«Der Verkäufer muss akzeptieren, dass sich der Kunde verändert»

Die digitale Welt ist ein Faktum und ganz sicher nicht zu umgehen. «Für niemanden und keine Branche», sagt Michael Grund, Leiter des Center for Marketing & Sales an der HWZ Hochschule für Wirtschaft in Zürich. Das gilt selbstverständlich auch für die Verkaufsbranche. Verschiedene Aus- und Weiterbildungen helfen Profis dabei, stets auf der Höhe der Zeit […]

Die digitale Welt ist ein Faktum und ganz sicher nicht zu umgehen. «Für niemanden und keine Branche», sagt Michael Grund, Leiter des Center for Marketing & Sales an der HWZ Hochschule für Wirtschaft in Zürich. Das gilt selbstverständlich auch für die Verkaufsbranche. Verschiedene Aus- und Weiterbildungen helfen Profis dabei, stets auf der Höhe der Zeit zu bleiben.

Traditionelle Kompetenzen sinnvoll ergänzen

E-Commerce sei in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu einer erheblichen Grösse herangewachsen und generiere massive Erträge. Trotzdem sagt Michael Grund: «Wir sind weit davon entfernt und werden wohl auch nie dazu kommen, dass traditionelle menschliche Fähigkeiten und Talente im Verkaufsberuf an Relevanz einbüs­sen.» E-Commerce habe in jeder Branche unterschiedliche Aufgaben und Stellenwerte.Überschätzen sollte man die Online-Verkäufe seiner Meinung nach indes auch nicht. «Wir bewegen uns bezüglich reiner Umsatzzahlen in der Schweiz in vielen Branchen noch bei rund 10 Prozent vom Gesamtmarkt.»

Multichannel-Spezialisten ausbilden

Es könne für einen Bildungsanbieter wie die HWZ deshalb keine Option sein, nur noch E-Commerce-Spezialisten zu fördern. «Stattdessen wollen wir unsere Studierenden befähigen, möglichst optimale Budgetentscheidungen in der heutigen Multichannel-Welt treffen zu können.» Gerade für Schweizer Firmen sei dies aufgrund ihrer oft überschaubaren Grösse der zentrale Erfolgsfaktor.«Die wichtigste Veränderung für den Verkäufer von heute ist, dass er möglichst viele relevante Informationen vom Kunden strukturiert aufnehmen, diese auswerten und damit das Kundenerlebnis verbessern kann», so Michael Grund. Schon lange reiche technisches Wissen über Angebote und Produkte für den Verkaufserfolg bei Weitem nicht mehr aus. «Verkäufer sind stattdessen immer mehr Beziehungsmanager. Für diese Aufgabe bietet die Digitalisierung ein enormes Potenzial, das in der Praxis erst ansatzweise genutzt wird», so seine Überzeugung.

Online-Verkauf: Hilfsmittel und E-Commerce

Auch für Michael Broglin, Bereichsleiter Marketing, Verkauf und Kommunikation an der KV Zürich Business School, lässt sich der hohe Stellenwert der Digitalisierung für die Verkaufsberufe nicht anzweifeln. «Dabei muss man hauptsächlich unterscheiden zwischen den digitalen Hilfsmitteln, die dem Verkauf dienen, und dem Online-Handel als zusätzlichem Verkaufskanal.»Mithilfe der digitalen Instrumente seien heute viele Aspekte des Verkaufs kostengünstiger, da sie schneller und mit weniger Personal zu erledigen seien. «Denken wir dabei nur an die elektronischen Demonstrationsmöglichkeiten im Merchandising-Bereich, die Multimediaaspekte bei der Produktpräsentation, aber auch an die Digitalisierungsmöglichkeiten im Bereich der Logistik wie Nachverfolgung der Ware, elektronisch ausgelöste Warenbestellungen und -lieferungen, die digitale Warenkontrolle usw.»

Lehrgänge: Themenübergreifend und interdisziplinär

Dennoch, und davon ist Broglin überzeugt, bleibe trotz aller Digitalisierung der wichtigste Aspekt des Verkaufens analog: «Ich meine damit die Persönlichkeit oder die sogenannten Soft Skills, die eine erfolgreiche Verkäuferin oder ­einen erfolgreichen Verkäufer vom weniger erfolgreichen unterscheidet.» Und diese Soft Skills werden in den Lehrgängen KVZBS nach wie vor ganz zentral geschult. Seit Jahren bietet das Institut die beiden Lehrgänge «Verkaufsfachleute mit Vorbereitung auf den eidg. Fachausweis» und «Verkaufsleiter mit Vorbereitung auf die eidg. Höhere Fachprüfung» an.Aufgrund der neuen Prüfungsordnung habe man beide Lehrgänge inhaltlich angepasst. «Unsere Absolventen werden gemäss neuer Wegleitung nicht mehr fächerspezifisch geprüft, sondern müssen sich themenübergreifende Handlungskompetenzen aneignen», so Broglin.

Vorbereitung auf Führungspositionen

An der HWZ steht im Lehrgang «CAS Sales & Distribution» primär die Leitung einer Verkaufs-/Vertriebsabteilung im Vordergrund. Der Fokus auf Multichannel und E-Commerce ziele auf die aktuellen Entwicklungen im Markt, sagt Michael Grund. Den unterschiedlichen Branchen sowie Verkaufs- und Vertriebsansätzen werde sowohl durch die Auswahl der Dozierenden als auch der Themen wie zum Beispiel Key Account oder Internationalisierung Rechnung getragen.Im «CAS Customer Management» greift die HWZ ebenfalls das Thema Digitalisierung und Individualisierung auf. «Die Praxis zeigt, dass IT-Systeme gerade im Kundenmanagement bislang kaum oder unzureichend genutzt werden. Der CAS erhöht deshalb die IT-Anwendungs-Nutzungskompetenz der Studierenden deutlich.»Schliesslich, führt Grund weiter aus, werde die digitale Entwicklung auch durch die Kombination von Verkauf und Kundenmanagement sowie die Flexibilität innerhalb des Lehrgangs «MAS Sales Excellence» mit einer klaren Mehrwertperspektive für Kunden und Unternehmen berücksichtigt.

