Trial of Ticino journalists: "Freedom of the press is the freedom of us all".

Vier Tessiner Journalisten sind am Donnerstag vor dem Strafgericht in Bellinzona gestanden. Der Vorwurf gegen sie: Wiederholte üble Nachrede und Geschäftsschädigung.

ilca

Die Journalisten des Sonntagsmagazins Caffé della Domenica hatten in einer achtteiligen Artikelserie über einen schweren Arztfehler in der Luganeser Klinik Sant`Anna berichtet. Im Laufe der Recherche hatten sie auch Fragen zur Organisation der Klinik und deren Vorgehen bei gravierenden Fehlern aufgeworfen.

Konkret ging es dabei um eine Patientin, der 2014 wegen einer Verwechslung irrtümlich beide Brüste entfernt wurden. Doch hatte die Klinik die Patientin anschliessend weder direkt informiert, noch vorschriftsgemäss die Justiz eingeschaltet. Beides blieb der Patientin überlassen, die bis heute unter den Folgen des falschen Eingriffs leidet.

Doch ging es beim Prozess in Bellinzona nicht um diesen schweren Fall eines Kunstfehlers und das Leiden der Patientin, sondern um den Schaden, der der Klinik durch das Sonntagsblatt zugefügt worden war. Die Wiedegutmachnung erfordere einen erheblichen Schadensersatz, sagte der Anwalt der Klägerseite.

Er warf den Journalisten des Caffé im Plädoyer vor, sie hätten aus einer Antipathie gegenüber Privatkliniken heraus der Klinik Sant`Anna gezielt Schaden zufügen wollen. Das taten sie, indem sie Sachverhalte vermischten oder ganz oder teilweise falsche Zusammenhänge herstellten. Der zuständige stellvertretende Generalstaatsanwalt war nicht zur Verhandlung erschienen.

«Nur unsere Arbeit gemacht»

Die vier Angeklagten – der Redaktionsleiter, sein Stellvertreter, der ehemalige Redaktionsleiter und eine Redaktorin – erwiderten, sie hätten lediglich Licht in die Affäre bringen wollen. «Wir haben nur unsere Arbeit gemacht».

Probleme im Gesundheitswesen seien von grossen öffentlichen Interesse und der vorliegende Fall berühre tiefsitzende Ängste der Bevölkerung. Es handle sich hier schliesslich nicht um ein verkorkstes Möbelstück, sondern um einen Menschen, dem ein schwerer bleibender Schaden zugefügt wurde.

Man habe mit den Recherchen herausfinden wollen, weshalb keine Interventions- oder Kontrollinstanz die falsche Operation habe verhindern können. Im Laufe der Recherche seien es dann viele Faktoren geworden, die man aufgedeckt habe. Man habe jedoch nur aus den besten Absichten heraus gehandelt.

Man könne schwerlich von guten Absichten sprechen, hielt der Anwalt der Klägerseite dagegen, wenn die Journalisten, um ihre Quellen zu schützen, entscheidende Beweisstücke unterschlagen würden. Der Anwalt – früher Journalist und Infochef des Radio und Fernsehens italienischer Sprach RSI – sagte, ein Journalist müsse sich eben entscheiden, ob er straffrei ausgehen oder seine Quellen preisgeben wolle.

Keine Recherchefehler

Der Anwalt der angeklagten Journalisten erklärte einerseits, dass man den Journalisten keinen Fehler in der Artikelserie nachweisen könne, die Recherchen und ihre Aufbereitung seien nicht zu beanstanden.

Es sei die Aufgabe der Medien als gesellschaftlicher Wachhund zu funktionieren. Deshalb sei die Presse- und Meinungsfreiheit bis in die höchsten legislativen und juristischen Ebenen geschützt. Journalisten einen Maulkorb anlegen zu wollen, sei widersinnig und ungesetzlich. «Pressefreiheit ist nicht nur die Freiheit der Medienschaffenden, sondern unser aller Freiheit». Der Anwalt forderte einen vollumfänglichen Freispruch für alle Angeklagten. Das Urteil wird in einer Woche, am Freitag, 4. Mai erwartet. (SDA)

More articles on the topic