Trotz zunehmender Verkaufserlöse droht vielen Medienunternehmen die Insolvenz

Die Covid-19-Pandemie trifft die Schweizer Medienbranche laut einer Expertenbefragung von Publicom ins Mark: Zwar profitieren Bezahlmedien von gesteigerten Verkaufserlösen. Da diese den wegbrechenden Werbemarkt bei weitem nicht kompensieren, droht vielen Medienunternehmen die Insolvenz.

Medienunternehmen

Die Corona-Krise beschleunigt damit den Strukturwandel, und viele demokratierelevante Medienangebote sind ohne zusätzliche Mittel bald nicht mehr finanzierbar. Dies geht aus einer neuen Expertenbefragung der Publicom hervor.

 

SRG und Streamingdienste bei den Gewinnern

Die Corona-Krise hat das Informationsbedürfnis der Schweizer Bevölkerung verstärkt, wovon vor allem Bezahlmedien bei der Nutzung profitieren können: Die Delphinarium-Experten von Publicom sehen die stärkste Zunahme der Nutzung bei den SRG-Medien (für die Mediengattungen Radio, TV und online – 92 Prozent der Befragten sehen eine «leichte» oder «starke Zunahme»). Bezahlte Zeitungen (gedruckt oder online) und Social Media (je 74 Prozent «leichte» oder «starke Zunahme») gehören genauso zu den Gewinnern wie die regionalen Radio- und TV-Sender (71 Prozent). Einzig den Gratiszeitungen und kostenlosen Informationsportalen wird eine stagnierende Nutzung vorausgesagt. Zu den grossen Profiteuren gehören gemäss den Experten auch Streamingdienste wie Netflix oder Spotify (89 Prozent Nutzungszunahme), die in der Krise Unterhaltung und Zeitvertreib bieten.

 

Vertrauensverlust für Gratiszeitungen

Damit einhergehend erfahren in der Corona-Krise gemäss Experten vor allem die SRG-Medien, die bezahlten Zeitungen und etwas weniger stark regionale Radio- und TV-Sender auch einen Vertrauensgewinn. Gratiszeitungen, kostenlose Informationsportale und Social Media müssen dagegen einen Vertrauensverlust hinnehmen.

Der Service-Public-Auftrag der SRG SSR und der regionalen Radio- und TV-Anbieter erhält durch die verstärkte Nutzung und das gestiegene Vertrauen des Publikums Sukkurs. Und offenbar sind Leserinnen und Leser auch bereit, für Zeitungsinhalte mehr zu bezahlen: Insgesamt zwei Drittel der Delphinarium-Experten sagen eine Steigerung von Abonnementseinnahmen und Verkäufen voraus. Mehr als die Hälfte sieht eine leichte Zunahme bis 10 Prozent, ein weiteres Sechstel erwartet eine noch stärkere Steigerung.

 

Düstere Zukunftsaussichten

Allerdings können gesteigerte Verkäufe die teilweise dramatischen Mindereinnahmen im Werbemarkt bei weitem nicht ausgleichen. So leidet der wirtschaftliche Erfolg der Medienhäuser unter der Corona-Krise, was zu einschneidenden Massnahmen und Konsequenzen führt: Alle Experten sind der Meinung, dass die Medienunternehmungen auf die Krise mit Entlassungen reagieren werden (100 Prozent Zustimmung zum Szenario in den Kategorien «trifft sicher zu» und «trifft wahrscheinlich zu»), und 96 Prozent geben an, dass sich der manifeste Trend zu Kurzarbeit verstärkt.

Neben den Massnahmen, die teilweise schon umgesetzt wurden, zeichnen die Experten geradezu alarmierende Zukunftsaussichten: Ganze 86 Prozent erwarten, dass existenziell betroffene Unternehmen aus der Medien- und Werbebranche wegen der Corona-Krise in die Insolvenz gehen könnten. Eine klare Mehrheit (78 Prozent) ist der Meinung, dass die aktuellen Vorgänge den anhaltenden Strukturwandel in der Medienbranche weiter beschleunigen, und nur 22 Prozent sehen in der Corona-Krise einen vorübergehenden schweren Einbruch, von dem sich die Branche wieder auf das Vorkrisenniveau erholen wird. Für fast drei Viertel der Delphinarium-Experten wird es zudem immer schwieriger bis unmöglich, demokratierelevante Medienangebote über den Markt zu finanzieren und sie erwarten, dass der Bund die Medienhäuser mit zusätzlichen Mitteln alimentieren wird.

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About the study

Unter dem Begriff DELPHInarium publiziert die auf Medienforschung und -beratung spezialisierte Publicom zweimal jährlich Ergebnisse einer Expertenbefragung. Am Panel sind über vierzig Fachleute der führenden Medienunternehmen sowie Vertreter aus Werbung, Medienjournalismus, Kommunikationswissenschaft und Corporate Communications beteiligt.

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