MK Herr Zürrer, im Kindesalter haben wir alle «Verkäuferlis» mit einem Krämerladen aus Holz gespielt. Was hat dieses Bild vom Verkäufer noch mit dem heutigen Berufsbild gemein?

ZÜRRER Der freundliche Verkäufer, der meine Bedürfnisse im Detail kennt und die dazu passende Ware hat, ist immer noch erfolgreich. Die Kanäle, auf denen er mit dem Kunden kommuniziert und diese Prozesse ab­wickelt, verändern sich aber schnell und der Kunde wählt seine Kommunikationskanäle selber. Hier ist die Anpassungsfähigkeit des Verkäufers gefragt.

MK Welche Skills des Krämerladen-Verkäufers sind zeitlos bis heute sehr gefragt? Wo hat sich das Bild gewandelt?

ZÜRRER Das beratende Element beim «Verkäuferlis» wird das zentrale Element, da der Käufer viel besser informiert in den Laden kommt. Ebenso ist die Ausrichtung auf die Bedürfnisse des Käufers in einer Realität mit unzähligen Alternativen für meinen Einkauf wichtig.Da alle repetitiven Aktivitäten, zum Beispiel die Bezahlung, digitalisiert werden, sind diese Fähigkeiten nicht mehr so gefragt. Der reine Innendienst-Verkäufer, der sich auf die Abwicklung konzentriert, ist in einer digitalen Welt weniger gefragt.Da wir nur im B2B und in der Industrie aktiv sind, kommt dazu, dass bei unseren Kunden immer eine Gruppe von Personen den Kaufentscheid fällt. Für einen erfolgreichen Verkauf muss ich als Verkäufer dieses ganze Buying Center überzeugen, nicht nur die Person in meinem Krämerladen.

MK Physische Verkaufsläden werden immer intensiver durch Online-Portale und -Shops abgelöst. Was bedeutet das für den Berufsstand des Verkäufers?

ZÜRRER Der Verkäufer muss akzeptieren, dass sich der Kunde verändert. Wir alle erleben das in unserem privaten B2C-Umfeld, wir kaufen anders ein als noch vor ein paar Jahren. Der Verkäufer muss darum verstehen, wie die neue Generation der Käufer tickt.Sie ist gut informiert und wählt den Lieferanten selber aus. Ich muss es als Verkäufer also schaffen, auch in einer digitalen Welt meine Kunden zu erreichen. Die Wahl der Kommunikationskanäle geschieht durch den Kunden, nicht durch den Verkäufer.Wenn ich diese Veränderung nicht mitgehe, passe ich nicht mehr zum Kunden und er wählt einen anderen Lieferanten.

MK Werden die menschlichen Eigenschaften im Verkauf immer stärker von audio-visuellen Effekten und dem Kampf um die Preisvorherrschaft verdrängt?

ZÜRRER Ich kann hier nur vom B2B-Verkauf in der Industrie sprechen. Den Kaufentscheid trifft immer ein Mensch. Ich kaufe nicht mehr Ersatzteile, nur weil es mir mit viel Grafik angeboten wird.Unsere Kunden verzichten auf laute audio-visuelle Effekte. Der Kaufentscheid basiert auf einer positiven Beurteilung des Lieferanten als Grundlage und dann auf dem höchsten Nutzen für den Käufer. Diese Informa­tionen muss ich als Verkäufer auf geeigneten Wegen transportieren. Die Preistransparenz wird grösser, das ist für viele mit-«gewachsenen» Preisstrukturen nicht einfach.

MK Ist in solchen Zeiten auch eine Renaissance der alten Verkäufertugenden feststellbar?

ZÜRRER In Diskussionen mit meinen Kunden gibt es die innerlichen Verweigerer, die mit vielen Gründen erläutern, warum ihr Produkt und ihr Kunde von der Digitalisierung nicht betroffen sind und die bestehenden Prozesse immer noch richtig sind.Diese Verkäufer können erfolgreich auf entsprechende traditionelle Kundengruppen angesetzt werden. Gute Verkäufer sind aber anders. Sie lernen schnell, dass der Kunde sich verändert, und bringen diese wichtige Information als Vertreter des Kunden in das Unternehmen ein. Experimentierfreude und Kundenorientierung helfen ­ihnen, auch neue Zielgruppen anzugehen. Das sind aus meiner Sicht Tugenden, die zeitlos sind.

MK Sie sprechen in einem Ihrer Vorträge von «Uberisierung» des Verkaufs. Gewinnt am Ende derjenige, der in der kürzesten Zeit am meisten Kundendaten verarbeiten kann?

ZÜRRER Uber ist für mich ein perfektes Beispiel dafür, wie man sich an den Bedürfnissen des Kunden ausrichtet. Ich will vom Restaurant nach Hause, der Fahrer ist freundlich, ich weiss wann er kommt, und das Bezahlen ist problemlos. Uber erbringt diesen Service perfekt. Wer sich schon einmal mit einem unfreundlichen Taxifahrer in ­einem schmuddeligen Taxi über Kreditkartenprobleme unterhalten hat, schätzt den Unterschied.

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