Too early for the champagne

Zeitungen Die Macher von Tageszeitungen dürfen aufatmen: Die negative Entwicklung der Vorjahre scheint vorerst gestoppt.

Zeitungen Die Macher von Tageszeitungen dürfen aufatmen: Die negative Entwicklung der Vorjahre scheint vorerst gestoppt.Ein Trendwechsel zeichnet sich ab: Nach zwei Jahren Krebsgang kehren die Lesenden zur Tageszeitung zurück. Von den zwölf grössten Deutschschweizer Blättern hat im letzten Jahr kein einziges Leser verloren. Sämtliche sind im Aufwind. Noch im Vorjahr war es gerade umgekehrt: Von den zwölf leserschaftsstärksten Titeln hatte damals nur gerade ein einziger – die Zürichsee-Zeitung – keine Leser verloren. Trotzdem, der Champagner muss noch im Kühlschrank bleiben. Denn es handelt sich lediglich um eine positive Tendenz – statistisch signifikant sind die festgestellten Entwicklungen nur bei ganz wenigen Titeln. Bei den Tageszeitungen ist es einzig die Berner Zeitung. Sie baut ihre Leserschaft um 38000 Lesende auf 341000 aus. Der ehemalige Konkurrent Bund, der jetzt ebenfalls unters Dach der Espace Media geholt wurde, stagniert hingegen.
Der Vormarsch der Berner Zeitung (siehe Kasten) ist gleichzeitig ein historischer: In der Hitparade der leserstärksten Tageszeitungen überholt die Berner Zeitung die NZZ und besetzt damit den vierten Rang unter den grössten Bezahlzeitungen der Deutschschweiz – hinter Blick, Tages-Anzeiger und Mittelland Zeitung.
Positiver Trend setzt sich durch
Trotz dieses Überholmanövers der Berner Zeitungsmacher hat aber auch die NZZ zugelegt. Wenn auch der aktuelle Reichweitengewinn (noch) nicht signifikant ist, bedeutet er doch den stärksten Zuwachs der letzten Jahre. Mit 27000 neuen Lesenden steht das Blatt von der Falkenstrasse besser da als im Jahr 2000.
Viel versprechend liest sich auch der Trend beim Tages-Anzeiger, der in den beiden Vorjahren viele Leser verloren hatte.
Obschon sich die zusätzlich ausgewiesenen 28000 Leser ebenfalls innerhalb des statistischen Vertrauensbereichs bewegen, liegt die Vermutung nahe, dass das Flaggschiff von Tamedia wieder Fahrt bekommt.
Zumindest als Konsolidierung dürfen auch die Trends diverser anderer Tageszeitungen gedeutet werden. Etliche unter ihnen haben das stärkste Resultat der letzten vier Jahre hingelegt. So die Neue Luzerner Zeitung, die 31000 zusätzliche Leser ausweist. Oder das St.Galler Tagblatt mit einem Zuwachs von 19000. Aber auch die Basler Zeitung und die Südostschweiz liegen mit 18000 beziehungsweise 15000 neu hinzugewonnenen Lesern über den Werten des Jahres 2000.
Eine bemerkenswert hohe Stabilität zeichnet die Westschweizer Tageszeitungen aus. Zwar bewegen sich auch hier die Gewinne in den meisten Fällen weit weg von einem statistisch signifikanten Ausmass. Gleichwohl können sie aber zumindest als Aufwärtstrend interpretiert werden. Zum Beispiel bei Le Matin, der seine Reichweite seit 2001 immerhin um drei Prozentpunkte gesteigert hat.
Nicht ganz so heiter ist hingegen der Himmel über den Tageszeitungen im Tessin. Hier haben sowohl der Corriere del Ticino als auch das Giornale del Popolo gleich mehrere Prozentpunkte ihrer Reichweite verloren, trotzdem bleiben die Veränderungen aber innerhalb des statistischen Vertrauensbereichs. Wichtig für das Giornale del Popolo: In der aktuellen Mach Basic ist dieser Titel nicht mehr als Gesamtausgabe enthalten. Der Grund: Sein Kopfblatt Giornale di Locarno wurde per Anfang 2003 eingestellt, dessen Abonnenten erhielten von da ab das Giornale del Popolo zugestellt. Demgemäss entsprechen dessen Werte der Nettokombination aller Leser beider Titel.
So oder so sind aber die beiden negativ tendierenden Titel noch kein Hinweis auf ein zeitungsmüdes Südschweizer Publikum. Denn immerhin steht die zweitgrösste Tageszeitung des Tessins, La Regione, um einen knappen Prozentpunkt Reichweite besser da als im Vorjahr.
Die Berner Zeitung ist mit einem Zuwachs von 38000 Lesenden diesjährige Siegerin in der Kategorie Tagespresse – und sieht ihr Wachstumspotenzial noch lange nicht ausgeschöpft.
Berner Zeitung hat noch PotenzialFür den diesjährigen Sieger unter den Reichweitengewinnern der Zeitungen sind jetzt auch die Schwankungen im Zusammenhang mit der Integration der Berner Oberland Medien (Thuner Tagblatt, Berner Oberländer) ausgestanden. Die Einstellung des Oberländischen Volksblattes, dessen Abonnenten nun den Berner Oberländer geliefert bekommen, hatte damals bei den Befragten der Leserschaftsstudie offenbar Irritationen ausgelöst, wie das meistens bei der Einführung neuer Namen zu beobachten ist. «Jetzt haben wir im Oberland signifikant Leser gewonnen», erklärt eine zufriedene Franziska von Weissenfluh, Verlagsdirektorin der Berner Zeitung.
Noch mehr Freude herrscht über den Erfolg in Solothurn. Das Kampfblatt gegen die Mittelland Zeitung, das Solothurner Tagblatt, gewinnt jetzt rasch an Fahrt – 67 Prozent kamen in der jüngsten Erhebungsperiode im WG 32 auf einen Schlag hinzu. Mit 40000 Lesern hat das Tagblatt jetzt bereits ein fast halb so grosses Publikum wie die Solothurner Zeitung, die mit neu 86000 Lesern aber auch noch leichten Aufwind verspürte. Erfolgreich war die Berner Zeitung in ihrem Kerngebiet, Stadt und Agglomeration Bern. Trotz des Vormarsches von 20 Minuten (siehe Seite 24) gewann dort der Espace-Titel 15000 neue Leser. Die weiteren Aussichten sind rosig. «Wir haben sowohl in Solothurn als auch im Oberland noch viel Potenzial», sagt von Weissenfluh. (dse)
Daniel Schifferle

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