Der öffentliche Verkehr bringt auch die Werbung in Fahrt

Aussenwerbung Der öffentliche Verkehr wird in der Schweiz noch wenig als Werbeträger genutzt – obwohl das Preis-Leistungs-Verhältnis sehr vorteilhaft ist.

Aussenwerbung Der öffentliche Verkehr wird in der Schweiz noch wenig als Werbeträger genutzt – obwohl das Preis-Leistungs-Verhältnis sehr vorteilhaft ist.
Ein Bus der Autobus AG Liestal fährt durchs Frenkental nach Reigoldswil. Auf dem öffentlichen Verkehrsmittel sticht der Schriftzug «Basellandschaftliche Zeitung» ins Auge, eine Werbebotschaft, die der Bus in die abgelegensten Dörfer des Kantons Basel-Landschaft trägt. Die Autobus AG Liestal ist vor genau hundert Jahren als Privatbetrieb mit 5 hochbeinigen Motorwagen gegründet worden. Heute ist sie mit 43 Autobussen der wichtigste öffentliche Verkehrsträger im Kanton Basel-Landschaft. «Die Werbung auf den Fahrzeugen und in den Wagen bringt uns 250000 Franken im Jahr», sagt Hansruedi Bieri, Direktor des Betriebes, der auch im hundertsten Jahr seiner Existenz als Privatunternehmen wirtschaftet. Namentlich für lokale Firmen sind die Fahrzeuge der Autobus AG Liestal zu beliebten Werbeträgern geworden; denn praktisch alle Bewohner der Region nutzen die im öffentlichen Verkehr eingesetzten Fahrzeuge oder sehen sie vorbeifahren. APG Traffic als Marktleader
Werbung auf öffentlichen Verkehrsmitteln gibt es schon seit rund neunzig Jahren. Marktleader des immer noch verkannten Werbesegments ist die APG Traffic, ein Unternehmen der Allgemeinen Plakatgesellschaft (APG), die wiederum zur Affichage Holding gehört (siehe Kasten).
APG Traffic bestückt nicht weniger als 3600 Busse, Trams und Trolleys im Lande mit Werbung. Gemäss Stiftung Werbestatistik Schweiz generierte das Werbesegment Verkehrsmittel im Jahr 2003 einen Umsatz von rund 35 Millionen Franken. 110 Verkehrsbetriebe kooperieren mit dem Unternehmen, das zusammen mit APG mit 18 Filialen in allen Landesteilen nahe beim Markt operiert. Motto: «Wir bringen Ihre Werbung in Fahrt.»
Mehr als 90 Prozent aller Schweizer Verkehrsbetriebe haben APG Traffic als exklusiven Vertragspartner ausgewählt, darunter PostAuto Schweiz, die Verkehrsbetriebe grosser Städte wie Bern und Lausanne ebenso wie kleine lokale Transportunternehmer. Individuelle, lokal abgestimmte Lösungen sind Trumpf: Der Ortsbus Klosters zum Beispiel wird von APG Traffic in Chur betreut, die Autobus AG Liestal vom Büro in Basel. «Wir wollen, dass die Werbung auf unseren Bussen mit der Region in Verbindung steht», sagt Hansrudi Bieri von der Liestaler Autobus AG, «für lokale Firmen, oder die Basellandschftliche Zeitung werben wir gerne; eine Zigarettenreklame auf unseren Bussen kommt nicht in Frage.» Dank der Zusammenarbeit mit APG Traffic tragen die Busse jedoch auch die Botschaften nationaler Werbekampagnen über das 111 Kilometer lange Streckennetz, das sich vom Drehkreuz Liestal bis Basel, Rheinfelden und Lausen über eine kaufkräftige Region erstreckt.
Werbung im Verkehrsmittel …
Tag für Tag befördern die schweizerischen Trams, Busse, S-Bahnen und Postautos rund 4,1 Millionen Personen, davon rund die Hälfte im Nahverkehr in den grossen Agglomerationen. Wie eine Studie des Bundesamtes für Statistik belegt, sind 90 Prozent der Bevölkerung täglich im Schweizer Verkehrssystem unterwegs, einem der besten und dichtesten weltweit. Auch wenn die Fahrgäste in den Städten im Schnitt pro Fahrt nur wenige Minuten in den öffentlichen Verkehrsmitteln verweilen, bleibt genügend Zeit, um Werbebotschaften aufzunehmen.
Das Potenzial für Werbung in Verkehrsmitteln ist hoch. Am Beispiel der Zürcher Verkehrsbetriebe (VBZ) lässt sich nach einer Studie von 2003 zeigen, welche Kaufkraft sich in den Trams und Bussen versammelt. 41 Prozent der Passagiere verfügen über ein Haushalteinkommen von 4000 bis 8000 Franken, 25 Prozent liegen darüber. Die Hälfte der Fahrgäste ist gut bis sehr gut ausgebildet.
