Geht die P auf Inserateklau?

Webspidering Publi- Groupe baut einen eigenen Webspider. Auch für Class. Inserateklau sei aber nicht vorgesehen.

Webspidering Publi- Groupe baut einen eigenen Webspider. Auch für Class. Inserateklau sei aber nicht vorgesehen. Webspidering, das gezielte Absuchen des Internets nach bestimmten Informationen, ist fast so alt wie das WorldWideWeb selbst. Jede Suchmaschine funktioniert nach diesem Prinzip. Problematisch wird Webspidering dann, wenn Informationen, etwa Rubrikeninserate, gesammelt und publiziert werden, für die andernorts bezahlt werden muss. Diverse Anbieter, unter ihnen anzeiger.ch oder insernet.ch, machen dies in der Schweiz seit langem gezielt, professionell und gemäss kürzlich publiziertem Bundesgerichtsurteil auch mit Justitias Segen. Nun sorgt ein weiteres, allerdings erst geplantes Webspidering für neue Unruhe in der Branche: Die PubliGroupe, grösste Inseratevermittlerin der Schweiz, ist daran, einen eigenen Webspider zu entwickeln. Das geht aus den Unterlagen hervor, die die P kürzlich im Zusammenhang mit dem Projekt Class veröffentlichte. Einer, der dies mit Argwohn verfolgt, ist Patrick C. Price, Chief Marketing Officer der Scout24 Schweiz AG. «Spidering kann nicht im Interesse eines kommerziellen Online-Marktplatzes liegen. Wenn alle anfangen, sich gegenseitig zu spidern, dann wird der Inserent langfristig nirgends mehr für ein Inserat bezahlen», sagt er. Dass nun ausgerechnet die P ebenfalls einen Webspider entwickelt, geht ihm nicht in den Kopf. «Damit treibt die P den Preiszerfall im Rubrikenbereich weiter an, womit sie das Businessmodell von Class und die Situation der Verlage ad absurdum führt.»
Das sieht man allerdings auch bei der P so. «Wenn wir wie anzeiger.ch von überall Inserate zusammensuchen würden, hätte Class keinen Sinn. Eine Branchenlösung, die gut 10 Millionen Franken kostet, wäre dann tatsächlich überflüssig», sagt Andreas Göldi, Leiter der neuen P-Anlaufstelle PubliConnect. Der Webspider, den die P entwickle, werde deshalb einzig dazu dienen, bereitgestellte Onlineanzeigen einzusammeln. So könne etwa eine Bank, die ihre freien Stellen auf der eigenen Website ausschreibt, die P oder einen andern Partner von Class gegen eine marktübliche Gebühr damit beauftragen, die Inserate zu holen und im Class-Netzwerk zu publizieren.
Doch Göldi gesteht auch, dass die P noch ein zweites Ziel verfolgt: «Mit unserem Webspider vermitteln wir die Botschaft, dass wir technisch gewappnet wären, wenn dies nötig würde.» Das wäre dann der Fall, wenn Onlineplattformen, Suchmaschinen und andere Anbieter das Webspidering wie zum Teil schon angekündigt vermehrt einsetzen sollten. Class würde dann «zurückspidern». Das Resultat würde wie folgt dargestellt: Auf den Mitglieder-Plattformen würden zuerst die eigenen Inserate gezeigt, und auf einen zweiten Click hin erschienen die gespiderten Treffer.
Göldi ist sich allerdings bewusst, dass Webspidering aus Sicht des Suchenden eine Qualitätseinbusse punkto Treffergenauigkeit bringen könnte. «Beim Spidern kommen Kraut und Rüben zusammen. Ein präzises Suchen oder sinnvolles Verknüpfen sind ohne strukturierte Datenbank im Hintergrund kaum mehr möglich», sagt er. Mehrfachnennungen desselben Treffers, mangelnde Aktualität, Glaubwürdigkeitsverlust durch das Trennen der Inserate vom ursprünglichen Umfeld – all dies sind weitere mögliche Folgeerscheinungen des Spiderns. Göldi: «Das wollen wir nicht. Im Gegenteil: Class hat einen hohen Qualitätsanspruch.» Genau darum macht es für Göldi Sinn, trotz drohendem Webspidering Millionen in Class zu investieren.
Anders sieht dies Peter Müller, CEO der Firma Unio, Lösungsanbieterin für crossmediales Inserate- und Druckmanagement: «Mit dieser teuren Investition ist Class ziemlich risikobehaftet», sagt er. Zwar hätten Webspider mit dem Aktualisieren des Anzeigenbestandes, dem Ausschliessen von Mehrfachnennungen sowie dem sauberen Katalogisieren tatsächlich noch knifflige Probleme zu lösen. «Doch das ist nur eine Frage der Zeit», ist er überzeugt. Da stellt sich die Frage, ob denn der findige Kopf Peter Müller und seine Unio selbst daran sind, eine entsprechende Software zu entwickeln. Müllers Antwort ist kurz und knapp: «No comment.»
Markus Knöpfli

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