«Drucken Sie diesen Text!»

PR Weil ihre Inserate zu wenig aussagen, drängen IT-Firmen in den redaktionellen Raum von Branchen-zeitschriften. Diese geben häufiger nach.

PR Weil ihre Inserate zu wenig aussagen, drängen IT-Firmen in den redaktionellen Raum von Branchen-zeitschriften. Diese geben häufiger nach.«Wir schalten nur ein Inserat, wenn über unser Produkt auch im redaktionellen Teil (positiv) berichtet wird.» Diese Forderung von potenziellen Anzeigenkunden hat Eva Mercedes Boll, Marketingleiterin der IT-Zeitschrift ICT kommunikation, in den letzten zwei Jahren immer wieder gehört. «Es gibt immer mehr Kunden, die uns klar machen, dass sie keine Inserate mehr schalten. Sie sagen: Klassische Werbung bringt uns nichts, wir machen PR», erzählt Boll. Ein Kunde habe gar allen Ernstes gefragt, was er tun müsse, damit der CEO seiner Firma auf der Titelseite der ICT kommunikation abgebildet werde.«Die Forderung nach redaktionellen Beiträgen ist bei IT-Titeln besonders stark», sagt Boll. Sie kann das sehr wohl einschätzen, denn bei der ICT-Herausgeberin B+L Verlags AG in Schlieren ist sie auch für Fachtitel wie Architektur & Technik, Hotelier oder Wohnrevue zuständig. Boll: «Bei unseren anderen Titeln erhalten wir deutlich weniger solche Anfragen.»
«Kopplungsgeschäfte» nennt dies Karl-Heinz Müller, Verlagsleiter von SysData. Diese würden «schon seit einigen Jahren eine gewisse Eigenart der IT-Branche» darstellen, sagt er. Müller kann wie Boll quer vergleichen: Die Binkert Medien AG in Laufenburg, bei der er tätig ist, gibt ebenfalls Fachtitel verschiedener Branchen heraus.
«Viele IT-Kunden – vor allem Grossfirmen – machen immer weniger Imagewerbung, stattdessen wollen sie lieber redaktionelle Berichte platzieren», hat auch Liévin M’Bu, Inhaber der M&F Trend Media GmbH in Basel, festgestellt. «Dieser Trend ist in der IT-Branche sehr ausgeprägt», weiss er, denn auch sein Verlag publiziert unterschiedlich gelagerte Fachtitel, unter ihnen die Schweizerische Informatik-Revue (SIR).
5 bis 10 Prozent des UmsatzesWeshalb aber sind in der IT-Szene Druckversuche offenbar häufiger als anderswo? Und warum platzieren IT-Kunden lieber PR-Texte als Inserate? «Eine Dienstleistung oder eine Software im IT-Bereich ist sehr erklärungsbedürftig, deshalb genügt es den IT-Firmen nicht mehr, nur Imagewerbung zu machen», mutmasst Boll. Von «abstrakten Informatiklösungen mit grossem Erklärungsbedarf» spricht auch M’Bu. Einen andern Aspekt bringt Daniel Meierhans, Chefredaktor des IT-Titels InfoWeek aus der Compress Information Group in Thalwil, ein: «Die IT-Branche ist stark PR-gesteuert, zudem gibt es sehr viele PR-Blätter in dieser Szene», sagt er.
Verlagsstrategien, wie diesem Trend und dem Druck zu begegnen ist, gibt es viele. «Wir haben letztes Jahr bei ICT kommunikation das Gefäss ‹Publireportage› eingeführt, um eine klare Abgrenzung gegenüber unseren redaktionellen Beiträgen zu erreichen», sagt Eva Mercedes Boll. Und sie gibt zu verstehen, dass sich der Verlag trotz der jeweils klaren Kennzeichnung im Heft mit diesem Schritt schwer getan hat. Mittlerweile generieren die Publireportagen aber etwa zehn Prozent der gesamten ICT-Werbeeinnahmen.
Anders bei Compress (IT-Reseller/InfoWeek). «Publireportagen vertragen sich schlecht mit dem Anspruch unserer Hefte», stellt Herausgeber Michael von Babo klar. Konzessionen gegenüber Inserenten kämen für ihn deshalb nicht in Frage.
Bei SysData hingegen gehören Publireportagen längst zu den in den Mediadaten ausgewiesenen «Sonderwerbeformen». Sie machen etwa zehn bis zwanzig Prozent des Umsatzes aus, Tendenz leicht steigend. Für diffiziler hält Karl-Heinz Müller aber Softwaretests, so genannte Casestudies, die nicht nur die Kooperation mit einer IT-Firma voraussetzen (vergleichbar etwa mit Autotests), sondern auch von diesen bezahlt werden. In solchen Fällen begebe sich die SysData auf «gefährliche Gratwanderungen» gesteht er. Doch mache man den Firmen jeweils im Voraus klar, «dass in jedem Fall die SysData-Redaktion die Umsetzung bestimmt», sagt Müller. Er fügt an: «Für einige IT-Firmen ist das ganz schön starker Tobak.»
