kunden auch ihre Wertvorstellungen kommunizieren.
Die meisten Hersteller betreiben Celebrity Endorsement oder Produktmarketing, das viel Design und Qualitätsanspruch vermittelt, aber kaum eine Markenerlebniswelt wiedergeben kann.
Was etablierte Marken wie Cartier dank ihrer in Jahrzehnten erreichten «Markenmagie» auf die Spitze treiben können, bietet für den Aufbau einer neuen Uhrenmarke in einem reifen Markt mit über 120 Marken kaum Differenzierungspotenzial. Deshalb wollen die Verantwortlichen für die Uhr der eigenständigen Bucherer-Unternehmenseinheit eine durchgehend neue und dauerhafte Uhrenmarkenwelt als Differenziator schaffen. «Wenn man als junge Marke erfolgreich sein will, muss man dazu Stellung nehmen, für was die Marke steht», erklärt Hossli die Ausgangslage und deutet auf die Werte hin, die Carl F. Bucherer verkörpert.
Mit der personifizierten Marke trägt das Schmuck- und Uhrenhaus den Pionierleistungen des gleichnamigen Gründers Rechnung und impliziert Markenwerte wie Erfolg, Wertbewusstsein und Innovationsfreude. Daran richtete man den Markenauftritt aus, der in seiner Umsetzung branchenunüblich sein will, um diese Besonderheit hervorzuheben.
So will Carl F. Bucherer seiner Zielgruppe nicht einfach eine Kollektion anbieten, sondern eine, laut Firmenangaben, «aus ihren Ansprüchen heraus entwickelte durchgehende Markenphilosophie, die ihrer Lebenseinstellung voll entspricht». Dass dem Detaillisten dabei die langjährige internationale Tätigkeit für ein fundiertes Gespür für Marktentwicklungen zugute kommt, liegt auf der Hand.
Komplexer als solche Formulierungen waren das Generieren einer Erlebniskonzeptidee und das Ableiten eines Schlüsselbildes. Die Kernzielgruppe wurde eng definiert: Entsprechend der Bedeutung der Schmuckuhrenkollektion besteht diese zu 60 Prozent aus Frauen. Es sind werte- und zielbewusste realistische Menschen mit gehobener Kaufkraft zwischen 30 und 50 Jahren, die für Neues aufgeschlossen sind. «Frauen und Männer, die ihren eigenen Werten und Visionen folgen», gibt Claudia-Regina Flores, Mediensprecherin, die groben Umrisse der Zielgruppe wieder. Und: «Die Trägerinnen und Träger einer Carl-F.-Bucherer-Uhr sind sozial sehr integriert, geniessen das Leben und lassen den eigenen Gefühlen Raum.»
Klare Positionierung mit einer klaren Erlebniswelt
Diese Lebenseinstellung sollte Euro RSCG im internationalen Werbeauftritt ausdrücken. Im Fokus stehen dabei vorerst die Schweiz, die Benelux-Länder, Spanien und Portugal sowie die Exportmärkte Fernost mit Ausnahme Japans. Die Etablierung in Japan sowie in den USA wird als langfristiges Ziel verfolgt. Absicht ist es, in den angepeilten Märkten eine «markante» Umsatzsteigerung zu erreichen.
Dass eine Portion Selbstbewusstsein bei der Einführung mit von der Partie ist, erkennt man auch daran, dass für die Zielpositionierung im Konkurrenzumfeld nicht mit der PKS gearbeitet wurde. «Wir haben eigene Definitionen der Kundengruppen», erklärt Hossli. Rein preislich werde Carl F. Bucherer sich im Segment zwischen Longines und Ebel bewegen. Im Stil konzentriert sich die Marke auf elegantes Design. Zu den qualitativen und quantitativen Zielen lässt sich Managing Director Urs Tobler nicht tief in die Karten blicken: «Qualitativ wollen wir ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis anbieten. Zudem sehen wir eine international selektive Distribution vor, wobei wir bei ausgewählten Detaillisten an guten und besten Lagen positioniert sein wollen.»
Damit und dank der Kernkompetenzen kann der neue Uhrenbrand den Vertriebspartnern die inzwischen seltenen Vorteile eines unabhängigen Schweizer Uhrenherstellers anbieten. Neben der international vertriebenen Marke Carl F. Bucherer wird es auf einem sehr limitierten Level und klar abgegrenzt weiterhin eine Bucherer-Linie geben.
Emotionales Brandingkonzept – Magic Gardens
Im Werbeauftritt der Zürcher Euro RSCG, die das Mandat noch vor Frank Bodins Zeiten in einem Pitch gewonnen hatte, hat das Team um CD Jeremy Rawle auf der emotionalen Plattform eine hochwertige Lifestyle-Optik aufgebaut. Während der langen Entwicklungszeit von Erlebniskonzepten, die bewusst nicht nach den Regeln des Produktmarketings entwickelt wurden, kristallisierte sich immer mehr der Garten als ideales Schlüsselbild heraus.
Die sowohl örtlich wie zeitlich verstandene Oase eignet sich mit ihren positiven Assoziationen gut für eine langfristige Positionierung, bietet ausreichend Möglichkeiten für Variationen in der Umsetzung und versucht vor allem im TV-Spot für den Kunden relevante Emotionen anzusprechen.
«Die visualisierte Brandwelt umfasst gleich mehrere Konsumententypen und vor allem die Realos. Obschon der Garten als ein ruhiger, entrückter Ort interpretiert werden könnte, ist er das hier nicht. Die Headlines und die Handlung der Protagonisten heben diesen Eindruck auf», fasst der englische CD Rawle, der früher schon Tag und Rolex kreativ betreute, seine inhaltsanalytische Betrachtung zusammen.
Die Menschen in den Stadtoasen stehen denn auch mit beiden Beinen im Leben, haben spannende Berufe und Visionen. Im magischen Garten jedoch halten sie für einen sehr persönlichen Moment inne, um diese wertvolle Pause für sich oder in Gesellschaft zu geniessen. In der sprachlichen und bildlichen Umsetzung wurde auch der Internationalität der Erlebniswelt Rechnung getragen, weshalb im Spot auch gleich mehrere unterschiedliche starke Persönlichkeiten auftreten.
Was bewusst als Klammer für die komplexe und breite Zielgruppe der Uhrenmarke und für die Langlebigkeit des Spots verwendet wurde, hat den Makel der Überladung. Die einzelnen Personen und Geschichten, die mit Cut-aways bereichert sind, konkurrenzieren sich im kurzen Streifen und bedürfen grosser Aufmerksamkeit. Immerhin verhindern Kamerafahrten und schnelle Schnitte ein Abfallen der magischen Gärten ins Esoterische.
Die Printmotive, die sich am Spot orientieren, unterstützen die Verständlichkeit des Spots und umgekehrt. Die Brandworld wird bis am POS erlebbar gemacht. Einen ersten Erfolg konnte Carl F. Bucherer jetzt schon verbuchen: Der Patravi Chronograph GMT ist unter den 39 Finalisten für die Wahl zur «Uhr des Jahres 2001». Und liest man die positiven Reaktionen an der Basler Uhrenmesse als gutes Omen, dürfte auch der Launch im November in China die Erwartungen nicht enttäuschen.

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