Klassiker der Werbung im Wageninneren ist der Hängekarton, ein seit Jahrzehnten verwendetes System, das bei minimalen Kosten eine maximale Reichweite erzielt. Ein gesamtschweizerischer Aushang mit rund 6200 Hängekartons während einer Woche kostet 68000 Franken und schafft gemäss Unterlagen der APG Traffic 28,7 Millionen Kontakte. Der Preis pro Kontakt ist in den Printmedien doppelt oder dreimal so hoch; doch lassen sich die beiden Werbeformen nicht exakt vergleichen.
Hängekartons mit Dispensern für Prospekte oder Antwortkarten sind ein weiteres beliebtes Werbemittel für Bus und Tram. Fenstertransparente aus bedruckter Klarsichtfolie gewinnen an Terrain, obwohl dieses Werbemittel zuweilen von Fahrgästen als störend empfunden wird. Ein Aushang dieser Transparente dauert im Schnitt vier Wochen, was 30 Franken pro Transparent kostet.
… und an den Aussenflächen
Unübersehbar ist die Werbung auf Aussenflächen der Verkehrsmittel. Am Dach montierte Seiten- oder Hecktafeln sowie Heckscheibenfolien posaunen die kompakten Werbebotschaften aus; oft nur das Logo der Firma, eine Telefonnummer, eine Webadresse und vielleicht noch ein kurzer Spruch.
Umstrittener sind die grossflächigen bedruckten Folien, welche zum Teil auch die Fenster bedecken und die Sicht nach aussen beeinträchtigen. Die so genannten Traffic Boards werden in der Regel für ein ganzes Jahr gebucht, was von 4000 bis zu 12500 Franken kostet. Das Jumbo-Design schliesslich, eine Bemalung, welche den ganzen Bus umfasst, hat einen hohen Werbeeffekt, wird aber je nach Gestaltung nicht selten als hässlich empfunden. Mietverträge für derartige Werbevehikel laufen in der Regel über ein Jahr und kosten zwischen 20000 und 120000 Franken; die Produktion der Werbung nicht eingerechnet.
Die Werbung in öffentlichen Verkehrsmitteln erzielt grosse Reichweiten und hohe Kontaktwerte zu teilweise konkurrenzlos günstigen Preisen. In den Verkehrsbetrieben Luzern (VBL) konnten Wochenreichweiten für Aussenflächen von 95 Prozent auf dem Gebiet der Stadt eruiert werden; für Werbeflächen im Innern der Wagen immerhin 74 Prozent. Eine neue Studie von VBZ und APG ergab, dass rund die Hälfte der Fahrgäste die Werbung in und an öffentlichen Verkehrsmitteln häufig beachten. 44 Prozent bedienen sich öfter mit Flyern und Prospekten. 67 Prozent der Befragten erinnerten sich an ein Lehrstellenplakat und 65 Prozent an die Werbung für ein Rockkonzert.
Hohes Kontaktpotenzial: Den öffentlichen Agglomerationsverkehr nutzen rund zwei Millionen Menschen pro Tag.
Rückendeckung: Heckfolien oder Traffic Boards setzen – gelungene Gestaltung vorausgesetzt – ein starkes Werbesignal.
Hängekartons: Ein Schweizer Aushang während einer Woche bringt 28,7 Millionen Kontakte.
Blickfang: Fenstertransparente aus bedruckter Klarsichtfolie.
Heckfolie: Die VBZ zeigen Muskeln in eigener Sache.
Affichage Holding – die Mutter von APG TrafficDie Affichage Holding SA, Genf, setzte im Jahr 2004 insgesamt 300,23 Millionen Franken um, 2,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Inlandanteil des Verkaufserlöses lag bei 89,3 Prozent, der Auslandumsatz machte 10,7 Prozent aus. Das Konzernergebnis stieg um 5,1 Prozent auf 20,1 Millionen Franken. Affichage ist Marktführer in der Schweiz und in Zentraleuropa zusammen mit JCDecaux.
Die Holding umfasst die Segmente APG, Europlakat International, Spezialgeschäfte und Beteiligungen. Die in Aarau domizilierte APG Traffic ist eine Organisationseinheit der APG. Nach einer Periode der Stagnation erholt sich das Geschäft mit der Aussenwerbung und die Umsätze legen zu.
Werner Catrina

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