Trend trifft nicht alleAnders geht Liévin M’Bu vor. Seine SIR lebt nicht nur von PR-Texten, diese bilden mit etwa 53 Prozent gar den Hauptharst des Heftes. Eigene redaktionelle Leistungen, so M’Bu, machen dagegen nur zwanzig Prozent aus. M’Bu nennt die SIR denn auch «Sprachrohr für IT-Lösungen» und die PR-Beiträge zum Beispiel «Successtories»: Ein zweiseitiger solcher Text, immer kombiniert mit einem ganzseitigen Inserat, kostet 5500 Franken. Die Texte sind zwar mit der Firmenadresse versehen. «Dass es sich um bezahlte Beiträge handelt, ist für den Leser aber nicht ersichtlich», gesteht M’Bu. Zudem werden sie im Inhaltsverzeichnis wie redaktionelle Beiträge aufgeführt. Kein Wunder, macht der Verleger null Nachfrage zu gekennzeichneten Publireportagen aus. «Diese haben zu viel Werbetouch», sagt er.
Allerdings gibt es auch Widerspruch bei einigen IT-Zeitschriften. «Ich glaube nicht, dass der Druck der Kunden bei uns grösser ist als in andern Branchen», sagt etwa Heinrich Meyer, Mitinhaber der Netzwoche-Herausgeberin Netzmedien in Basel. Auch eine Bewegung hin zu mehr PR statt Inserat kann er nicht ausmachen. Er verweist dabei auf eine Umfrage des US-Marktforschers IDC. Demnach fliessen von den Marketingbudgets der IT-Firmen bloss sieben Prozent in die PR, jedoch 36 Prozent in klassische Werbung.
Auch bei IDG Schweiz (PCtipp und Computerworld) kann Gesamtleiter Gebhard Osterwalder keinen Trend zu mehr PR bestätigen. Publireportagen, so meint er, seien vor etwa zwei Jahren trendy gewesen. «Mittlerweile ist das aber abgeebbt.» Und Ingo Rausch, Geschäftsführer der Mediengesellschaft Ulm in Adliswil, spricht von einer etwa gleich bleibenden Nachfrage. Bei seiner Online-PCZeitung machen Publireportagen konstant etwa fünf Prozent des Umsatzes aus.
Vielerlei PR-GefässeWas jedoch auffällt: Der Widerspruch kommt ausschliesslich aus Verlagen, die monothematisch auf die IT-Branche ausgerichtet sind, Quervergleiche zu andern Branchen sind also weniger möglich. Kommt hinzu, dass die Branche mittlerweile neben Publireportagen noch andere bezahlte Textgefässe geschaffen hat. Sie nennen sich Firmenporträts, Casestudies, Projektreport, Produkte-News, Best Practice oder Fallstudien. Diese gibt es zum Teil seit Jahren.
Mit andern Worten: Wer längst schon PR-Gefässe anbietet, spürt weniger Druck, weil er diesen gleich schon kanalisieren kann. Ein Ventil ist bereits vorhanden. Zwei Beispiele dürften dies belegen. So hat das Computerworld-Magazin von IDG erst Mitte letzten Jahres die bezahlte Rubrik Firmenporträts eingeführt – alles identisch aufgemachte Seiten über IT-Berater. «Im Magazin-format sind diese Porträts gefragt», sagt Gebhard Osterwalder. Deshalb steht auch schon fest, dass die Computerworld nach ihrem Relaunch im Mai (siehe «Mit kleinen Schritten» auf dieser Seite) diese Anzeigenstrasse übernehmen wird.
Beispiel zwei: Auch die Firmenporträts und Case-studies im sechsmal jährlich erscheinenden Netzguide der Netzmedien sind seit Jahren «gut genutzt», wie Heinrich Meyer bestätigt. Umsatzanteile mag er zwar nicht nennen, jedoch den Grund für die Nachfrage: «Es gibt Firmen, die keine Inseratevorlagen erstellen lassen. Sie sagen, dass sie lieber eins zu eins zeigen wollen, was sie machen», sagt er.
Widerspruch hin oder her – damit schliesst sich der Kreis. Denn Meyers Aussage gleicht haarscharf jener von Eva Mercedes Boll im ersten Abschnitt dieses Artikels.
Einer, der den PR-Trend nutzen will«Weniger Inserate, mehr Publireportagen.» So umreisst Daniel Frey die wichtigsten Veränderungen im IT-Zeitschriften-Markt. Er konstatiert dies nach fünfjähriger journalistischer Tätigkeit bei einem IT-Titel. Seine Begründung: «Informatiklösungen werden immer komplexer und deren Verpackung in eine Werbeaussage immer schwieriger.»
Davon ausgehend wird Frey demnächst den Titel it4kmu mit 12400 Exemplaren und jährlich elf Ausgaben herausgeben. Pikant: it4kmu hat keine eigene Redaktion, sein Inhalt besteht ausschliesslich aus bezahlten Artikeln. Dennoch will Frey nicht bloss Superlative, Schulterklopfer-Artikel und Selbstbeweihräucherungen publizieren, die Erfolgsgeschichten, Casestudies, Firmenporträts oder Interviews sollen echte Information enthalten. Das sieht Frey als Voraussetzung dafür, damit it4kmu ein «Mittler zwischen Anbieter und Nachfrager» werden kann. Mit seinem Anspruch stösst er bei den IT-Firmen allerdings auf steinigen Boden, denn diese haben kaum Texte in Freys Sinn in der Schublade. Deshalb leistet er zuerst Aufklärungsarbeit. Den Start musste Frey deshalb vom Februar auf den 17. Mai verschieben. (mk)
IT-Titel: Die Werbekunden versprechen sich vom redaktionellen Text mehr als vom Inserat.
IT-Reseller ist PR-Verweigerer, Netzwoche und Computerworld bieten PR-Gefässe an.
Markus Knöpfli

More articles on the topic